22. Dezember 2024
Schulnoten

Von der Not der Noten – und ihrem Wert

Ein alter pädagogischer Schauplatz öffnet sich neu – der Disput um die Noten. Wer sie abschaffen will, verkennt den Wert der Noten. Das System dient Schülerinnen, Lehrern und Eltern als unkomplizierte Orientierung. Entscheidend bleibt dabei das lernförderliche Feedback. Gedanken zu einer kontroversen Thematik von Condorcet-Autor Carl Bossard.

Die «Abschaffung der Noten» kommt als professionelle Forderung daher

Den Ziffernoten geht es an den Kragen. Sie sind umstritten, vielfach gar denunziert. Wie schon so oft, seit es sie gibt. Und dennoch haben sie bis heute Bestand. Einen Frontalangriff auf die Noten startete vor Kurzem der Präsident des Verbands Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz, Thomas Minder.[1] Er leitet die Dachorganisation von 20 Kantonalverbänden der deutschsprachigen Schweiz, welche rund 2300 Schulverantwortliche zählt. Minder will die Noten eliminieren. Schülerinnen und Schüler sollten sich am Ende der Primarschule selbst selektionieren. Ziffern seien hier fehl am Platz. Sie gehören darum abgeschafft, postuliert der oberste Schweizer Schulleiter – für viele wohl mit etwas gar naivem reformpädagogischem Eifer. Zudem erstaunt es, dass die Abschaffung der Noten als professionelle Forderung daherkommt und so tut, als gäbe es keine Politik und keine öffentliche Meinung.[2] Die Bevölkerung will mehrheitlich keine «notenfreien Schulen» – das ergibt sich aus Umfragen von Elterngremien und aus den Resultaten kantonaler Abstimmungen.[3]

Carl Bossard, 74, ist Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug. Davor war er als Rektor der kantonalen Mittelschule Nidwalden und Direktor der Kantonsschule Luzern tätig. Heute begleitet er Schulen und leitet Weiterbildungskurse. Er beschäftigt sich mit schulgeschichtlichen und bildungspolitischen Fragen.

Gleichzeitig wissen wir um das Konträre: Noten seien unverzichtbar, ja «unabdingbar, um Fairness und Vergleichbarkeit zu garantieren», schreibt beispielsweise die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Prof. Susanne Lin-Klitzing, Erziehungswissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg.[4] Ein kontroverses Patt! Oder auf gut Deutsch: Die einen sagen so, die andern anders.

Der Züricher Kantonsrat als Abbild der Diskursfronten

Genau dieses argumentativ widersprüchliche Bild zeigte sich letztes Jahr im Zürcher Kantonsrat. Zur Debatte stand eine parlamentarische Initiative zur Notenpflicht in der Volksschule. Eingebracht hat sie die freisinnige Kantons- und Stadträtin Astrid Furrer aus Wädenswil. Die Initiantin wollte das Volksschulgesetz ändern. Das Ziel: Die Beurteilung der Leistung im Semesterzeugnis muss zwingend durch Noten erfolgen. Alternative Benotungssysteme wie Smileys und Krönchen oder Farbbalken à la Stadtschule Luzern[5] sind nur in der ersten Klasse und bei sonderpädagogischen Massnahmen erlaubt. Schulnoten dürften nicht dem pädagogischen Zeitgeist zum Opfer fallen, so die Angst und Absicht der parlamentarischen Mehrheit; sie müssten darum im Gesetz verankert sein.

Das kam einem Misstrauensvotum gegenüber der Zürcher Bildungsdirektion und dem Bildungsrat gleich. Ende Juni 2022 stimmte der Kantonsrat mit 101 Ja zu 62 Nein der Gesetzesänderung deutlich zu – nach langer und hitziger Debatte.[6] Die bürgerlichen Parteien, die Grünliberalen und die Mitte sprachen sich für die Vorlage aus, Links-Grün und die EVP votierten geschlossen dagegen.[7]

Zeugnisvereinfachung! Keine Noten, modern, präzis und dem Zeitgeist verpflichtet.

