Die Basler Lehrerinnen und Lehrer galten lange als die gefügigsten der Schweiz. Kritik an den Entscheidungen des Erziehungsdepartements übte die Freiwillige Schulsynode (FSS) so gut wie nie. Das trug der Gewerkschaft den Ruf eines Abnickergremiums ein. Bildungsexperte Alain Pichard spottete vor zwei Jahren über die FSS: «So etwas gibt es in der ganzen Schweiz nicht ein zweites Mal. Diese Staatsnähe erinnert ein bisschen an die DDR.»
Doch diese Zeiten sind vorbei. Vergangene Woche gab die FSS bekannt, dass sie sich zum ersten Mal seit sechs Jahren für eine Volksinitiative einspannen lässt. Sie will die Wiedereinführung der Kleinklassen, welche vor etwas über 10 Jahren in Basel-Stadt abgeschafft worden sind. Die Lehrerinnen und Lehrer haben lange mit sich gerungen, denn Volksinitiativen im Schulwesen haben vor allem Verlierer zur Folge. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und vor allem mit Eltern, die es besser wissen, ist schon genügend herausfordernd für Lehrerinnen und Lehrer, aber auch für Schulleitungen.
Da bräuchte es nicht noch Störfeuer aus der Politik. Solche werden unvermeidbar sein im Abstimmungskampf. Im Parlament wird man auf Feld eins zurückfallen und im Vorfeld der Abstimmung wieder über Sinn und Unsinn der integrativen Schule streiten. Und auf den Abstimmungsplakaten werden unglückliche Kinder zu sehen sein, die mit dem heutigen Schulsystem nicht zurechtkommen und zwingend wieder in die Kleinklasse müssten.
Cramers starker, unpopulärer Mann
Solche Grabenkämpfe hat die Basler Lehrergewerkschaft bisher vermieden. Doch nun scheint sie keine andere Lösung zu sehen als die Konfrontation. Im Fokus stehen vor allem der Erziehungsdirektor Conradin Cramer (LDP) sowie der Volksschulleiter Urs Bucher. Cramer ist nicht zu beneiden. Er trat 2017 die Nachfolge des auch in Lehrerkreisen beliebten Christoph Eymann an. Eymann hatte Glück gehabt – machte aber einiges richtig. Glück hatte er, dass der Basler Beitritt zu Harmos das Ende des allseits verhassten Basler Schulsonderwegs (mit der Orientierungsschule statt der Sekundarschule) besiegelte. Richtig machte er, dass er die Lehrerinnen und Lehrer in seine Entscheide mit einbezog. Einmal im Quartal setzte er sich mit den Lehrergewerkschaftern zusammen und hörte einfach mal zu. Lief irgendwo etwas nicht nach Wunsch, war er auch bereit, unbürokratisch zu handeln. Wenn es an einer Schule Probleme gab, stellte er auch mal sofort mehr Personal zur Verfügung.
Cramer konnte eine ruhige Kugel schieben – bisher
Und wenn man zusammen redet, redet man aneinander vorbei. Die Lehrerinnen und Lehrer reklamieren seit Jahren, dass die Integration nur bei Behinderten funktioniert, nicht aber bei den Verhaltensauffälligen – früher nannte man sie Störenfriede. 15 von 16 Kantonen, welche dem Sonderpädagogik-Konkordat angehören, haben das verstanden. Hier sind die Kleinklassen entweder wieder eingeführt oder gar nie ganz abgeschafft worden. Cramer ist auf die Forderung nach Wiedereinführung nicht eingegangen, sondern stellte verbesserte Weiterbildungen für die Lehrerinnen und Lehrer in Aussicht, damit man die Basler Schüler (welche in den Vergleichstests jeweils die schlechtesten der Schweiz sind) konkurrenzfähig machen könne.
Um auch künftig Stress zu vermeiden, sollte er den gleichen Fehler nicht begehen wie einst der Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP). Dieser brachte gegen Ende seiner Amtszeit die Lehrerinnen und Lehrer gegen sich auf, indem er sie bei seinen Entscheiden überging und sich danach über deren Reklamationen mokierte.
Die ersten fünf Jahre seiner Amtszeit waren für Conradin Cramer geruhsam. Er fand sogar Zeit, neben seiner Arbeit ein Buch über die Kniffs und Tricks zu schreiben, die man als Politiker anwenden sollte. Um auch künftig Stress zu vermeiden, sollte er den gleichen Fehler nicht begehen wie einst der Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP). Dieser brachte gegen Ende seiner Amtszeit die Lehrerinnen und Lehrer gegen sich auf, indem er sie bei seinen Entscheiden überging und sich danach über deren Reklamationen mokierte. Diese reagierten mit öffentlicher Kritik, Vorstössen im Landrat und Initiativen.
Will Cramer eine ähnlich miese Stimmung an den Schulen vermeiden, muss er lernen, seinen – teilweise – empfindlichen Mitarbeitern aus der Lehrerschaft zuzuhören. Dieser Tipp findet sich in seinem Ratgeber «In die Politik gehen» nicht. Wenn der Basler Bildungsdirektor aber dereinst ein Buch mit dem Titel «In der Politik bleiben» schreiben will, sollte er ihn beherzigen.
Dieser Artikel erschien in der BAZ: https://www.bazonline.ch/genug-gekuschelt-467994890649