2. April 2025
Schulleitungen auf Abwegen

Haarsträubende Verwarnungen an Baselbieter Schulen

An diversen Schulen zeichnet sich eine höchst bedenkliche Entwicklung in der Personalführung ab: Lehrerinnen- und Lehrerverband Baselland (LVB) und Starke Schule beider Basel (SSbB) stellen insgesamt einen deutlichen Anstieg der Anzahl haarsträubender Verwarnungsandrohungen fest. Auch Fälle von tatsächlich ausgesprochenen Verwarnungen sowie Freistellungen sind bekannt geworden. Betroffen sind insbesondere langjährig erfahrene und verdiente Lehrpersonen, die von ihren Schulleitungen unter Druck gesetzt werden. Ein Bericht von Gastautor Jürg Wiedemann, Vorstand Starke Schule beider Basel.

 

Zahlreiche der SSbB bekannte Verwarnungsandrohungen sind offensichtlich willkürlich und entbehren jeder Rechtsgrundlage. Sie haben ein Ausmass erreicht, das aus personalrechtlicher Sicht besorgniserregend ist, ganz abgesehen von der ethischen Verwerflichkeit solcher machtmissbräuchlicher Druckmassnahmen. An der kommenden Landratssitzung reicht Landrätin Anita Biedert eine Interpellation ein, welche Aufschlüsse über das Ausmass fordert.

Gastautor Jürg Wiedemann

Per 1. August 2024 wurde eine bisherige Schlüsselfunktion der bisherigen Schulräte – die Personalführung – ausschliesslich auf die Schulleitungen übertragen. Die politisch breit abgestützten Schulräte hatten zuvor als übergeordnete Kontroll- und Aufsichtsgremien gewirkt und in vielen Fällen als wichtiges Korrektiv gegen einseitige oder problematische Entscheidungen der Schulleiter/-innen fungiert. Seither liegt es im alleinigen Ermessen der Schulleiter/-innen, nach Belieben personalrechtliche Entscheide zu fällen, wie beispielsweise Kündigungen auszusprechen oder dienstrechtliche Massnahmen zu verhängen, wozu Abmahnungen oder Verwarnungen von Lehrpersonen gehören.

Deutlicher Anstieg besorgter Anfragen

Der LVB und die SSbB verzeichnen seit diesem Schuljahr einen insgesamt deutlichen Anstieg von Anfragen seitens der Lehrpersonen im Kanton. Zahlreiche Pädagoginnen und Pädagogen wenden sich an den LVB oder die SSbB, weil sie unter dem enormen Druck angedrohter oder bereits ausgesprochener Verwarnungen leiden und verzweifelt sind, geht es für sie doch um nicht weniger als ihre berufliche Existenz und ihr Auskommen. In nahezu allen Fällen steht dieses ultimative und schärfste Disziplinierungsinstrument, das nicht selten mit der angedrohten Kündigung einhergeht, im Zusammenhang mit persönlichen Konflikten und wird von gewissen Schulleitungen gezielt als Druckmittel eingesetzt. Verwarnungen als Repressalien oder Druckmittel zu nutzen ist zwar widerrechtlich, weil es gegen Treu und Glauben verstösst, aber die betroffenen Lehrpersonen können rechtlich nichts dagegen ausrichten.

In nahezu allen Fällen steht dieses ultimative und schärfste Disziplinierungsinstrument, das nicht selten mit der angedrohten Kündigung einhergeht, im Zusammenhang mit persönlichen Konflikten und wird von gewissen Schulleitungen gezielt als Druckmittel eingesetzt.

 

Die Konsequenzen solcher missbräuchlich ausgesprochener Verwarnungen sind für die Lehrpersonen verheerend: Viele ziehen sich resigniert zurück und melden sich für Monate krank, da sie dem psychischen Druck nicht standhalten können. Die Kosten für den Kanton sind erheblich. Im früheren Artikel “Systemfehler im Baselbieter Personalgesetz” hat die SSbB die juristisch nicht anfechtbaren Verwarnungen bereits als einen katastrophalen Systemfehler angeprangert, der das Arbeitsklima und das Vertrauen in die Schulleitungen nachhaltig beschädigt.