Die Skepsis gegenüber den Noten und ihr ramponierter Ruf

Die Debatte «Kein Verzicht auf Schulnoten» brachte all das zutage, was wir aus dem Diskurs um die Ziffernote längst kennen: Warum sie einerseits umstritten ist, und aus welchen Gründen sie anderseits für die Lernleistungs-Bewertung in Schulen bis heute offenbar als unverzichtbar gilt.[8] Die Note sei, so ein Teil der Voten, unpräzise oder eben scheingenau und gleichzeitig informationsarm. Ob aber der weitmaschige Dreiteiler mit «noch nicht erfüllt», «erfüllt» und «übertroffen», wie das einige Schulgemeinden im Kanton Bern praktizieren, präziser ist als Ziffern?[9] Dazu, so die Notenverzichts-Argumente, sei ihr Zustandekommen nicht selten intransparent, manchmal gar willkürlich.[10] Noten trügen kaum zur Bildungsgerechtigkeit bei und bezögen sich nicht auf den individuellen Lernfortschritt, sondern einzig auf den Klassendurchschnitt.[11] Diese sogenannten «Referenzgruppeneffekte» verfälschten die Noten, denn jede Klasse sei unterschiedlich leistungsstark.[12] Zudem widersprächen sie dem Ideal des intrinsischen oder selbstgesteuerten Lernens mit dem Schwergewicht auf dem eigenen Lernweg.

Vergessen geht bei diesem Einwand, dass Lernende nicht primär durch einen isolierten Kommentar oder eine Note motiviert werden, sondern durch inspirierende Lehrerinnen und leidenschaftliche Pädagogen.

«Misstraut allen Noten!», liess darum der Erziehungswissenschaftler Hans Brügelmann, Universität Siegen, die ZEIT-Leserschaft apodiktisch wissen.[13] Anstrengungen, die nur um des Prädikats willen getätigt würden, seien pädagogisch von geringem Wert. «Motivieren ohne Noten» nennt sich dieses suggestive Stichwort der Schulkritik von 1990.[14] Die These: Schülerinnen und Schüler lernten besser, wenn sie nicht durch Noten angeleitet würden.[15] Vergessen geht bei diesem Einwand, dass Lernende nicht primär durch einen isolierten Kommentar oder eine Note motiviert werden, sondern durch inspirierende Lehrerinnen und leidenschaftliche Pädagogen.

NZZ am Sonntag, 12.12.20

Schülerinnen und Schüler wollen wissen, wo sie stehen

Aller Kritik zum Trotz: Warum gibt es sie denn immer noch, diese Noten? Sie sind ja nichts anderes als ein verkürztes Feedback darüber, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Lerngruppe gekonnt, gewusst, verstanden wird. Die Ziffernote als Kürzel basiert auf dem vergleichenden Leistungsurteil durch eine Lehrperson. Nicht mehr, nicht weniger. Was also macht ihren Wert aus?

Kurz gesagt: Noten sind eine bewährte Form von Feedback und für die Kommunikation der Schulen nach aussen – Arbeitgeber, Eltern et al. – ohne ebenbürtigen Ersatz. Das sagt Jürgen Oelkers, Erziehungswissenschaftler und emeritierter Professor der Universität Zürich. Alle anderen Formen hätten nicht annähernd den gleichen Grad leichter Verständlichkeit. Anders als verbale Beurteilungen erlauben Noten keine rhetorischen Beschönigungen. Ziffern führen kaum zu Wortklaubereien. Worte können verletzen; Zahlen sind neutraler. Zudem gilt: Schülerinnen und Schüler «vergleichen sich immer, egal ob sie Noten bekommen oder Berichtszeugnisse», sagt Ulrich Trautwein, Bildungsforscher an der Universität Tübingen.[16] Sie wollen wissen, wo sie in der Klasse stehen, wo ihre Fähigkeiten liegen und ob sie sich verbessert haben. Noten ermöglichen auf einfache Art, Schüler-Lernleistungen in Relation zu Standards zu setzen und schulisches Können zu vergleichen – als Grundlage für ein lernförderliches Feedback. Ein Verzicht auf Vergleiche greift das Leistungsprinzip der Schule an.

