Deutschland hat sich zusammen mit 79 anderen Staaten bzw. Regionen mal wieder „PISAcken“ lassen – mit der soeben veröffentlichten PISA-„Studie“ 2018 zum siebten Mal nach 2000, 2003, 2006, 2009, 2012 und 2015. PISA steht für „Programme for International Student Assessment“. Rund 600.000 Schüler haben 2018 daran teilgenommen, darunter knapp 5.500 aus 223 deutschen Schulen. Erstmals dabei waren Schüler aus Bosnien und Herzegowina, Brunei Darussalam, den Philippinen, Saudi-Arabien, der Ukraine und Weißrussland. Schwerpunkt war dieses Mal die Lesekompetenz.
Und auch wenn interessierte Kreise aus Politik und Medien das deutsche Ergebnis je nach ideologischer Herkunft erneut skandalisiert, schön- oder schlechtgerechnet hätten: Es bleibt gähnende Langweile nach der Lektüre des aktuellen PISA- respektive OECD-Zahlensalates. Einen echten Erkenntnisgewinn stellt PISA schon lange nicht mehr dar, wenn es denn diesen Mehrwert jemals hatte.
Was gab die für PISA verantwortliche OECD, die sich gerne als Weltbildungsministerium geriert, soeben zum Besten? (In Klammern jeweils der PISA-Wert; 500 ist a priori als Durchschnittswert definiert, realiter aber ist der OECD-Durchschnitt diesmal beim Lesen 487, in der Mathematik 489 und in den Naturwissenschaften 489.)
Schüler in Deutschland liegen mit Rang 20 beim Leseverständnis (499 Punkte), in der Mathematik (500) und bei den Naturwissenschaften (503) im OECD-Durchschnitt bzw. knapp darüber. In der Mathematik und den Naturwissenschaften verschlechterten sich jedoch die Ergebnisse gegenüber früheren PISA-Erhebungen.
Insgesamt bleibt der Abstand zu den Spitzenreitern in Asien (die chinesischen Grossstädte Peking, Shanghai, Jiangsu und Zhejiang liegen bei Werten zwischen 550 und 590) und Europa (Estland und Finnland liegen jeweils bei rund 520 PISA-Punkten).
Der Schulerfolg in Deutschland korreliert weiterhin stärker mit der sozialen Herkunft der Schüler als im Durchschnitt der OECD-Länder.
Insgesamt schnitten Mädchen in Deutschland beim Leseverständnis deutlich besser ab als Jungen, aber der Unterschied war kleiner als im OECD-Durchschnitt. In Mathematik schnitten sie dagegen etwas schlechter ab; in den Naturwissenschaften zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
In Deutschland hat jeder fünfte und im OECD-Durchschnitt etwa jeder vierte Teilnehmende Schwierigkeiten, selbst grundlegende Anforderungen an das Leseverständnis zu bewältigen. Bei den asiatischen oder europäischen Spitzenreitern, darunter Estland und Finnland, waren dies nur zehn bis 15 Prozent der Teilnehmenden.
Neben Kenntnissen beim Leseverständnis, der Mathematik und den Naturwissenschaften hat PISA 2018 auch das Wohlbefinden der Schüler und den Zusammenhang mit ihren Leistungen untersucht. Hier trat neben Deutschland unter anderem der flämische Teil Belgiens als positives Beispiel hervor. In fast allen untersuchten Bildungssystemen zeigte sich, dass Versagensängste unter Schülern besonders häufig dort verbreitet waren, wo die Leistungen beim Leseverständnis besonders gut waren. In Deutschland und Belgien, aber auch bei den europäischen Spitzenreitern Estland und Finnland, zeigte sich dieser Zusammenhang nicht. Hohes Leistungsniveau und hohes Wohlbefinden schliessen einander also nicht aus.
Ist PISA überhaupt aussagekräftig? Dreimal NEIN!
Viel heiße Luft von der OECD
NEIN Nr. 1: Wer so tut, als sei Bildung das, was PISA misst, der hat ein armes, ja ein erbärmliches Bildungsverständnis. Denn PISA und die sog. empirische Bildungsforschung haben nur noch das an schulischem Lernen im Blick, was sich messen lässt. Im Falle von PISA ist das wahrscheinlich nur ein Zehntel dessen, was in der Schule geschieht: ein bisschen etwas von Informationsentnahmekompetenz, ein bisschen etwas von mathematischem Verständnis und ein bisschen etwas von naturwissenschaftlichem Verständnis. Nicht erfasst von PISA werden folgende Bildungsbereiche: sprachliches Ausdrucksvermögen, Fremdsprachenkenntnisse, Wissen in den Bereichen Literatur, Geschichte, Geographie, Politik, Wirtschaft, Religion/Ethik, ästhetische Bildung in den Fächern Kunst und Musik usw. PISA ist also weder ein Bildungstest noch ein Schulleistungstest.
NEIN Nr. 2: PISA ist völlig ungeeignet als Massstab für die soziale Durchlässigkeit des deutschen Bildungswesens. PISA untersucht Fünfzehnjährige inmitten ihrer Bildungsbiographie, stellt für dieses Lebensalter den Gymnasiastenanteil fest und berücksichtigt dabei nicht, welchen Bildungsabschluss die Gesamtpopulation tatsächlich macht. Die stets aus der linken gesellschaftspolitischen Ecke behauptete soziale Disparität des deutschen Bildungswesens ist also ein PISA-Artefakt. Man kann soziale Disparität bzw. Parität nämlich nicht mit PISA messen, weil PISA Fünfzehnjährige testet und damit weggedrückt wird, dass rund die Hälfte unserer Studierberechtigten nicht über das Gymnasium an die Hochschule kommt. Gerade bei diesen Studenten, die vor allem über die Realschule und Fachoberschule ins Studium gelangen, ist kein Einfluss der sozialen Herkunft festzustellen.
NEIN Nr. 3: PISA vergleicht international Systeme, die nicht vergleichbar sind. Die internationalen Vergleiche hinken schon deshalb, weil nicht alle Länder bereit sind, ihre schwachen Schulen einzubeziehen. Vor allem aber hinken die Vergleiche, weil die Anteile der Schüler mit Migrationshintergrund in den an PISA beteiligten Ländern extrem unterschiedlich sind. In Finnland etwa haben weniger als fünf Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund. In Deutschland ist es das bis zu Zehnfache. Ein weiterer typisch deutscher Faktor dürften die seit der Flüchtlingskrise gestiegenen sozialen Verwerfungen innerhalb des Bildungssystems sein. So ist der Anteil von Schülern mit Migrationserfahrung seit der letzten PISA-Erhebung deutlich gestiegen.
Wir wissen auch ohne OECD, woran das deutsche Schulwesen krankt.
Fazit: Viel heisse Luft! Man könnte sich die Millionen Euro bzw. Dollar für PISA sparen. Wir wissen auch ohne OECD, woran das deutsche Schulwesen krankt: erstens am innerdeutschen Leistungsgefälle, das bei Fünfzehnjährigen bis zu zwei Jahre ausmacht, und zweitens an einer populistischen Bildungspolitik, die Schülern und Eltern mit immer besseren Noten vorgaukelt, wie toll sie bzw. ihre Kinder doch seien. Hier ist endlich Ehrlichkeit angesagt. Dafür brauchen wir keine PISA-Testeritis.