Informatik anstatt Französisch und Handarbeit

Die neusten Ideen aus dem Labor Basel-Stadt werden vom Condorcet-Autor Alain Pichard kommentiert

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission.
Conradin Cramer, Departementschef Bildung in Basel: Mehr Informatik, weniger Französisch.

Die Stadt Basel möchte auf der Sekundarstufe 1 (7.-9. Klasse oder nach Harmos-Zählweise 9.-11. Klasse) das neue Fach “Informatik und Medien” einführen. Departementschef Cramer hat ganz grosse Ambitionen. Er will nicht nur, dass seine Basler Schülerinnen und Schüler wissen, wie man mit dem Computer umgeht, sondern sie sollen auch erste Schritte im Programmieren wagen. Wie das geschehen soll, wenn die Lernenden bereits heute 34 Lektionen Unterricht haben? Nun, Herr Cramer weiss, dass man diese Lektionen nicht einfach zusätzlich draufpacken kann. “Die Jugendlichen müssen noch einen gewissen Freiraum haben”, meint der Bildungschef. Und er hat auch die entsprechenden Abbaupläne.

Mit anderen Worten: die Schüler sind zu schwach für den Franz-Unterricht, aber dann wieder stark genug um anspruchsvolles Wissen wie Programmieren etc. zu verstehen.

Wir ziehen den Hut vor so viel Enthusiasmus und stellen fest: Mit Frühfranzösisch und der neuen Sprachdidaktik ist die französische Sprache als Unterrichtsfach eh erledigt. Da kann man ja auch die “schwachen Schüler” davon befreien. Und wer braucht heute noch Handarbeit? Die Basler Schülerinnen und Schüler sicher nicht. Die Schule müsse mit der Zeit gehen, meinte Herr Cramer. Wir denken. So muss die Schule gehen … mit der Zeit.

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Vier Jahrzehnte war Volker Müller als Lehrer tätig, auch in der Schulleitung. Er zieht eine pessimistische Bilanz und kritisiert die Richtung, die das deutsche Schulsystem seit Langem eingeschlagen hat. Besonders die Folgen einer Entwicklung seien „fatal“. Er hat einen Vorschlag für eine Systemkorrektur. Wir bringen einen Beitrag von Sabine Menkens, der in der WELT erschienen ist.

Vier Jahre für gymnasiale Matura: Beschwerde abgewiesen

Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und – direktoren (EDK) durfte als Voraussetzung zur schweizweiten Anerkennung gymnasialer Maturitätszeugnisse ab dem Jahr 2038 eine Ausbildungsdauer von mindestens vier Jahren festlegen. Das Bundesgericht weist eine Beschwerde von Privatpersonen aus dem Kanton Waadt gegen das neue Reglement über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätszeugnissen (MAR) ab. In den Kantonen Neuenburg, Jura und Waadt sowie im französischsprachigen Teil des Kantons Bern dauert die gymnasiale Ausbildung derzeit nur drei Jahre.

2 Kommentare

  1. Drei Bemerkungen:
    1. Das Zusammenlegen der Halbklassen im Fachkonglomerat Wirtschaft, Arbeit und Haushalt erstaunt am meisten, denn dieses bringt für die Lernenden keine Reduktion der Lektionenzahl, sondern erschwert den Hauswirtschaftslehrerinnen die Arbeit, da sie im Kochen und im Berufswahlunterricht bei doppelter Schülerzahl weniger auf einzelne Jugendliche eingehen können. Es ist bloss eine Einsparung an Lohnkosten, damit der Informatikunterricht kostenneutral auf die Stundentafel gepackt werden kann.
    2. Welch ein Absturz des neuen Fremdsprachenunterrichts! Getreu nach dem Projekt des Europarates erliess die EDK vor ca. 20 Jahren ein Sprachenkonzept, nach dem jedes, wirklich jedes Kind zwei Fremdsprachen lernen sollte. Mit der neuen Didaktik der funktionalen Mehrsprachigkeit sollten die Kinder und Jugendlichen im Sprachbad ab der 3. Primarklasse spielend multilingual Französisch und Englisch lernen, ohne Grammatik, konstruktivistisch, interkulturell, kompetenzorientiert, ohne mühsames Wörterlernen, an strikt authentischem Material, mit Hilfe effizienter Lernstrategien. Und jetzt? Trotz dem mantrahaft wiederholten Bekenntnis zur zweiten Landessprache können Sekundarschüler des A-Niveaus Französisch abwählen, damit die Informatik Platz in der Stundentafel hat. Der Didaktik-Hype “Mehrsprachigkeit” wird damit stillschweigend beerdigt.
    3. Das Departement Cramer hat den Beschluss offenbar ohne Konsultation der Schulkonferenz und der Schulsynode top-down verfügt, ein klarer Verstoss gegen das Schulgesetz, wonach die Lehrerschaft in wichtigen Bildungsfragen einbezogen werden muss. Ob sich die Basler Lehrpersonen dies gefallen lassen und ob sie sich, wie die im BaZ-Artikel genannte Schulleiterin, einmal mehr bedauernd, aber willfährig fügen werden?

  2. Was Felix Schmutz in 2.als Forderungen zur Umsetzung des Fremdsprachenuntrrichts aufzählt, ist Wasser in der Luft kochen. Auch für die neue regierungsrätliche Forderung steht keine Pfanne zur Verfügung.

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