Korrigieren, bewerten und Noten setzen – und damit auch begabungsgerecht selektionieren, das kann nicht an Maschinen, nicht an digitale Test- und Bewertungswerkzeuge delegiert werden. Es ist eine delikate, nicht selten mühsame Aufgabe.

Schule und Unterricht im dialektischen Spannungsfeld

Lehrerinnen und Lehrer stehen bei ihrer Arbeit im vielfachen Dilemma. Unterrichten ist eingebettet in dialektische Prozesse. Sie lassen sich nicht auflösen, sie lassen sich nur aushalten und konstruktiv handhaben. Auch bei den Noten. Die Ambiguitäten resultieren aus den widersprüchlichen Spannungsfeldern zwischen dem pädagogischen und dem soziologisch-gesellschaftlichen Auftrag der Schule, zwischen dem individuellen und sozialen Fördern, orientiert am Pädagogischen, sowie dem Leistungsprinzip, zentriert auf inhaltliche und kompetenzorientierte Bildungsziele. Die Schule kann gar nicht anders, als diese Widersprüche zu akzeptieren, wenn sie glaubwürdig bleiben will. Personifiziert ausgedrückt: Schule verkörpert den Antagonismus zwischen Wilhelm von Humboldt und Helmut Schelsky. Es ist ein Konflikt zwischen dem Bilden als Selbstbildung, dem Ausbilden als Qualifikation und dem Integrieren als Sozialisation einerseits sowie dem Selektionieren anderseits.[17] Das macht manchen Lehrpersonen zu schaffen – auf allen Schulstufen. Korrigieren, bewerten und Noten setzen – und damit auch begabungsgerecht selektionieren, das kann nicht an Maschinen, nicht an digitale Test- und Bewertungswerkzeuge delegiert werden.[18] Es ist eine delikate, nicht selten mühsame Aufgabe. Für viele bedeutet sie eine Art Sacrificium Intellectus.

Lern- und Denkleistungen beurteilen und sie gerecht bewerten ist ein verantwortungsvoller Vorgang. Er gehört konstitutiv zum Berufsauftrag. Nicht alle Jugendlichen können zu allen Ausbildungen und Berufen gelangen. Entschieden wird nach Lernleistung.

Lern- und Denkleistungen beurteilen und sie gerecht bewerten ist ein verantwortungsvoller Vorgang. Er gehört konstitutiv zum Berufsauftrag. Nicht alle Jugendlichen können zu allen Ausbildungen und Berufen gelangen. Entschieden wird nach Lernleistung. Das gilt im Besonderen für den Übertritt ans Gymnasium. Zu bilden sind hier möglichst leistungshomogene Klassen. Sie erleichtern gutes Lernen.[19] Das Ersetzen von Noten durch Buchstaben oder Ampelfarben, durch Wörter oder Kreuzchen wäre lediglich pädagogische Kosmetik und änderte daran nichts.[20] Der Auftrag bleibt: den Jugendlichen nach ihren Fähigkeiten und Interessen neue Wege aufzeigen. Zu evaluieren und zu bewerten sind die Lernleistungen. Sie sind der einzig sozialneutrale und damit auch demokratiegemässe Massstab. Wo aber kann nach Lernleistungen gemessen werden? An der Schule, nur an der Schule.

Hohe Grundansprüche an die Beurteilung

Noten aber sind ein komplexes Instrument und reflektiert zu vergeben. Sie hängen mit Prüfungen zusammen. Sie sollten so verlässlich wie möglich sein. Lehrkräfte müssen darum versuchen, allfällige Fehlerquellen auszuschliessen.[21] Darum basieren gute Prüfungen, so hat man es uns in der Ausbildung gelehrt, auf vier Grundansprüchen:

. Validität: Was gemessen wird, entspricht dem, was man messen will. Und das Geprüfte ist eine bedeutsame und anerkannte Kompetenz.

