Condorcet:
Charles, aus der Geschichte lernen, heisst es im etwas seichten Politsprech. Trotzdem eine direkte Frage: Was hast du aus der Geschichte des Roten Basel gelernt, bzw. was hast du ganz persönlich dem Wirken dieses Mannes entnommen?
Stirnimann:
Die Regierungstätigkeit des Roten Basel ab 1935 illustriert eindrücklich: Politik ist nie alternativlos. Fritz Hauser steht für das Primat des Politischen. Juristische Subtilitäten waren ihm ein Gräuel. Eindrücklich ist sein Gestaltungswillen und seine Fähigkeit, auch unter schwierigsten Rahmenbedingungen zukunftsfähige Lösungen zu finden. Denn in der Zwischenkriegszeit waren die wirtschaftlichen und finanziellen Handlungsspielräume tatsächlich sehr eng. Hauser hatte ein feines Gespür für das politisch Mögliche und vermochte dies dank seiner Initiative und seinem unzimperlichen Durchsetzungsvermögen auch meistens zu realisieren.
Dein ausgesprochen sachlicher Stil, deine faire Beschreibung auch der politischen Gegner von Hauser ist auffallend. Wie ist dir das als langjähriges Mitglied der Linken gelungen?
Das ist als Historiker schlicht und einfach eine Frage der Professionalität. Zwar soll die eigene Position in einem Text durchaus erkennbar sein, moralisierende und rechthaberische Urteile ex post gehören jedoch nicht in eine historische Publikation mit wissenschaftlichem Anspruch. Nüchternheit und Sachlichkeit scheinen mir unverzichtbar.
Zurzeit wird ja Basel – wie andere Städte in der Schweiz – wieder von einer linken Mehrheit regiert. Wo siehst du Parallelen, wo die Unterschiede?
Die Sozialdemokratische Partei der Zwischenkriegszeit war keine postmoderne Lifestyletruppe selbstgerechter Akademikerinnen und Akademiker, sondern eine Organisation zur politischen und wirtschaftlichen Interessenvertretung der Arbeiterklasse in schwierigen Zeiten. Ihre Bilanz ist angesichts der Widerstände und Herausforderungen der Epoche sehr respektabel ausgefallen.
Wenn man das Wirken von Fritz Hauser im Bildungsbreich betrachtet, dann stellt man, stellen vor allem unsere Leser und Leserinnen etwas wehmütig fest, dass die Zeit der grossen Bildungsdebatten innerhalb der Linken vorbei ist. In Zürich wurde der Vorsteher des Baudepartements in das Bildungsdepartement “strafversetzt” und auch in Basel überlässt man die Bildung dem bürgerlichen Conradin Cramer. Die schlechten Resultate der Basler Schülerinnen und Schüler scheinen niemanden zu beeindrucken.
Angesichts der sehr hohen Bildungsausgaben und der schlechten Leistungen der Basler Schülerinnen und Schüler wäre eine Bildungsdebatte tatsächlich wünschbar. Ich habe jedoch den Eindruck, dass der liberale Bildungsdirektor Conradin Cramer die Schwachstellen durchaus erkannt hat. Er ist jedoch mit einer Bildungslandschaft konfrontiert, die während vieler Jahre von sozialdemokratisch geprägten Führungskadern geformt worden ist.