30. Dezember 2024
Lehrerbildung in der Nordwestschweiz

Studierende erteilen der PH FHNW eine knallende Ohrfeige

Seit vielen Jahren glänzt die Pädagogische Hochschule der Nordwestschweiz (PH FHNW) durch miserable Umfrageergebnisse. Die alljährlichen Beteuerungen der Hochschulleitung, nachhaltige Verbesserungen rasch umzusetzen, blieben stets leere Versprechungen. Auch die jüngsten Resultate einer breit angelegten Umfrage, die im Juli 2024 von einer Gruppe von Studierenden lanciert wurde, sind vernichtend.

Ineffiziente Abläufe, praxisferne Lerninhalte, chaotisches Einschreibeverfahren, katastrophale Zustände, wenig studierendenfreundlich, nicht ausreichend auf den Lehrberuf vorbereitend, so die deutlichen Worte der Studierenden in der soeben durchgeführten Umfrage zu den Themen “Einschreibeverfahren”, “Lerninhalte”, “Organisatorische Abläufe”, “Allgemeine Zufriedenheit”. Den Studierenden wurden verschiedene Aussagen unterbreitet, welche auf Richtigkeit beurteilt werden mussten.

Gastautor Jürg Wiedemann

823 Studierende nahmen an der Umfrage teil. Aufgrund dieser hohen Anzahl dürfen die Resultate als sehr aussagekräftig bezeichnet werden.

Deutliche Mehrheit erachtet die PH FHNW als schlechte Hochschule

Die Aussage “Ich kann die PH FHNW als gute Hochschule weiterempfehlen” bewerten 58.3% (roter und oranger Balken) als unzutreffend. Lediglich 13.7% (hellgrüner und grüner Balken) befürworten die Aussage, 27.9% (grauer Balken) nehmen dazu eine neutrale Haltung ein.

Die Studierenden hatten die Möglichkeit, verschiedene Massnahmen anzukreuzen, mit welchen die heute unbefriedigende Ausbildung der PH FHNW verbessert werden soll: Folgende Verbesserungsvorschläge wurden von jeweils mehr als 400 Studierenden angegeben:

  • Mehr praxisbezogene Inhalte
  • Mehr Flexibilität bei der Kurswahl (z.B. Online-Optionen)
  • Erhöhung der Kurskapazitäten
  • Technische Stabilität des Einschreibeportal
  • Besserer Support und Kommunikation seitens der Pädagogischen Hochschule

Deutliche Kritik an den Lerninhalten

Um an unseren Schulen (Primarstufe und Sekundarstufe I + II) eine hohe Bildungsqualität zu erreichen, sind neben einer guten Infrastruktur, sinnvollen Stundentafeln und Lehrplänen insbesondere motivierte und qualifiziert ausgebildete Lehrpersonen massgebend. Um letzteres zu erreichen, sind die Pädagogischen Hochschulen besonders gefordert, den angehenden Lehrpersonen relevante und praxisnahe Lerninhalte zu vermitteln. Genau in diesem entscheidenden Punkt versagt die PH FHNW deutlich. Die Unzufriedenheit der Studierenden ist beachtlich:

53.2% (roter und oranger Balken) erachten die Lerninhalte als nicht relevant und nicht praxisnah. Nur 14.7% stufen diese als relevant und praxisnah ein, während 32.2% dazu eine neutrale Haltung einnehmen.

Eine deutliche Mehrheit fühlt sich durch die Ausbildung an der PH FHNW ungenügend auf den Lehrerberuf vorbereitet.

Intransparentes und chaotisches Anmeldeverfahren fällt auf ganzer Linie durch

Möchten Studierende eine Vorlesung oder ein Seminar besuchen, müssen sie sich einschreiben. Die Angemeldeten werden anschliessend gemäss verschiedener Kriterien sortiert, wobei häufig nur ein Bruchteil der Studierenden den gewünschten Kurs besuchen kann. Eines der Kriterien, welches die Reihenfolge stark beeinflusst, sind die sogenannten “Gewichtspunkte”: Jede Studentin und jeder Student hat pro Semester 20 Gewichtspunkte zur Verfügung, die auf die verschiedenen Kurse verteilt werden können. Je mehr Punkte auf einen Kurs gesetzt werden, desto grösser ist die Chance, diesen Kurs auch absolvieren zu können.

