Während der bernischen Grossratsdebatte im vergangenen März argumentierte die Bildungsdirektorin Christine Häsler, dass die schlechten Ergebnisse des Frühfranzösisch nicht am Konzept selber lagen, sondern vielmehr am schlechten Lehrmittel Mille Feuilles. Dieses sei aber nun überarbeitet worden.

Pikant war diese Aussage, weil seinerzeit das Lehrmittel im Parlament und von den Vertretern der “Bildungslobby” (BiBe, PH, BKD) in höchsten Tönen gelobt und deren Kritiker als “altmodisch” und “nicht mehr auf der Höhe der Zeit” diskreditiert worden waren.
Nun also habe ich unverhoffterweise die Gelegenheit, an einer 3. Klasse mit der Neuauflage von Mille Feuilles zu arbeiten.
Es gibt wenig Erfreuliches zu berichten: Abgesehen davon, dass die Autoren ihrem Prinzip des Konstruktivismus und der Ausweitung der Bildungsmappen treu blieben, erweisen sich die Elemente, welche überarbeitet worden sind, als fatale pädagogische Sackgassen.
Viel leeres Stroh
Das Buch mit seinen vielen Zusatzbüchern und einer enorm grosszügigen graphischen (um nicht zu sagen “verschwenderischen”) Gestaltung bleibt komplett unübersichtlich. Allein das Studium der Hinweise und der digitalen Übungsplattformen raubte mir einen ganzen Morgen. Erkenntnis: “Much about nothing” oder viel leeres Stroh.
Man blieb dem Prinzip, dass die Knirpse sich selbst Regeln erarbeiten und diese dann reflektieren sollen, treu. Dutzende Seiten können hier übersprungen werden. Wohl der multilingualen Haltung entsprechend, werden Schulwege aus verschiedensten Regionen beschrieben, Länder, Ortschaften und Landschaften genannt, die sich schon in ihrer Aussprache als wahre Zungenbrecher erweisen und kaum einen Lerneffekt haben.
Der Irrwitz war, dass man das Gefühl hatte, mit drei Wochenlektionen und ungenügend ausgebildeten Primarlehrkräften dieses Sprachbad arrangieren zu können.
Warum haben die “Erfinder” des Frühfranzösisch immer von einem Sprachbad gesprochen? Sie waren durchaus keine pädagogischen Banausen. Es war ihnen klar, dass Kinder in diesem Alter nicht nach einem pädagogischen Fremdsprachenkonzept lernen. Ihnen fehlen schlicht die kognitiven Fähigkeiten dazu und sie haben überdies genug mit dem Erlernen der deutschen Sprache zu tun. Der Irrwitz war, dass man das Gefühl hatte, mit drei Wochenlektionen und ungenügend ausgebildeten Primarlehrkräften dieses Sprachbad arrangieren zu können.
Mehrheitlich falsch geschrieben
Das neu überarbeitete Mille Feuilles versuchte nun – vermutlich wider besseres Wissen – den Kritikern des Lehrmittels entgegenzukommen. Das könnte nach dem Motto erfolgt sein: “Diese konservativen Kritiker wollen Wörtlitests machen, also liefern wir ihnen etwas dazu.” Und so gab es ein Fichier, eine Vocabulaire-Box, in denen die Kinder die zu lernenden Wörtli aufschreiben konnten. Abgesehen davon, dass ich, als ich die Klasse Mitte Oktober übernahm, feststellen musste, dass die zu lernenden französischen Vokabeln mehrheitlich falsch geschrieben waren, realisierte ich, dass die 3. Klässler diese auf Französisch gar nicht lesen konnten. So wurde beispielsweise das Wort “soeur” genau so gelesen s-o-e-u-r.
Das Ganze ist ein “Faire semblant”, eine riesige Verschleuderung von Ressourcen.
In meiner Klasse sprechen 80% zu Hause gar kein Deutsch. Sie müssen also die deutsche Sprache lernen und die deutschen Wörter lesen können. Auch die französischsprachigen Kinder, von denen ich in der Klasse acht Mädchen und Knaben habe, können einen französischen Text nicht lesen. Es bleibt mir also gar nichts Anderes übrig, als ständig zu wiederholen, vorzulesen, die Klasse nachsprechen zu lassen und irgendwie die Zeit hinter sich zu bringen. Wir singen Lieder, üben Dialoge und schauen uns Kurzfilme auf Französisch an. Und so kommen wir irgendwie gar nicht weiter… Die Kinder merken das. Viele von ihnen beginnen, die Lust am Französisch zu verlieren.
Das Ganze ist ein “Faire semblant”, eine riesige Verschleuderung von Ressourcen. Die drei Lektionen liessen sich ersatzlos streichen. Dadurch hätte der Zyklus 2 wieder mehr Luft zum Atmen und sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Und dies würde auch eine kleine Entlastung auf dem Arbeitsmarkt bringen, da die Lehrkräfte in den anderen Lektionen eingesetzt werden könnten.
Ein Jammer! Die elitäre Ideologie der Mehrsprachigkeitsdidaktik wird von den PHs trotz aller krachenden Misserfolge stur sektiererisch weiter verfolgt. Die Lehrmittelbehörden fallen auf deren Geschwätz herein und fungieren als Komplizen. Wertvolles didaktisch-methodisches Wissen ist inzwischen verloren. Wenn auch das Gegenteil die Absicht ist, es wird alles getan, um den Kindern und Jugendlichen das Französische gründlich zu verleiden. Lehrpersonen, denen das Fach am Herzen liegt und die über die nötige Kompetenz verfügen, müssen sehr viel Mühe und Kraft aufwenden, um den Unterricht vorwiegend mit eigenen Materialien zu gestalten.