Klima der Verunsicherung und der Angst

Einige Schulleitungen setzen die Lehrkräfte bereits durch die blosse Androhung von Verwarnungen, sei es offen oder unterschwellig, enorm unter Druck, was ein Klima der Angst erzeugt. Der blosse Umstand, dass Lehrpersonen eine willkürliche und unangemessene Verwarnung bekommen und sie sich nicht dagegen wehren können, wirkt extrem einschüchternd. Infolgedessen können viele Lehrpersonen ihre volle Leistung nicht mehr abrufen. Überdies mischen sich gewisse Schulleitungen auch in die fachspezifische Methodik und Didaktik ein, oft ohne das nötige Fachwissen, was langjährige und erfahrene Pädagoginnen und Pädagogen demotiviert und in ihrer beruflichen Entfaltung hemmt. Diese unterschwelligen Drohgebärden wirken sich nachhaltig negativ auf die Unterrichtsqualität aus, da Lehrpersonen sich aus Selbstschutz zurückziehen und spuren, um bloss nicht Anlass für eine Verwarnung zu geben.

Unzureichende Qualifikation und charakterliche Mängel

Leider verfügen nicht alle Schulleitungen über die notwendigen charakterlichen Eigenschaften und die personalrechtlichen Kenntnisse, um mit der neuen Machtfülle umsichtig und sorgsam umzugehen. Einige vermögen den hohen ethischen Anforderungen an ihre verantwortungsvolle Führungsfunktion nicht zu genügen. Neben fähigen und souveränen Leitungen gibt es auch solche, die durch offenkundige Charakterdefizite und Machtbesessenheit auffallen. Philipp Loretz, Präsident des LVB, bringt es auf Anfrage der SSbB auf den Punkt:

“Es zeigt sich, dass Schulleitungen hinsichtlich Personalrecht sehr unterschiedlich qualifiziert sind. Wo es an fundierten Kenntnissen fehlt, steigt das Risiko ungerechtfertigter Verwarnungen.”

Philipp Loretz, Präsident des LVB

Dezidierte Forderungen der SSbB

Die SSbB erachtet nicht anfechtbare Verwarnungen als einen fatalen Systemfehler im Baselbieter Personalgesetz, der korrigiert werden muss. Der Kanton Basel-Landschaft nimmt für sich in Anspruch, ein fairer Arbeitgeber zu sein, der seine soziale Verantwortung wahrnimmt. Dazu gehören deshalb auch ein Personalgesetz und eine Personalrechtspraxis, welche diesen Anforderungen gerecht werden.

Verwarnungen müssen juristisch anfechtbar sein, damit möglicher Missbrauch verhindert werden kann. Zugleich sind verpflichtende Weiterbildungen für Schulleiter/-innen in personalrechtlichen Fragen unerlässlich, um deren Handlungsfähigkeit und ethisches Verantwortungsbewusstsein zu stärken. Nur durch konsequente Anpassungen und gezielte Qualifizierungsmassnahmen kann langfristig ein faires, transparentes und vertrauenswürdiges Schulklima geschaffen werden.

image_pdfAls PDF herunterladen

Verwandte Artikel

Schau mich an – und sprich mit mir

Zwei Studien der Kaufmännische Krankenkasse (KKH) von 2020 und 2022 über Zeiträume von jeweils zehn Jahren belegen die zunehmenden Sprachdefizite und Sprechstörungen von Kindern und Jugendlichen. Diese Schwächen verhindern die persönliche Entwicklung und erschweren Bildungsprozesse, weil das Sprechen unsere primäre Form der Kommunikation und Grundlage der Teilhabe an der Gemeinschaft ist. Ein Beitrag von Condorcet-Autor Ralf Lankau.

4 Kommentare

  1. Ein sogenannter Rechtsstaat, der es administrativ auserkorenen Scheinmächtigen erlaubt, ihre Animositäten unwidersprochen auszuleben auf Kosten der ihnen Untergebenen, ohne dass sich diese mit Rechtsmtteln, die ihnen eigentlich zustehen sollten, wehren können, ist kein Rechtsstaat. Punkt.

