Verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler, anstrengende Eltern, mehr und mehr Bürokratie. Über 90 Prozent der Baselbieter Lehrerinnen und Lehrer beklagen sich darüber, dass sie nicht mehr genügend Zeit für den eigentlichen Unterricht finden. Die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) will deshalb ab kommenden Januar Zivildienstleistende im Rahmen eines Pilotprojekts auch auf der Sekundarstufe einsetzen.
Der Aufgabenbereich umfasse unter anderem “Assistenzaufgaben im Unterricht, Aufgabenhilfe, Mithilfe in Sportlagern, in der Pausenaufsicht oder im Hausdienst”, wie BKSD-Sprecherin Fabienne Romanens auf Anfrage sagt. Zwar werden die Zivis nicht selbst unterrichten. Erwartet wird aber, dass sie pädagogisch anspruchsvollere Aufgaben meistern. Sie sollen auch “gezielte Unterstützung” für Schülerinnen und Schüler bieten, die eine intensivere Betreuung benötigen.
Bisher eher einfache Aufgaben
Bisher konnten die Zivis im Baselbiet ihren Dienst lediglich an den Primarschulen absolvieren. Sie unterstützen die Kinder bei den Hausaufgaben, machen Pausenaufsicht, helfen ihnen beim Anziehen. Vergleichsweise einfache Aufgaben. Nun also traut man ihnen die Unterstützung von Sekundarlehrern in “schwierigen Situationen” zu, wie es in der Antwort auf einen Vorstoss von SP-Landrat Jan Kirchmayr heisst.
Der Lehrerverein Baselland (LVB) zieht ein positives Fazit von den Zivi-Einsätzen auf Primarstufe. LVB-Präsident Philipp Loretz sagt, bei den 1.- bis 6.-Klässlern könnten die Zivildienstleistenden reine Unterstützungsaufgaben wahrnehmen, etwa “indem sie hier und da mal Schuhe schnüren, die Kinder auf dem Schulweg begleiten oder sie am Mittagstisch betreuen”. Skeptisch beurteilt er die Idee, wonach sie künftig auf Sekundarstufe auch in schwierigen Situationen eingesetzt werden sollen.
Wenn es heikel wird, braucht es Profis
Wenn es beispielsweise um disziplinarische Probleme, psychische Gewalt etwa in Form von Cybermobbing, respektloses Verhalten der Schüler oder Arbeitsverweigerung gehe, brauche es Profis. “Hier braucht es in der Regel den Einsatz von ausgebildetem Fachpersonal, zum Beispiel Heilpädagoginnen, Lehrpersonen der Speziellen Förderung und Sozialpädagogen”, sagt Loretz.
SP-Landrat Jan Kirchmayr, der selbst auf Sekundarstufe unterrichtet, sagt, er könne sich gut vorstellen, dass Zivis auch auf Sekundarstufe eingesetzt werden könnten. “Denkbar ist, dass sie administrative Arbeiten übernehmen und Lehrpersonen in gewissen integrativen und separativen Settings unterstützen können, ihnen im Leistungszug A zur Seite stehen oder etwa im Sportunterricht mithelfen.”
Aber auch er hebt den Mahnfinger: “Die Zivis dürfen nicht zur Belastung und quasi zu zusätzlichen Schülern werden, die ebenfalls betreut werden müssen.” Auch merkt er an, dass der Einsatz von Zivildienstleistenden das grundsätzliche Problem des Lehrermangels nicht beheben könne.
“Notfallmässig” auch Lehrer ohne Ausbildung
Allein in den kommenden zehn Jahren werden nur schon im Kanton Baselland rund 1100 Lehrerinnen und Lehrer pensioniert. Bekannt ist, dass bereits heute viele Stellen von Lehrerinnen und Lehrern ohne entsprechendes Diplom besetzt sind – auch wenn keine Zahlen darüber verfügbar sind.
Dass der Lehrermangel ein Problem ist, räumt die Bildungsdirektion aber ein. Unter anderem will sie deshalb künftig vermehrt “notfallmässig” auf den Einsatz von pensionierten Lehrerinnen und Lehrern zurückgreifen. Auch ist geplant, ein Mentoring-Programm für unausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sowie Berufseinsteiger auf die Beine stellen. Für Kirchmayr geht es nicht schnell genug. “Ich hätte mir das schon ab diesem Sommer gewünscht”, sagt er.
Der Baselbieter Landrat hat am Donnerstag ein Postulat von Marc Scherrer (Mitte) überwiesen, wonach die Zulassungsbedingungen für die Pädagogische Hochschule (PH) gelockert werden sollen. Heute braucht es die gymnasiale Matura oder eine Fachmaturität Pädagogik, um die Lehrerausbildung in Angriff zu nehmen. Ausnahmen gibt es nur für jene, die Berufserfahrung haben und über 27 Jahre alt sind. “In Zeiten von Lehrermangel ist das jedoch zu wenig”, schreibt Scherrer in seinem Vorstoss. Eine Mehrheit des Parlaments spricht sich für sein Anliegen aus, wonach der Regierungsrat prüfen soll, sämtliche Berufs- und Fachmaturanden zuzulassen.
Alle reden um den heissen Brei herum. Der einzige Weg zur Behebung der Schulprobleme ist die Rückkehr zum lehrerzentrierten Unterricht mit Durchgriffsrechten für Lehrer – auch gegenüber den Eltern. Vorher wird nur an Symptomen herumgemurkst.
Na ja, lieber Herr Wisser, schiessen Sie da nicht etwas über’s Ziel hinaus? Wenn ich mir so die Schullandschaft betrachte, dann stelle ich fest, dass der schülerzentrierte Untrricht zwar munter von oben propagiert wird, der lehrerzentrierte Unterricht sich aber immer noch wacker hält. Und was in Gottes Namen verstehen Sie unter Durchgriffsrechten für uns Lehrer? Halte Sie uns für sakrosankt und unkritisierbar? Davor möchte ich ausdrücklich warnen. Ich habe da meine Erfahrungen als Vater und Lehrer.
Sehr geehrter Hart
Ich muss Herrn Dr. J. Wisser recht geben. Das schülerzentrierte und Coachings-begleitete Herumfummeln an Kaum-mehr-Stoff in der Staatsschule hat – zusammen mit toxischen Methoden wie “Lesen durch Schreiben” – eine Staatschul-Katastrophe herbeigeführt, wie noch nie gesehen. Lehrpersonen geraten durch feiges Führungspersonal zunehmend in die Defensive und/oder in die Resignation. Da bräuchte es wieder mehr Möglichkeit für Klartext seitens der Unterrichtenden ohne die Bedenken um ein sofort daraufhin folgendes (lohnrelevantes) MAG.
Mit freundlichen Grüssen
Daniel Vuilliomenet
Die Staatsschule hat fertig. Punkt.