Die Stadt Basel möchte auf der Sekundarstufe 1 (7.-9. Klasse oder nach Harmos-Zählweise 9.-11. Klasse) das neue Fach “Informatik und Medien” einführen. Departementschef Cramer hat ganz grosse Ambitionen. Er will nicht nur, dass seine Basler Schülerinnen und Schüler wissen, wie man mit dem Computer umgeht, sondern sie sollen auch erste Schritte im Programmieren wagen. Wie das geschehen soll, wenn die Lernenden bereits heute 34 Lektionen Unterricht haben? Nun, Herr Cramer weiss, dass man diese Lektionen nicht einfach zusätzlich draufpacken kann. “Die Jugendlichen müssen noch einen gewissen Freiraum haben”, meint der Bildungschef. Und er hat auch die entsprechenden Abbaupläne.
Zum einen soll das Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt», das heute in Halbklassen unterrichtet wird, künftig in Ganzklassen unterrichtet werden. Zum anderen sollen die Fächer «Technisches Gestalten» und «Textiles Gestalten» im ersten Sekundarschuljahr zu einem Pflichtfach zusammengelegt werden.
Im schwächsten Leistungszug (A) wird Französisch künftig nur noch im ersten Jahr Pflicht sein, danach kann man stattdessen Deutsch oder Mathe als «individuelle Vertiefung» hinzuwählen. Cramer sagte, er habe nicht «aus politischer Bequemlichkeit» auf das Streichen von Französisch-Lektionen verzichten wollen. Er wisse um die Französisch-Affinität der Grenzregion Basel, die einen starken Bezug zur Romandie habe. Doch Fakt sei eben auch, dass die A-Schüler gerade in Deutsch und Mathe «Luft nach oben» hätten.
Mit anderen Worten: die Schüler sind zu schwach für den Franz-Unterricht, aber dann wieder stark genug um anspruchsvolles Wissen wie Programmieren etc. zu verstehen.
Wir ziehen den Hut vor so viel Enthusiasmus und stellen fest: Mit Frühfranzösisch und der neuen Sprachdidaktik ist die französische Sprache als Unterrichtsfach eh erledigt. Da kann man ja auch die “schwachen Schüler” davon befreien. Und wer braucht heute noch Handarbeit? Die Basler Schülerinnen und Schüler sicher nicht. Die Schule müsse mit der Zeit gehen, meinte Herr Cramer. Wir denken. So muss die Schule gehen … mit der Zeit.
Drei Bemerkungen:
1. Das Zusammenlegen der Halbklassen im Fachkonglomerat Wirtschaft, Arbeit und Haushalt erstaunt am meisten, denn dieses bringt für die Lernenden keine Reduktion der Lektionenzahl, sondern erschwert den Hauswirtschaftslehrerinnen die Arbeit, da sie im Kochen und im Berufswahlunterricht bei doppelter Schülerzahl weniger auf einzelne Jugendliche eingehen können. Es ist bloss eine Einsparung an Lohnkosten, damit der Informatikunterricht kostenneutral auf die Stundentafel gepackt werden kann.
2. Welch ein Absturz des neuen Fremdsprachenunterrichts! Getreu nach dem Projekt des Europarates erliess die EDK vor ca. 20 Jahren ein Sprachenkonzept, nach dem jedes, wirklich jedes Kind zwei Fremdsprachen lernen sollte. Mit der neuen Didaktik der funktionalen Mehrsprachigkeit sollten die Kinder und Jugendlichen im Sprachbad ab der 3. Primarklasse spielend multilingual Französisch und Englisch lernen, ohne Grammatik, konstruktivistisch, interkulturell, kompetenzorientiert, ohne mühsames Wörterlernen, an strikt authentischem Material, mit Hilfe effizienter Lernstrategien. Und jetzt? Trotz dem mantrahaft wiederholten Bekenntnis zur zweiten Landessprache können Sekundarschüler des A-Niveaus Französisch abwählen, damit die Informatik Platz in der Stundentafel hat. Der Didaktik-Hype “Mehrsprachigkeit” wird damit stillschweigend beerdigt.
3. Das Departement Cramer hat den Beschluss offenbar ohne Konsultation der Schulkonferenz und der Schulsynode top-down verfügt, ein klarer Verstoss gegen das Schulgesetz, wonach die Lehrerschaft in wichtigen Bildungsfragen einbezogen werden muss. Ob sich die Basler Lehrpersonen dies gefallen lassen und ob sie sich, wie die im BaZ-Artikel genannte Schulleiterin, einmal mehr bedauernd, aber willfährig fügen werden?
Was Felix Schmutz in 2.als Forderungen zur Umsetzung des Fremdsprachenuntrrichts aufzählt, ist Wasser in der Luft kochen. Auch für die neue regierungsrätliche Forderung steht keine Pfanne zur Verfügung.