. Objektivität: Die Beurteilung erfolgt nicht willkürlich; andere Bewertende kämen zur selben Ansicht. Und vor allem eines: Das Urteil muss frei von Vorurteilen gegenüber der geprüften Person sein.

. Reliabilität: Die Prüfung ist keine flüchtige Momentaufnahme. Darum müssten die Lernenden beim Wiederholen des Tests zu den approximativ gleichen Resultaten kommen.[22]

. Vergleichbarkeit: Geprüfte Schülerinnen und Schüler sollten in ihrer Lernleistung mit anderen verglichen werden können. Die Note 5 müsste in allen parallelen Klassen möglichst dasselbe bedeuten.

Noten sind nicht das Problem, Noten sind eine Hilfe

Wer den Prüfungen diesen Massstab zugrunde legt, schafft Klarheit und Erwartungssicherheit. Schülerinnen und Schüler wissen, dass es ums Bewerten ihrer Lernleistung geht, ihres Könnens und Verstehens – und nicht der Persönlichkeit. Sie akzeptieren die Note. In einem wertschätzenden Umfeld, in einer positiven und ermutigenden Atmosphäre sind Noten darum nicht das Problem, sondern eine Hilfe; sie generiert Transparenz und Sicherheit.

Das zeigt die Forschung, das legt die eigene Erfahrung nahe. Ein einziges Beispiel illustriert es: Ein Fünftklass-Gymnasiast hat in Chemie eine 4.5, sein Freund erreicht lediglich eine 3.5. Er will sich verbessern und gleichzeitig seinem Freund helfen. Der Chemielehrer gibt Feedback und zeigt ihm Wege, wie er das Lernen steuern kann.[23] Der Schüler vertieft sich in die Materie. Beim Lernen auf die Prüfung erklärt er seinem Freund den verlangten Inhalt. Im nächsten Zeugnis hat er eine 5, sein Freund eine 4. Diese Note habe ihm Klarheit verschafft, den Lernfortschritt signalisiert und ihn gleichzeitig motiviert, liess er mich als Klassenlehrer beim Überreichen der Zeugnisse wissen. Lernen lohne sich, fügte er verschmitzt bei. Dass (auch notenmässig belegte) Lernfortschritte das positive Selbstkonzept fördern, zeigte sich im Maturazeugnis. Er erreichte, notabene bei einem gestrengen Chemielehrer, eine blanke Sechs – und studierte dann an der ETH Zürich.

Für diese Feedbacks müssten die Lehrerinnen und Lehrer wieder mehr Zeit und Freiraum haben. Sie geben den Noten ihren Gehalt und Wert. Das Feedback gehört zu den effektivsten Instrumenten, die den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern steigern.

Feedback mit hohem Wirkwert

Noch etwas zeigt das Beispiel: Entscheidend ist das lernfördernde Feedback – im Sinne der Artikulation der Differenz zwischen Sein und Sollen, und dies in dreifacher Hinsicht: bezogen auf die Sache, auf den Prozess und auf die Selbstregulation. In der Metapher des OL-Sports gesprochen: Wo sind wir? Wohin wollen wir? Und wie kommen wir dorthin; welchen Weg wählen wir? Das müssten wir institutionalisieren und praktizieren. Und das müsste in der Schule intensiv und konkret erfolgen und vor allem in der Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule aufgezeigt und eingeübt werden. Die Einschätzung des Leistungsniveaus durch die Lehrperson hat nach John Hattie den höchsten Wirkwert aller Einflussgrössen aufs Lernen.[24]

