25. April 2024

Berühmte Denker und Autoren haben genug, der Condorcet-Blog macht es vor

In einem offenen Brief riefen mehr als 150 Autoren zu mehr Toleranz in immer intoleranter werdenden Zeiten auf. Zu den Unterzeichnern gehören Literaturschaffende und Intellektuelle wie Salman Rushdie, Martin Amis, Margaret Atwood, John Banville, Daniel Kehlmann und J. K. Rowling, Greil Marcus, Steven Pinker, Malcolm Gladwell und Gloria Steinem; vom neokonservativen Politikwissenschafter Francis Fukuyama bis zum weit links stehenden Linguisten Noam Chomsky sind Persönlichkeiten jeder politischen Couleur vertreten. Die Redaktion nimmt dies zum Anlass, etwas Eigenwerbung zu betreiben. Denn was die Autorinnen und Autoren fordern, ist im Condorcet-Blog eine Selbstverständlichkeit.

Thomas Chatterton Williams: Es ist genug!

Der Initiator des Briefes, der amerikanische Autor Thomas Chatterton Williams, Sohn eines Schwarzen und einer Weissen, betonte die Vielfalt der Unterzeichner: «Wir sind nicht nur ein Haufen alter weisser Männer, die herumsitzen und diesen Brief schreiben. Dieser schliesst viele schwarze, muslimische und jüdische Denker ein, Menschen, die trans sind, schwul, alt, jung, rechts und links.»

Die NZZ kommentierte das Schreiben in wohlwollendem Ton: «Worum es den Autoren und Autorinnen primär geht, ist die Kritik an Ton und Impetus der öffentlichen Debatten über Reizthemen. Und zwar jener, in denen sich immer neue Fronten auftun und die mit einem Totalitätsanspruch geführt werden, der kleinste Abweichungen von einer neu er- und umkämpften Norm mit Ausgrenzung und persönlichen Drohungen ahndet. Es sind Toleranzforderungen im Tonfall des Fanatismus.»

Margaret Atwood: In extremen Zeiten gewinnen die Extremisten.

Und sie zitiert das Beispiel von Margreth Atwood: «Atwoods Kritik richtete sich gegen die militanten Exponentinnen der Bewegung. «In extremen Zeiten gewinnen die Extremisten», schrieb sie. «Ihre Ideologie wird zur Religion, und jeder, der ihre Ansichten nicht nachplappert, wird als Ungläubiger, Häretiker oder Verräter gesehen, und die Gemässigten in der Mitte werden zerstört.» Atwood wurde daraufhin von Feministinnen in einer Unflätigkeit beschimpft, die ihre Analyse bestätigte, statt sie mit Argumenten zu entkräften.

Lagerkämpfe gibt es auch in der Bildungsdebatte

Nun ist die Bildungspolitik zurzeit weniger umstritten, als es die Fragen um Gendergerechtigkeit, Me TOO-Debatte, Rassismusproblematik oder die Klimaerwärmung beinhalten.

Das war aber nicht immer so. Der Kampf um die Einführung der Harmos-Richtlinien, der Kompetenzorientierung und den Lehrplan 21 führte zu heftigen Kontroversen und entwickelte sich zu einem eigentlich Kulturkampf.

Die Niederlage als Geburtsstunde des Condorcet-Blogs

Die anschliessende Niederlage in den kantonalen Abstimmungen zum Lehrplan 21 sollte die Geburtsstunde des Condorcet-Blogs werden. Ursprünglich angeregt durch die Philosophin und Publizistin Regula Stämpfli trafen sich Persönlichkeiten aus den kantonalen Komitees, aus lehrplankritischen Vereinigungen (Denknetz, Einspruch, kantonale Starke Schule-Vereine) sowie einzelne Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur im Mai 2018 in Olten und beschlossen die Gründung dieses Blogs.

Jean-Marie Caritat de Condorcet: „Die Wahrheit gehört jenen, die sie suchen, und nicht denen, die vorgeben, sie zu besitzen.“

Der Name «Condorcet» steht für Offenheit, Diskursfreude, Bildung und Freiheit des Denkens. Und es war allen klar: Ideologische Grabenkämpfe soll es nicht mehr geben. Angestrebt wurden dagegen kritische Begleitung der Reformpolitik, Hinterfragen von Bildungsprosa, filterfreie Information, geistreiche Impulse und konstruktive Debatten.