Der Kritikpunkt der Studierenden ist nun, dass teilweise bis zu 10 Gewichtspunkte auf einen Kurs gesetzt werden müssen, um in der Rangordnung genügend weit oben gelistet zu werden, damit der Kurs sicher besucht werden kann. Die Krux der Sache: Bei einem Vollzeitstudium müssen bis zu 14 Kurse pro Semester belegt werden.

Das komplizierte und wenig transparente Einschreibeverfahren sowie ein Systemabsturz während dem Anmeldezeitfenster führte dazu, dass sich zahlreiche Studierende nur für wenige Vorlesungen und Seminare anmelden konnten und deswegen eine Verlängerung des Studiums und damit deutlich höheren Ausbildungskosten befürchten müssen. Verständlich, dass dieses Anmeldeverfahren bei den Studierenden auf ganzer Linie durchfällt:

70.8% der Umfrageteilnehmenden bewerten das aktuelle Einschreibeverfahren als “sehr schlecht” oder “eher schlecht”. Nur 8.7% beurteilen das Anmeldeprozedere mit “eher gut” oder “sehr gut”. Rund ein Fünftel der Studierenden liegen mit ihrer Position in der Mitte.

Von vielen Studierenden wird das Einschreibeverfahren “als problematisch” bewertet. Insbesondere “technische Probleme” während der Belegungsphase kritisieren zahlreiche Studierende ebenso, wie der “Platzmangel und den damit verbundenen Sorgen einer Studienverlängerung, “wie die Organisatorinnen und Organisatoren der Umfragen schreiben.

61% der Studierenden befürchten aufgrund von Platzmangel oder technischen Problemen eine Verlängerung des Studiums. 39% glauben, das Studium im vorgesehenen Zeitrahmen abschliessen zu können.

Ineffiziente organisatorische Abläufe und unzureichende Unterstützung

Ein wesentlicher, jährlich wiederkehrender Kritikpunkt sind die organisatorischen Abläufe. Diese werden als “ineffizient und wenig studierendenfreundlich” empfunden. Ein “grosser Teil der Studierenden fühlt sich nicht rechtzeitig und umfassend informiert”, wie die Organisatorinnen und Organisatoren der Umfrageauswertung schreiben.

Der Frage, ob die organisatorischen Abläufe “effizient und studierendenfreundlich” sind, widersprechen überdeutliche 74.5%. Nur 6.2% beurteilen die organisatorischen Abläufe positiv. 19.1% legen sich nicht fest.

Für die PH FHNW ebenfalls wenig schmeichelhaft sind die Ergebnisse betreffend der Frage, ob die Hochschule die nötige Unterstützung bietet, um das Studium erfolgreich absolvieren zu können: Für 55.2% der Studierenden bietet die PH FHNW die notwendige Unterstützung nicht an. Nur 15.7% sind mit der Unterstützung zufrieden. 29.2% legten sich nicht fest.

Überforderte Chefetage der PH FHNW – nun muss die Politik reagieren

Seit Jahren ist die PH FHNW der gleichen Kritik ausgesetzt. Zwar beteuert die Direktionsleitung denn auch seit Jahren mantramässig, die Kritikpunkte ernst zu nehmen und nachhaltige Veränderungen anstreben zu wollen. Relevante Verbesserungen stellen sich jedoch keine ein. Die Chefetage muss sich die Frage einer allfälligen Überforderung gefallen lassen. Die mit vielen Steuermillionen alimentierte Bildungsinstitution PH FHNW muss sich bewusst sein, dass sie ein Dienstleistungsunternehmen für die Studierenden darstellt und keine selbstherrliche, ideologische Schaltzentrale.

Die jüngsten Umfrageergebnisse zeigen indes Wirkung: Erste politische Vorstösse mit der Forderung, das heutige Anmeldeverfahren grundsätzlich in dem Sinne zu ändern, dass Studierende das Anrecht haben, die Kurse ihrer Wahl besuchen zu können, sind bereits in der Vorbereitung. Auch die heutige 80-prozentige Präsenzpflicht in Seminaren muss hinterfragt werden: Sind diese interessant und lehrreich, werden sie auch ohne Präsenzpflicht von den Studierenden rege besucht. Nur langweilige Kurse mit für den Lehrberuf wenig hilfreichen Lerninhalten würden von den Studierenden gemieden.