  2. “Verwarnungen als Repressalien oder Druckmittel zu nutzen ist zwar widerrechtlich, weil es gegen Treu und Glauben verstösst, aber die betroffenen Lehrpersonen können rechtlich nichts dagegen ausrichten.” Dies ist kein Zitat, das die Zustände in einem autoritären Staat wiedergibt, dies ist eine Aussage von Jürg Wiedemann (Vorstand Starke Schule beider Basel) zu Zuständen im Kanton Basel Land. Da in diesem Kanton wie in der ganzen Schweiz Gesetze gelten, muss man diese zu Rate ziehen. Als juristischer Laie habe ich dies nach dem Lesen des obigen Berichtes auch gemacht.

    1. Da Lehrpersonen auch Menschen sind, gelten für diese auch die gleichen Rechte, die in der Kantonsverfassung Basel Land aufgeführt sind: § 7 Rechtsgleichheit und Diskriminierungsverbot; § 9 Rechtsschutz und dort vor allem “Die Parteien haben in allen Fällen Anspruch auf rechtliches Gehör, auf eine faire Behandlung und auf einen begründeten, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheid innert angemessener Frist.”
    2. Es kann nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler das rechtliche Gehör und die Beschwerdemöglichkeit erhalten und Lehrpersonen nicht. (Siehe : ” Bildungsgesetz” § 91 und 91a, sowie “Verordnung für den Kindergarten und die Primarschule” § 72c)
    3. Und letztlich ist auch das “Gesetz über die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons” für Lehrpersonen massgebend. So § 70: “Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind vor Erlass einer sie belastenden Verfügung anzuhören.” und § 71 “Beschwerde gegen Verfügungen der Anstellungsbehörde”.

    Es braucht Mut sich gegen vorgesetzte Behörden zu wehren – aber Mut braucht es ja auch im täglichen Unterricht! Es ist mühsam, sich zu wehren, und es kann lange dauern und durch verschiedene Instanzen gehen, bis man Rechtt erhält. Es ist zeitaufwändig und man muss sich in ein berufsfremdes Gebiet einarbeiten, ausser man delegiert dies an eine jursitische Fachperson.

    Aber schon 1784 Kant schrieb: “Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!” und dies sollte heute noch mehr gelten. Dass man nicht gekündet wird, wenn man sich auf die Gesetze stützt und für sein Recht kämpft, habe ich mehrmals erfolgreich erfahren und durfte 40 Jahre lang im Kanton Zürich (ohne Repressionen) unterrichten. Ich hoffe, auch im Kanton Basel Land finden sich Mutige, die allenfalls bis vor das Bundesgericht rekurrieren!

    1. Grundsätzlich richtig. Doch eine Anhörung ist noch kein Rechtsmittel, das eingesetzt werden kann, um ggf. Recht zu erhalten. Eine Anhörung ist ein verpflichtender Vorgang im Ablauf eines Disziplinarverfahrens. Die Entscheidung der verfügenden Instanz kann dabei bereits (insgeheim) feststehen. Das habe ich selbst so erlebt. Zudem wäre es m. E. rechtsstaatlich nicht opportun, wenn die verfügende Instanz (Schulleitung) auch die Anhörung abschliessenderweise durchführen würde. Eine übergeordnete Kontrollinstanz ist ein Muss. Ggf. wäre dies dann eben das Kantonsgericht, das dann aber zwingend anrufbar sein müsste. Will heissen: Der Weg des Einspruchs und der Weiterzug des Verfahrens vor Gericht müsste juristisch möglich sein. Das ist derzeit nicht gegeben und da liegt m. E. die rechtsstaatliche Krux.

  3. “Verwarnungen als Repressalien oder Druckmittel zu nutzen ist zwar widerrechtlich, weil es gegen Treu und Glauben verstösst, aber die betroffenen Lehrpersonen können rechtlich nichts dagegen ausrichten.”

    Wie ist denn die Rechtslage nun genau?

    Und: Gibt es in der Schweiz nicht so etwas wie “pädagogische Freiheit”?
    In Deutschland – zumindest auf dem Papier – schon:
    https://deutsches-schulportal.de/stimmen/paedagogische-freiheit-ist-das-wichtig-oder-kann-das-weg/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert