18. November 2024
Eklat an der Universität Bern

Wie eine Professorin ein ganzes Institut in den Abgrund riss

Zuerst verherrlichte ein Mitarbeiter den Hamas-Terror. Der Condorcet-Blog berichtete darüber ( https://condorcet.ch/2023/10/wie-hat-es-der-condorcet-blog-mit-der-meinungsfreiheit/). Es folgte eine Interpellation des Condorcet-Autors und Grossrats Alain Pichard sowie der Grossräte Müller und Josi von der SVP, worauf die Unileitung eine externe Untersuchung anordnete. Diese förderte so grosse Missstände zutage, dass die Unileitung diese Woche das gesamte Nahost-Institut auflösen musste. Der Journalist der Sonntagszeitung, Rico Bandle, verfasste ein Protokoll des Absturzes.

Alles begann am 9. Oktober mit einem Artikel in «20 Minuten». «Berner Uni-Dozent verherrlicht Hamas-Terror», titelte die Gratiszeitung. Der Dozent des Nahost-Instituts hatte den Anschlag mit 1200 Toten auf der Plattform X als «bestes Geschenk vor meinem Geburtstag» bejubelt. Für Empörung sorgte auch, dass die Institutsleiterin Serena Tolino ihren Angestellten in einer ersten Stellungnahme verteidigte: Sie sehe in dem Tweet «keine antisemitische Intention». Bald kam heraus: Der Mitarbeiter ist ihr Ehemann.

Am Institut brach Panik aus. Zwei Krisensitzungen wurden hintereinander einberufen. Gemäss mehreren Augenzeugen waren sowohl der fehlbare Mitarbeiter als auch die Institutsleiterin vor Ort. Dabei fiel kein Wort des Bedauerns, es fehlte an jeglicher Einsicht. Stattdessen wurde der Mitarbeiter in Schutz genommen: Die Vorwürfe seien ungerecht und bösartig; man müsse sich gegen diesen «Angriff von rechts» wehren, so der Tenor. Gegenstimmen gab es keine – niemand wagte, den Ehemann der Professorin zu kritisieren.

Kritische Studenten wurden verhört

Die Unileitung sah das anders. Nachdem weitere Tweets auftauchten, die als antisemitisch interpretiert werden können, wurde der Mitarbeiter fristlos entlassen, Tolino vorübergehend freigestellt. Zudem wurde eine externe Untersuchung eingeleitet.

Institutsleiterin Serena Tolino: Keine antisemitische Intention

Am Institut kehrte dadurch keine Ruhe ein. Im Gegenteil. Die zweite Professorin, Nijmi Edres, zitierte kritische Studenten einzeln in einen Sitzungsraum und versuchte in einer Art Verhör herauszufinden, wer die Informationen an die Medien weitergeleitet hatte – obschon die Tweets öffentlich und für alle einsehbar waren. Es musste ein Schuldiger her.

Das Misstrauen und das Klima der Angst verstärkten sich zusehends. Ins Visier geriet vor allem eine kleine Minderheit von kritischen Studenten, die in einem offenen Brief ihre Besorgnis darüber geäussert hatten, dass ein Lehrbeauftragter ihres Instituts «solches Gedankengut» veröffentlicht.

Es herrschte Vetternwirtschaft im grossen Stil. Und wer nicht zur Clique um Tolino gehörte oder gar Kritik wagte, wurde ausgegrenzt.

Nijmri Edres, Co-Leiterin des Islaminstituts der Uni Bern: Studenten wurden verhört.