Eine hohe Ausbildungsqualität erreicht die PH FHNW keinesfalls durch eine strukturelle Gängelung der Studierenden, welchen unnötigerweise Steine in den Weg gelegt werden. Die angehenden Lehrpersonen haben ein Anrecht, eine sehr gute praxisorientierte Ausbildung zu erhalten. Für den Lehrberuf wenig hilfreiche Lerninhalte und Leerläufe gilt es zu streichen. Dadurch kann die Ausbildungszeit ohne relevanten Qualitätsverlust reduziert werden.

 

Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel

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6 Kommentare

  1. «Praxisnähe lässt sich nicht auslagern!
    Seit Jahren fordert der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland, dass die Ausbildung an der PH FHNW praxisnäher in dem Sinne werden müsse, dass insbesondere die Dozierenden in den verschiedenen Fachdidaktiken ihrerseits über mehrjährige, erfolgreiche Unterrichtserfahrung verfügen müssten. Die PH-Direktion in wechselnden Besetzungen hat diese Forderung noch nie gerne gehört und vertritt zu unserer grossen Verwunderung die Ansicht, es lasse sich nicht genau eingrenzen, was als «Praxiserfahrung» deklariert werden könne. Ausserdem wolle man nicht zurück zu einer Art «Meisterlehre», wie dies an den einstigen Seminaren gelebt worden sei.

    Der LVB kann diese Einschätzungen nicht teilen respektive erkennt darin sowohl eine Fehlbeurteilung als auch eine ungerechtfertigte Diskreditierung früherer Ausbildungen. Mit der Behauptung, durch die zeitliche Ausdehnung von Unterrichtspraktika den Grad an Praxisnähe der Ausbildung insgesamt zu erhöhen, macht es sich die PH zu leicht.»

    s. S 28
    https://lvb.ch/2022/wp-content/uploads/2023/01/08_LVB-Mitgliederbefragung-Belastungsfaktoren-im-Lehrberuf_lvb-inform_22-23-02.pdf

    1. Der Kommentar von Philipp Loretz trifft ins Schwarze. Praxisnähe wird nicht in erster Linie durch einen weiteren Ausbau der Unterrichtspraktika erreicht, sondern durch die Einstellung kompetenter Lehrpersonen in der fächerspezifischen Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen. Lehrpersonen, die in einem Fach in ihren Klassen besonders erfolgreich sind und über gute analytische Fähigkeiten verfügen, schaffen eine enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis.

      Absolut zentral ist die Forderung der Studierenden, die an den Hochschulen vermittelten Bildungsinhalte müssten relevant und praxisnah sein. Die Pädagogischen Hochschulen können dieser Forderung nachkommen, indem sie einerseits die wissenschaftliche Weiterbildung der Studierenden an geeigneten Themen durch Fachdozenten fördern und andererseits in der eigentlichen Fachdidaktik kompetente Volksschullehrkräfte einsetzen. Ein solches “Duo” könnte den Anspruch, Wissenschaftlichkeit mit Praxistauglichkeit zu verbinden, weitgehend erfüllen.

      Die meisten Pädagogischen Hochschulen haben den Rückzug engagierter Volksschul-Fachdidaktiker vor rund zwanzig Jahren nur schlecht verdaut. Dieser Aderlass hatte seine Ursache im damals neuen Fachhochschulgesetz, das für alle Dozierenden einen universitären Abschluss verlangte. Viele Volksschullehrer waren nicht bereit, als Familienväter ein mehrjähriges Studium zu absolvieren, um weiter an einer Pädagogischen Hochschule tätig sein zu können. An der PHZH bereute man Jahre später diesen Auszug der erfahrenen Pädagogen und suchte schon fast verzweifelt, neue Fachdidaktiker und Fachdidaktikerinnen aus dem Schuldienst wieder einzustellen.

      Es wäre interessant zu wissen, an welchen Fachhochschulen weiterhin an der Volksschule unterrichtende Lehrpersonen im Bereich der Fachdidaktik im Einsatz sind. Welche Anforderungen bezüglich einer universitären Weiterbildung werden an diese Lehrkräfte gestellt und wie lautet ihr Auftrag im Rahmen der Fachdidaktik? Fragen, welche die Politik brennend interessieren müssten.