Für diese Feedbacks müssten die Lehrerinnen und Lehrer wieder mehr Zeit und Freiraum haben. Sie geben den Noten ihren Gehalt und Wert. Das Feedback gehört zu den effektivsten Instrumenten, die den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern steigern. Es muss an den Inhalt gebunden und sprachlich präzis formuliert sein und in einer fehlerfreundlichen Lernatmosphäre erfolgen. Darauf müsste sich eine gute Schule konzentrieren. Die Abkehr vom klassischen Notenmodell bringt den Kindern und Jugendlichen keinen Mehrwert, den Lehrpersonen aber mehr Arbeit. Es ist ein unnötiges Drehen an einer (Neben-)Stellschraube – ohne den Blick auf das systemische Ganze mit den anspruchsvollen Lehr- und Lernprozessen zu richten. Auf dieses Kernanliegen hat sich das System wieder zu konzentrieren.

Zuerst erschienen in: Qi. Quartalinformation des Mittelschullehrpersonenverbands Zürich MVZ. 4 / November 2023, S. 8-15

Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch: https://condorcet.ch/2022/02/sind-noten-in-der-schule-notwendig/

[1] Thomas Minder (2023), Schluss mit der Selektion, in: Fritz+Fränzi. Das Schweizer Elternmagazin, 31.08.2023: https://www.fritzundfraenzi.ch/gesellschaft/schluss-mit-der-selektion/ [abgerufen: 10.10.23]

[2] Livesendung Forum von SRF 1: https://www.srf.ch/audio/forum/sind-schulnoten-noch-zeitgemaess?id=12449418

[3] Verschiedene Kantone kehrten per Volksabstimmung wieder zum Notenobligatorium in der Primarschule zurück, so der Kanton Genf oder der Kanton Appenzell Ausserrhoden. Zu Noten kehrten auch Schulgemeinden zurück – mit der Begründung, manchen Kindern fehle sonst der Lernleistungswille.

[4] Kathrin Müller-Lancé, Sind Noten noch zeitgemäss?, in: Süddeutsche Zeitung, 29.09.2023, S. 6.

[5] An den Stadtschulen Luzern steht nun statt der Note 4 ein «teilweise erreicht» – dazu ein Kreuz im Balken zwischen Gelb und Orange, in: https://www.zentralplus.ch/beruf-bildung/warum-selbst-luzerner-schueler-noten-bevorzugen-2577229/ [abgerufen: 10.10.23]

[6] https://parlzhcdws.cmicloud.ch/parlzh5/cdws/Files/d389c7032ab94daba70e5487bcec3552-332/5/pdf

[abgerufen: 10.10.23]

[7] Daniel Schneebeli, Jetzt kommt die Notenpflicht ins Gesetz, in: TagesAnzeiger, 05.07.2022, S. 17.

[8] Vgl. Protokoll der beiden Debatten im Kantonsrat vom 24.02.2020 und vom 03.05.2022: KR-Nr. 69/2020. Msc. unpubl.

[9] Mirjam Comtesse, Schule ohne Noten. Ist “übertroffen” besser als eine 6?, in: Berner Zeitung, 19.10.2023.

[10] Urteile der Lehrpersonen mit Blick auf ihre Klasse sind recht verlässlich; darauf verweist Jürgen Oelkers. Er stützt sich dabei u.a. auf Franz E. Weinert (2001) (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim/Basel: Beltz-Verlag.

[11] Vgl. Wilfried Kronig (2007), Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs. Theoretische Erklärungen und empirische Untersuchungen zur Lernentwicklung und zur Leistungsbeurteilung in unterschiedlichen Schulklassen. Bern und Stuttgart: Haupt Verlag, S. 171ff.

[12] Karlheinz Ingenkamp (1995), Die Fragwürdigkeit der Zensurengebung. Texte und Untersuchungsberichte. 9. Aufl. Weinheim: Beltz Verlag, S. 194ff.

[13] Hans Brügelmann (2006), Misstraut allen Noten!, in: DIE ZEIT, 13.07.2006, S. 52; vgl. Lisa Kunze (2022), Dialogbasierte Leistungsbeurteilung mit Portfolios. Theoretische Grundlagen, praktische Umsetzungsmöglichkeiten und empirische Befunde. Münster: Waxmann Verlag.

