5. Dezember 2025
Eliteinternate

Die Schulprobleme der Superreichen

In der Schweiz gibt es viele der teuersten Privatschulen der Welt. Eine Soziologin konnte an einem dieser sehr exklusiven Internate teilnehmende Beobachtungen machen. Der Beitrag ist zuerst im österreichischen DER STANDARD erschienen.

 

Eltern mit Kindern im schulpflichtigen Alter wollen im Normalfall die beste Bildung für ihren Nachwuchs. Die Mittel und Möglichkeiten, eine möglichst gute Schule zu wählen, sind für Ottilie und Otto Normalverbraucher aber meist begrenzt. Und es hängt oft vom Zufall ab, wie gut die gut erreichbaren Bildungseinrichtungen sind. Für die besonders Reichen dieser Welt sieht die Sache anders aus: Für sie kommen nur die teuersten und besten Privatschulen infrage.

Klaus Taschwer, Wissenschaftsredakteur bei DER STANDARD

Ob diese dann auch in der Nähe des Wohnorts sind, spielt eher keine Rolle. Entsprechend gibt es eine besondere Häufung solcher exklusiven Internate für die globale Elite in der Schweiz. Das britische Millionärsmagazin Spear’s listet in seinem jüngsten Privatschulranking der Top 100 nicht weniger als zehn Schweizer Privatschulen auf. Ein einziges der Top-100-Internate auf dieser Spear’s-Liste ist übrigens in Österreich angesiedelt: die auf musische Ausbildung spezialisierte Amadeus International School Vienna im 18. Gemeindebezirk.

100’000 Euro und mehr

Kostet hier ein Schuljahr für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren gut 50’000 Euro, so ist in den meisten der Schweizer Schulen eher das Doppelte zu berappen. Rund das Dreifache, also etwa 150’000 Euro, kostet ein Schuljahr am Institut Le Rosey am Genfersee. Dieses “Internat der Könige” war kürzlich Gegenstand einer Dokumentation des deutschen Youtube-Kanals Y-Kollektiv, die es im August dieses Jahres auf über drei Millionen Aufrufe brachte. (VIDEO: https://youtu.be/oyW05mRsavE)

Dieses Interesse liegt wohl nicht zuletzt auch daran, dass die Schule von etlichen Königen und Fürsten (von Spanien, Monaco und Bhutan) und auch den Sprösslingen von Filmstars, wie jenen Elizabeth Taylors, besucht wurde und wird. Waren die Recherchen, die das Y-Kollektiv an der Schule machen konnte, zeitlich beschränkt, so hat die aus den USA stammende Soziologin Karen Lillie ein rund 100 Kilometer entferntes Nobelinternat für die globale Elite über einen längeren Zeitraum erforschen können.

Dieser Nachwuchs bleibt schon aufgrund der Schulgebühren unter seinesgleichen.

 

Die Ergebnisse dieser Recherchen an der Leysin American School (LAS) im gleichnamigen Luftkurort in der französischen Schweiz wurden auch die Grundlage für Lillies Dissertation. Und zuletzt erschienen auch einige Publikationen in Fachzeitschriften wie im British Journal of Sociology. Darin gibt Lillie, die am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung tätig ist, mit ihrer Kollegin Claire Maxwell erstmals soziologische Einblicke in ein solches Internat für den Nachwuchs der globalen Elite.

Spektakuläre Unterkunft

Dieser Nachwuchs bleibt schon aufgrund der Schulgebühren unter seinesgleichen: Die jährlichen Basiskosten betragen an der LAS pro Jahr umgerechnet rund 130’000 Euro für Unterricht, Kost und Logis. Für das Geld wird unterkunftsmäßig schon einmal Spektakuläres geboten: In der Oberstufe sind die Teenager in Leysins ehemaligem Grand Hotel untergebracht.

Im ehemaligen Grand Hotel von Leysin befindet sich heute der Belle-Époque-Campus der Schule. (Bild: Leysin American School)

Dort logierten unter anderem auch Zar Nikolaus II. und Mahatma Gandhi, als sie sich in dem Luftkurort auf über 1200 Meter Seehöhe erholten. Für eine Verfilmung von Thomas Manns Zauberberg diente das ehemalige Hotel als Filmkulisse. Heute bilden das Gebäude und seine Umgebung den Belle-Époque-Campus der Schule, an der mehr als 300 Schülerinnen und Schüler aus aller Welt auf Englisch unterrichtet werden.

Wenn die Jugendlichen an- und abreisen, tun sie es im Normalfall über den 125 Kilometer entfernten Flughafen Genf – und natürlich nicht mit Linienflugzeugen, sondern im Privatjet, wie Lillie im Gespräch mit dem STANDARD erzählt. Wenn ein Internatszögling aus Brasilien am Freitag Lust habe, eines der freien Wochenenden daheim zu verbringen, dann werde er mit dem Jet nach Hause geflogen. Man fliege jedenfalls nicht “kommerziell”, wie es ein Schüler formulierte.