  2. Lieber Jürg Wiedemann

    Ein solche, wichtige Umfrage sollte an allen PH’s in der Schweiz durchgeführt werden. Ich erhalte aus meinem Verwandten- und Bekanntenkreis von ehemaligen und aktuellen Studierenden der PH Bern ähnlich schlechte Aussagen, die mir Sorge bereiten. Und von einer Tochter, die ihre Lehrerin-Ausbildung an der PH Zürich absolviert hat, antwortet mir auf die Frage, ob sie diese Ausbildung dort noch einmal machen würde, mit einem Nein.

    Seit den früheren Seminarien hat sich in der Lehrer/innen-Ausbildung an den PH’s leider vieles zum Schlechteren verändert. Hier genau und breit hinzuschauen, wäre wichtig.

  3. Wann hat die PH FHNW je gute Rückmeldungen erhalten? Seit Jahren das immer gleiche Trauerspiel. Dafür umso mehr Nonsense-Forschung in Sachen Bildung – alles teuer finanziert durch Steuergelder. Die Politik schaute jahrelang zu und hofierte sogar dieses Treiben. Dem ist jetzt ein Ende zu setzen. Subito und definitiv!

  4. Hallo zusammen,
    ich habe den Artikel über die PH FHNW gelesen und muss sagen, dass mich die Kritikpunkte, die da aufgeführt wurden, überhaupt nicht überraschen. Als jemand, der selbst im Bildungsbereich arbeitet und auch schon Weiterbildungen gemacht hat, sehe ich ein großes Problem darin, wie weit die Ausbildung von den realen Herausforderungen im Klassenzimmer entfernt ist.
    Ein Punkt, der mir besonders auffällt, ist, dass viele Dozierende an den Pädagogischen Hochschulen kaum aktuelle Praxiserfahrung haben. Klar, Theorie ist wichtig, aber wenn man im Alltag vor einer Klasse steht, merkt man schnell, dass viele der gelehrten Konzepte nicht wirklich praktikabel sind. Es sind oft die kleinen Dinge, die man einfach nur durch echte Erfahrung lernt – wie man mit unerwarteten Reaktionen von Schülern umgeht oder spontan auf die Stimmung in der Klasse reagiert. Diese Skills werden in der Ausbildung kaum thematisiert.

    Ein Beispiel, das ich immer wieder erlebe, sind diese perfekten Modellstunden, die in Kursen präsentiert werden. Die sehen auf dem Papier super aus, aber in der Realität hat man einfach nicht die Zeit, jede Stunde so detailliert vorzubereiten. Da wünsche ich mir ehrlich gesagt lieber konkrete Tipps, die ich direkt umsetzen kann, anstatt theoretische Modelle, die in der Praxis oft scheitern.

    Die Ergebnisse der Umfrage an der PH FHNW sprechen daher eine klare Sprache: Es gibt eine deutliche Lücke zwischen dem, was gelehrt wird, und dem, was man im Schulalltag tatsächlich braucht. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass die Hochschulen mehr auf Dozierende setzen, die selbst regelmäßig unterrichten und somit besser wissen, was im Klassenzimmer wirklich funktioniert.

    Ich hoffe, dass die Kritik an der PH FHNW nicht einfach im Sande verläuft und endlich dazu führt, dass die Ausbildung praxisnäher gestaltet wird. Am Ende profitieren doch alle davon – vor allem die Schüler*innen
    , die dann von gut ausgebildeten und praxisnahen Lehrkräften unterrichtet werden.

  5. Wie Philipp Loretz treffend feststellt, lässt sich Praxisbezug nicht auslagern. Theoretische Überlegungen, die nicht direkt in konkreten Unterricht einfliessen, sind a priori wertlos. Umgekehrt gilt auch: Unterrichtspraxis soll an theoretischen Konzepten überprüft werden. Diese enge Verzahnung sollte hergestellt werden, indem nicht die eine Person für Theorie steht und die andere für Praxis, sondern ein Dozent, eine Dozentin für beides in Personalunion. Nur so lassen sich die Studentinnen und Studenten für die PH gewinnen. Dozenten müssen vormachen können, was sie in ihren Lehrveranstaltungen predigen. Zumindest sollten gemeinsame Unterrichtsbesuche stattfinden, die anschliessend von Studierenden und Dozierenden analysiert werden können. Das ist es, was «Praxisbezug» eigentlich bedeuten würde.

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