Was haben die Grossrätinnen Pauline Pauli (FDP) und Oriana Pardini (SP) gemeinsam? Sie setzen sich für das Frühfranzösisch ein und sorgen sich um den nationalen Zusammenhalt.
Von Frau Pardini konnte ich kürzlich den Satz lesen: «Wer das Frühfranzösisch streicht, sägt am Fundament der Schweizer Einheit.» (BT. 22.09.25) Und Frau Pauli meinte in ihrer Kolumne: «Mehr denn je muss der Kanton Bern seine Rolle als zweisprachiger Kanton wahrnehmen und mit gutem Beispiel vorangehen, um den nationalen Zusammenhalt zu sichern. (BT. 29.9.25)

Natürlich verfüge ich nicht über die beeindruckenden staatsrechtlichen Kenntnisse dieser beiden Damen. Aber als Französischlehrer mit über 40-jähriger Praxis kann ich etwas über Pädagogik und die Wirksamkeit des Sprachunterrichts beisteuern.
Wer Kindern bereits mit acht oder neun Jahren eine Fremdsprache zumutet, ignoriert die kognitive Entwicklung: Zu diesem Zeitpunkt fehlen ihnen die Fähigkeiten, abstrakte Grammatikregeln zu verstehen oder Lernstrategien gezielt anzuwenden. Die Entwicklungspsychologie zeigt, dass Kinder erst ab etwa 11 Jahren Sprachen bewusst, systematisch und strategisch lernen können, weil sie dann abstrakte sprachliche Konzepte erfassen. Dies war bereits 2007 bekannt. Die Sprachforscherin Simone Pfenninger hatte vor Einführung des Frühfranzösisch in einer Langzeitstudie nachweisen können, dass Frühstarter gegenüber den späteren Jahrgängen am Schluss keinerlei Vorteile bei den Sprachkenntnissen hätten. Sie wurde von den Bildungspolitikern als unwissenschaftlich diffamiert und kaltgestellt. Die Tagesanzeiger-Journalistin Anja Burri berichtete vor kurzem über diesen handfesten Skandal.
Das Ignorieren entwicklungspsychologischer Tatsachen und didaktischer Prinzipien sind die wesentlichen Gründe für das Scheitern des Frühfranzösisch ab der 3. Klasse. Vor allem aber ging man von völlig falschen Prämissen aus. Man fabulierte ein Sprachbad herbei, das aber mit 3 Wochenlektionen gar nicht möglich war. Die Gesamtzahl der Lektionen wurde gar nicht verändert. Man verpflanzte die Lektionen von der Mittelstufe einfach in die Unterstufe, wo sie aus obgenannten Gründen komplett unsinnig waren.
Die Resultate sind nicht nur schlecht, wie selbst Frau Pauli zugibt, sie sind desaströs.
Dazu kam, dass man in den Passepartout-Kantonen, in denen Französisch als erste Fremdsprache unterrichtet wird, ein vollkommen untaugliches Lehrmittel verwendete.
Die Resultate sind nicht nur schlecht, wie selbst Frau Pauli zugibt, sie sind desaströs. Nur die Hälfte der Schülerinnen und Schüler erreicht nach 9 Schuljahren die Grundkompetenzen. Einfach, damit es wirklich alle verstehen, die Grundkompetenzen sind Minimalziele, darunter geht nichts mehr. Und für unsere französischsprachigen Freunde sei festgehalten: Bei euch sind die Resultate im Frühdeutsch genau gleich schlecht.
Es geht also nicht darum, das Französisch abzuschaffen, wie es Frau Pardini insinuiert. Es geht darum, es zu stärken. Mit der Verschiebung des Französischunterrichts auf die 5. Klasse, dafür mit mehr Lektionen wird der Unterricht dorthin verlegt, wo er viel wirksamer ist.

Mit dem sturen Festhalten gegen jegliche pädagogische Vernunft erweisen die Befürworter des Französischunterrichts ihrer so leidenschaftlich verteidigten Sprache einen Bärendienst. Sie sind für das Debakel und den Bedeutungsverlust der französischen Sprache mitverantwortlich. So finden wir immer weniger Lehrpersonen, die Französisch an der PH studieren wollen. Vor allem aber gefährden sie das Primat des Französischunterrichts vor dem Englisch, das der Schreiber hier ebenso leidenschaftlich verteidigt.
Wer das Französisch als Schulfach und auch als kulturellen Bestandteil retten will, der muss den Irrtum, der vor 12 Jahren begangen wurde, korrigieren und nicht zementieren.
Die Krux ist, dass die Politiker, die PH-Dozenten, Bildungsverbände oder die Journalisten, die sich damals für das Frühfranzösisch aussprachen, zugeben müssten, dass man einen Fehler gemacht habe. Man steckt in der Concorde-Falle. Sie erinnern sich, das ist das berühmte Überschallflugzeug, von dem man bereits vor dem Jungfernflug wusste, dass es niemals rentieren würde.
Beim Projekt «Frühfranzösisch» ist es ähnlich. Es wurden Millionen Franken ausgegeben, es wurden zahlreiche Lehrerinnen mit einer ungenügenden Ausbildung in einen wirkungslosen Französischunterricht geschickt. Sogar die nationale Harmonisierung der Lehrpläne wurde geopfert. Und das soll jetzt alles umsonst gewesen sein?
«Der Kaiser ist nackt» und mangels Argumente versucht man es jetzt mit dem nationalen Zusammenhalt! Aber für den nationalen Zusammenhalt ist nicht wichtig, wann die Schüler mit dem Französisch beginnen, sondern wie gut sie es am Ende der Schulzeit können.


Die globale Lösung: In allen Nationen als erste Fremdsprache Englisch. Den Ansatz habe ich mit Menschen aus verschiedensten Nationen diskutiert und in vielen Ländern wird er schon lange praktiziert. Zweite Fremdsprache freiwillig. Im Fall Schweiz: Französisch/Italienisch.
Nach 40 Jahren Sekundar- und Französisch-Lehrer ist die Bilanz erbärmlich. Kaum jemand brauchte die Sprache weder im Berufs noch Privat-Leben. Dito spricht kaum jemand aus der Welsch-Schweiz Deutsch!! Die Digitale Welt ist zunehmend durchtränkt von Anglizismen. Eine mutiger Schritt ist gefragt, statt nationales Geplänkel unter dem Vorwand des Zusammenhalts.