26. April 2024

Genug gekuschelt – Analyse zum Frust der Basler Lehrer über die Bildungspolitik

Die Basler Lehrergewerkschaft galt lange als handzahm und behördennah. Unter Erziehungsdirektor Conradin Cramer (LDP) verschafft sie ihrem Ärger zunehmend öffentlich Luft. Warum? Der BAZ-Journalist Leif Simonson ging dieser Frage nach. Seine ziemlich eigene Sicht der Dinge veröffentlichen wir hier gerne.

Leif Simonson, BAZ-Journalist: Scheinbar keine andere Lösung als Konfrontation.

Die Basler Lehrerinnen und Lehrer galten lange als die gefügigsten der Schweiz. Kritik an den Entscheidungen des Erziehungsdepartements übte die Freiwillige Schulsynode (FSS) so gut wie nie. Das trug der Gewerkschaft den Ruf eines Abnickergremiums ein. Bildungsexperte Alain Pichard spottete vor zwei Jahren über die FSS: «So etwas gibt es in der ganzen Schweiz nicht ein zweites Mal. Diese Staatsnähe erinnert ein bisschen an die DDR.»

FSS-Präsident Jean-Michel Héritier stellte sich immer auf den Standpunkt, mit dem Basler Erziehungsdepartement könne man eben verhandeln. Anders als etwa der Baselbieter Lehrerverein, welcher sich im Landkanton seit Jahren mit lauter Kritik an der Bildungsdirektion Medienpräsenz verschafft, suche man in Basel den Dialog statt die Öffentlichkeit.
Jean-Michel Héritier, Präsident der FSS: Wir setzen bisher auf Dialog.

Cramers starker, unpopulärer Mann

Christoph Eymann (LDP), ehemaliger Vorsteher des Baselstädtischen Erziehungsdepartements: Näher an der Basis?

Diese Nähe zu seinen Arbeitnehmern fehlt Cramer. Das zeigt nicht zuletzt die Corona-Krise. FSS-Präsident Jean-Michel Héritier moniert, die Baselbieter Lehrerinnen und Lehrer würden im «Krisenstab Schulen» mit am Tisch sitzen, wenn Massnahmen beschlossen würden. Anders in Basel-Stadt. Ob Maskenpflicht oder Corona-Tests an den Schulen: Die Lehrerinnen und Lehrer erfahren es zuerst aus den Medien. Belastend kommt hinzu, dass der zweitwichtigste Mann im Erziehungsdepartement einen Stil pflegt, den die sensiblen Lehrer überhaupt nicht goutieren. Die Lehrer, die vom Berufsalltag gewohnt sind, die Regeln zu definieren, haben mit dem Volksschulleiter Urs Bucher seit zwei Jahren einen Mann vorgesetzt bekommen, der vom Kuschelkurs seines Vorgängers Dieter Baur wenig hält. Entscheide wie derjenige, wonach die Schulleitungen alle zwei bis drei Jahre Unterrichts-Gesamtbeurteilungen jedes einzelnen Lehrers durchführen sollen, fällte er beispielsweise ohne Rücksprache mit der Lehrergewerkschaft – ein Affront.

Urs Bucher, Leiter Volksschulen Kanton Basel-Stadt: Rustikaler Stil.

Cramer konnte eine ruhige Kugel schieben – bisher

Um auch künftig Stress zu vermeiden, sollte er den gleichen Fehler nicht begehen wie einst der Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP). Dieser brachte gegen Ende seiner Amtszeit die Lehrerinnen und Lehrer gegen sich auf, indem er sie bei seinen Entscheiden überging und sich danach über deren Reklamationen mokierte.

Dieser Artikel erschien in der BAZ: https://www.bazonline.ch/genug-gekuschelt-467994890649

 

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