Diskussionsfreude und Freiheit des Denkens

Das Prinzip «Guilt by Association» lehnen wir grundsätzlich ab. Wir setzen auf perspektivisches Sehen (Nietzsche). Im Blog schreiben stark links ausgerichtete Persönlichkeiten wie Georg Geiger, Diane Ravitsch oder Roland Stark zusammen mit liberalen Denkern wie Carl Bossard. Der linksliberale Genfer Professor Bernard Schneuwly widerspricht dem PH-Kritiker Allan Guggenbühl, der Praktiker Felix Schmutz liefert sich mit dem renommierten Professor Walter Herzog einen fast schon epischen Diskurs über das selbstorientierte Lernen. Der wirtschaftskritische Professor Krautz antwortet dem liberalen Wirtschaftspublizisten Hans Rentsch zu dessen These der Wirtschaftsferne in unserem Bildungssystem. Der Skeptiker des menschengemachten Klimawandels Professor Bandelt wird vom überzeugten Klimaaktivisten Haenggi zwar hart angegangen, aber nie pauschal abgeurteilt. Der digitalaffine Condorcet-Autor Philipp Loretz mahnt den Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz, der sich explizit für den Präsenzunterricht ausspricht, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Es gibt keine formalen Abgrenzungen, es zählt der Inhalt. So kommt es manchmal zu witzigen, ab und zu auch zu polemisch-heftigen, aber immer respektvollen Debatten innerhalb unseres Blogs. Wir begrüssen harte Diskussionen mit robuster und beissender Gegenrede aus allen Richtungen. Wichtig ist dabei immer die Qualität und die Frage, ob der Text Relevanz und Erkenntniserweiterung bietet. Dafür sorgt auch eine breit aufgestellte Redaktion, in der alle Richtungen vertreten sind. Immer wieder suchen wir auch die Gegenposition und bieten Persönlichkeiten mit anderer Meinung ein Podium. Diese Haltung ist eine klare Absage an das Bubble-Prinzip und sorgt für die Schärfung der eigenen Argumentationsfähigkeit. Allan Guggenbühl schrieb darüber kürzlich: “Indem der Blog eine Plattform bietet, auf der Artikel geschrieben, ausgetauscht und diskutiert werden können, die sowohl aus der Praxis wie aus theoretischen Überlegungen geschrieben werden, liefert er einen wichtigen Beitrag zur Förderung einer Schuldebatte, in der alle Kreise integriert sind.”

Unser Einsatz für die Chancengleichheit ist nicht verhandelbar. Deren Umsetzung ist aber jederzeit diskutabel.

Die Haltung bleibt

Das soll nicht als Beliebigkeit missverstanden werden. Unsere Haltung gegenüber Digitalisierung, Kompetenzorientierung, Vermessung und Ökonomisierung der Bildung ist und bleibt kritisch, unser Engagement für eine Bildung für alle, unsere Sorge um Bildungsgerechtigkeit und unser Einsatz für die Chancengleichheit sind nicht verhandelbar. Deren Umsetzung ist aber jederzeit diskutabel.

Was die bekannten Intellektuellen in der englischsprachlichen Presse fordern, hat der kleine Bildungsblog in der Schweiz längstens realisiert.

Was die bekannten Intellektuellen in der englischsprachlichen Presse fordern, hat der kleine Bildungsblog in der Schweiz längstens realisiert. Das ist zwar immer noch fragil, aber scheint die LeserInnen zu überzeugen. Das Spendenaufkommen ist gut und über 18’000 bildungsinteressierte Menschen haben diesen Blog bereits angeklickt. Mehrere Tageszeitungen haben Themen des Condorcet-Blogs aufgegriffen.

Wie hat es unser Redaktionsmitglied Alain Pichard kürzlich in seiner Rezension zum Buch von Condorcet-Autor Roland Stark formuliert: «Das Buch von Stark richtet sich an den Bildungsbürger, der in erster Linie an gut geschriebenen und fundierten Texten interessiert ist und der sich gerne auch einmal für andere Meinungen interessiert.» So tut es auch dieser Blog.

Die Redaktion

 

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