Vetternwirtschaft im grossen Stil

Edres, die die Verhöre durchführte, war erst seit einem Jahr an der Uni tätig und gehörte zum engsten Kreis von Tolino. Im Untersuchungsbericht, der am Donnerstag präsentiert wurde, werden die Umstände ihrer Anstellung hart kritisiert: Ihre Wahl sei von «Personen in direkter Abhängigkeit von der Institutsleitung (Tolino)» ermöglicht worden, heisst es wörtlich. Denn Edres ist mit ihrem Profil eigentlich unpassend für die Stelle: Sie forscht auf exakt demselben Gebiet wie Tolino – bei einem Institut mit nur zwei Professuren ist es wenig sinnvoll, wenn beide dieselben Schwerpunkte abdecken. Tatsächlich kannten sich die zwei Professorinnen bereits, sie hatten früher schon zusammengearbeitet.

Auch sonst habe sich die Institutsleitung bei Stellenbesetzungen «primär am eigenen Netzwerk orientiert» und einen «übertrieben informellen Führungsstil zuungunsten von Kompetenz» gepflegt, heisst es im Bericht. Mit anderen Worten: Es herrschte Vetternwirtschaft im grossen Stil. Und wer nicht zur Clique um Tolino gehörte oder gar Kritik wagte, wurde ausgegrenzt.

Eine Israel-feindliche Haltung galt dabei offenbar als selbstverständlich. Laut NZZ sei zum Beispiel bei einer offiziellen Lehrveranstaltung eine Landkarte an die Wand projiziert worden, auf der Israel ausgelöscht und als Palästinensergebiet dargestellt wurde. Auch seien im Institut Palästina-Flaggen aufgehängt worden.

Das Institut boykottierte Israel

Problematisch war laut Bericht insbesondere, dass die Grenze zwischen Wissenschaft und persönlicher politischer Meinung zum Teil «ausgeblendet» wurde. Eine Israel-feindliche Haltung galt dabei offenbar als selbstverständlich. Laut NZZ sei zum Beispiel bei einer offiziellen Lehrveranstaltung eine Landkarte an die Wand projiziert worden, auf der Israel ausgelöscht und als Palästinensergebiet dargestellt wurde. Auch seien im Institut Palästina-Flaggen aufgehängt worden.

Unter Tolinos Vorgänger, Reinhard Schulze, fand noch ein reger wissenschaftlicher Austausch mit israelischen Unis statt.

Professor Reinhard Schulze, Vorgänger von Frau Tolino: Achtete auf Wissenschaftlichkeit und Ausgewogenheit.

Gemäss mehreren Institutsangehörigen wurde Israel konsequent boykottiert. Unter Tolinos Vorgänger, Reinhard Schulze, fand noch ein reger wissenschaftlicher Austausch mit israelischen Unis statt. Danach nicht mehr – was bei einem Fachbereich, der sich mit dem Nahen Osten beschäftigt, fachlich nicht zu begründen ist. Kooperiert wurde nur noch mit arabischen Unis.

Ein oft benutzter Ausdruck im Institut lautete: «Das BDSen wir.» BDS steht für eine umstrittene internationale Boykott-Kampagne gegen Israel.

Serena Tolino stand für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung.

Weshalb reagierte die Uni nicht früher?

Letzten Donnerstag griff die Unileitung durch. «Das Institut für Nahost-Studien wird in seiner jetzigen Form aufgelöst», verkündete Rektor Christian Leumann vor versammelter Presse. Der Fachbereich soll neu aufgestellt und in eine grössere Einheit integriert werden. Tolino wird als Institutsleiterin entmachtet, darf aber weiterhin als Professorin tätig bleiben. Trotz aller Führungsmängel wäre eine Entlassung nicht verhältnismässig gewesen, hiess es an der Pressekonferenz.

Der Fall gleicht jenem der Universität Basel, dort wurde letzte Woche wegen ähnlicher Verfehlungen ebenfalls durchgegriffen. Eine Frage bleibt offen: Weshalb brauchte es den Hamas-Terror, damit die schon lange bestehenden Missstände ans Licht kommen? Dass beide Unis erst nach journalistischen Recherchen handelten, nährt den Verdacht, dass an anderen Instituten womöglich ähnliche Probleme bestehen – ohne das hochsensible Israel-Thema aber unbeachtet bleiben.

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