Der ostentative Luxuskonsum dürfte eine gewisse Leere füllen und in gewisser Weise ein Produkt der Langeweile sein.

 

Karen Lillie, die selbst eine akademische Eliteausbildung mit Studien an der Princeton University und der University of Cambridge genoss, erhielt zunächst durch ein bezahltes Praktikum als Betreuungsperson Zugang zu dem exklusiven Internat. Daraus wurden dann 15 Monate teilnehmende Beobachtung und zahlreiche Interviews mit den angehenden Absolventinnen und Absolventen, von denen bis 2022 die größte Gruppe aus Russland kam.

Luxusmarken und Langeweile

Zwar sind auch an der Leysin American School Uniformen vorgeschrieben, die dem Prinzip nach eher für äußerliche Gleichheit sorgen. Doch bei den Accessoires – egal ob Uhren, Schuhe, Schals oder Rücksäcke – werden sehr sichtbar Luxusmarken getragen, wofür der US-Soziologe Thorstein Veblen schon vor über 100 Jahren den Begriff “conspicuous consumption” – auf Deutsch: Geltungskonsum – prägte. Lillie erzählt en passant davon, dass einer der Zöglinge einmal einen leicht gebrauchten Louis-Vuitton-Rucksack an Flüchtlinge spendete.

Der ostentative Luxuskonsum dürfte eine gewisse Leere füllen und in gewisser Weise ein Produkt der Langeweile sein, wie Lillie aus den Gesprächen mit den Jugendlichen entnahm. Typisch dafür sei die Aussage einer Absolventin: “Ich bemühe mich sehr darum, wenn ich eine Sache wirklich will, wissen Sie? Ich freue mich darauf. Ich brauche sie. Ich würde Berge versetzen, um sie zu bekommen. Aber wenn ich sie tatsächlich habe, ist sie einfach bedeutungslos für mich.”

Um dem Ennui zu entkommen, werden den Schülerinnen und Schülern intensive Erlebnisse geboten – neben Fallschirmspringen auch Bungee-Jumping und natürlich Skifahren und Golf. (Bild: Leysin American School)

Mit anderen Worten: Der Kauf von Luxusgegenständen und besonderen Erlebnissen verschafft kurzfristige Linderung der Langeweile, aber die Leichtigkeit, mit der die Dinge gekauft werden konnten, macht diese jungen Leute nur noch gelangweilter. Während Schülerinnen und Schüler nationaler Eliteschulen in den USA und England meist von der harten Arbeit, Disziplin und Beharrlichkeit erzählten, dominierte für Lillie in der Schweiz ein anderer Eindruck: Die Schülerinnen und Schüler an der LAS schienen Langeweile als kleinsten gemeinsamen Nenner zu haben.

Karrieren nach der Schule

Was aber wurde aus den Absolventinnen und Absolventen nach der Schule, die damit wirbt, die Absolventen zu Weltbürgern zu machen? Schlugen sie tatsächlich solche globalen Karrieren ein, oder kehrten sie wieder in ihre Heimat zurück? Das ergründete Lillie anhand von Interviews mit Absolventinnen und Absolventen vier bis fünf Jahre nach ihrem Abgang von der LAS.

Feier der Absolventinnen und Absolventen der Leysin American School. Was aber kommt danach? (Bild: Leysin American School)

Die gemeinsame Ausbildung mit wohlhabenden Gleichaltrigen aus aller Welt bedeute für viele der Absolventinnen und Absolventen, bessere Gelegenheiten für internationale Geschäftsmöglichkeiten zu haben, sagt die Soziologin. Oder wie ein Absolvent es formulierte: “Das allgemeine Profil der Schüler hier ist das von Familien der Oberschicht, sodass man auf jeden Fall mächtige und wohlhabende Freunde findet. Und das ist ein Vorteil.”

Bindungen zu Heimatländern bleiben wichtig

Dennoch blieben die Freundeskreise dieser superreichen Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z meist durch ihren nationalen Hintergrund oder ihre Sprache bestimmt. Selbst als viele von ihnen eine Karriere im Ausland begannen, blieben die Bindungen zu den Heimatländern wichtig. In nicht wenigen Fällen geriet ihre privilegierte Situation, die sie im Eliteinternat hatten, durch das Studium an einer Universität – meist in den USA oder Großbritannien – ins Wanken, wozu geopolitische Verwerfungen, aber auch Rassismus beitrugen.

Mit diesem sei etwa ein aus China stammender LAS-Absolvent bei seinem Studium in den USA konfrontiert gewesen, berichtet Lillie. Das habe dazu geführt, seinen Umzug in die Vereinigten Staaten noch einmal zu überdenken. Und für einen wohlhabenden ukrainischen Studenten haben die geopolitischen Ereignisse dazu geführt, dass er an “wichtigere Dinge denken musste als nur an das, was ich will”.

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