[14] Richard Olechowski/Karin Rieder (1990) (Hrsg.), Motivieren ohne Noten. Schule, Wissenschaft und Politik. Bd. 3. Wien [u.a.]: Verlag Jugend und Volk; vgl. Jürgen Oelkers, Warum Noten in der Schule? Msc. unpubl. Zürich: IfE, S. 2.

[15] Jürgen Oelkers, Beurteilen und Fördern – Notwendige Noten? Schulinfo Zug. 06.05.2019, S.2/6.

[16] Ulrich Trautwein, «Sie wollen immer wissen, wo sie stehen», in: DIE ZEIT, 31.08.2023, S. 33.

[17] Gegen diesen Selektionsauftrag wehrt sich Thomas Minder, Präsident der Schweizer Schulleiterinnen und Schulleiter.

[18] Nils B. Schulz (2023), Kritik und Verantwortung. Irrwege der Digitalisierung und Perspektiven einer lebendigen Pädagogik. München. Claudius Verlag, S. 121.

[19] Wie wichtig lernleistungshomogene Klassen für gutes Lernen sind, zeigen Studien auf, u.a. von Prof. Wolfgang Schneider, Universität Würzburg, und aus den USA; vgl. Kari Kälin, Unter gleich Guten lernt es sich besser, in: Luzerner Zeitung, 23.03., S. 12 (Hintergrund).

[20] Winfried Kronig, Schulnoten – Glasperlenspiel des Bildungssystems, in: Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik (2010) 9, S. 6-7.

[21] Kathrin Müller-Lancé, a.a.O., S. 6.

[23] Gemäss Hattie ist dies ein Feedback zur Selbstregulation; es hat einen hohen Effektwert (d = 0.86).

[24] Klaus Zierer (2023). Hattie für gestresste Lehrer 2.0. Kernbotschaften aus „Visible Learning“ mit über 2.100 Meta-Analysen. 4. erweiterte und aktualisierte Auflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S.137, 172; Hatties Wirkwert hat eine Effektgrösse von d = 1.46.

 

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Jüngst haben bürgerliche Politiker und der Lehrerverband LCH den Geschichtsunterricht kritisiert. Berechtigterweise, findet Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz. Allerdings gehe nicht in erster Linie um die Frage, wieviel Wokeness in den Lehrmitteln enthalten ist. Was zähle, sei vielmehr, dass wieder relevante Bildungsinhalte den Geschichtsunterricht prägten. Die aufgeschobene Diskussion um die Inhalte ist laut Amstutz überfällig, um dem Fach Geschichte ein klares Profil zurückzugeben.

4 Kommentare

  1. “Noten trügen kaum zur Bildungsgerechtigkeit bei und bezögen sich nicht auf den individuellen Lernfortschritt, sondern einzig auf den Klassendurchschnitt.” – Dieses Argument wird oft gegen die Noten in die Diskussion geworfen. Dabei wird unterschlagen, dass es sehr wohl möglich ist, die Noten anhand klar definierter Kriterien zu verteilen – z.B. Was muss man können, um genügend zu sein? Somit orientiert sich eine Schülerleistung nicht an den Punktzahlen der Klasse. Ausserdem lässt sich die Bewertung mit den Noten vergangener Jahre vergleichen.

  2. Eine sehr wichtige und willkommene Klarstellung!
    1. Wenn die Schule der Selektion ausweicht, übernehmen ausserschulische Institutionen die Aufgabe. Diese stützen sich auf einen einzigen Test, z.B. Multicheck, Standardtests, etc. Die Zeugnisnoten der Schulen hingegen können sich auf die gesamten Leistungen während eines Semesters oder eines Schuljahres berufen.
    2. Bei Teenagern sind Noten tatsächlich ein unverzichtbares Motivationsinstrument. Die intrinsische Motivation sackt bei dieser Altersgruppe manchmal ab, wertvolle Lernzeit wird vergeudet, denn der Frontalcortex, der das Verhalten rational steuern sollte, ist noch nicht voll ausgeprägt. Da hilft die extrinsische Motivation der Noten, solche Motivationsflauten zu überwinden. “Für die Note lernen” ist in solchen Fällen besser als “überhaupt nicht lernen”.
    3. Selbstredend müssen Noten fair und transparent erteilt werden. Ist das der Fall, werden sie in aller Regel akzeptiert und bilden eine einfache und wirksame Orientierungshilfe.
    4. Seltsam: Noch nie habe ich gehört, dass im Sport, wo die Leistung absurderweise in Zehntelssekunden gemessen wird, irgendjemand auf die Idee gekommen wäre, die Punktevergabe abzuschaffen.

  3. Treffend analysiert.
    Wenn Noten durch Smilies oder Blümchen ersetzt werden, kann man ja auch ablesen, was ausgesagt werden soll. Permanent ein Zwanzigabachti-Smilie zu erhalten, ist genauso wenig toll, wie ständig eine Drei auf der Prüfung. Wobei anzumerken ist, dass solche Symbole auf der Primar-Unterstufe durchaus Sinn machen.
    Die Diskussion um Noten und deren Ersetzung durch ggf. andere Symbole ist m. E. ein Scheindisput. Wenn, dann müsste es doch um die Frage gehen “Bewertung ja oder nein”. Die externe Bewertung könnte ersetzt werden durch eine schülerseitige Selbsteinschätzung. Da setze ich allerdings grosse Fragezeichen. Dazusetzen ja – ersetzen nein.
    Letztlich geht es doch ganz einfach um den Stolz von modernen Erwachsenen, der es nicht zulassen kann, dass das Designerprodukt Kind durch irgendeinen dahergelaufenen Pädagogen oder eine Pädagogin überhaupt beurteilt wird.
    Dass Schulleiter opportunistisch auf diesen Zug aufspringen, wundert mich hingegen nicht…

  4. Einmal mehr erstellt Carl Bossard eine überzeugende Auslegeordnung bei einem komplexen Thema. Die populistische Forderung des Schulleiterverbands nach einer Abschaffung der Noten wirkt gegenüber der vorliegenden Analyse wie ein unüberlegter Schnellschuss. Carl Bossard weist in aller Offenheit darauf hin, dass das Dilemma der Doppelfunktion der Noten nicht einfach aus der Welt geschafft werden kann. Noten bilden in der Regel korrekt den Leistungstand eines Schülers ab, dienen aber bei schulischen Übergängen auch der Selektion. Wer Noten abschaffen will, stellt ein wichtiges Element unserer Leistungsgesellschaft infrage.

    Lehrkräfte müssen darauf achten, das zentrale Prinzip der Ermutigung beim Lernen nicht durch eine deprimierende Notengebung zu untergraben. Es gilt, als Lehrer stets die schwächeren Schüler im Auge zu behalten und genau zu schauen, wo diese beim Lernprozess gezielte Unterstützung brauchen. Dafür benötigt die Schule weniger Hektik, eine Konzentration auf wesentliche Kompetenzziele und Grundanforderungen, die für praktisch alle erreichbar sind. Bei der gegenwärtigen Verzettelung der Bildungsziele (drei Sprachen in der Primarschule!) fehlt bei vielen Kindern die Überzeugung, den Grundanforderungen in der Schule genügen zu können. Ungenügende Noten sind in der Tat schädlich, wenn sie nicht als Ausgangspunkt für eine Neuorientierung bei Lernprozessen genommen und chronisch werden.

    Für mittlere und gute Schüler andererseits hat eine faire Notengebung durchaus eine zusätzliche motivierende Wirkung. Wenn Jugendliche wissen, dass in Prüfungen wie beispielsweise bei Sprachtests eingeübte Grundelemente enthalten sind, fördert dies den Lernwillen. Ein guter Einsatz fliesst auf diese Weise unmittelbar in die Notengebung ein. Ein stärkerer Einbezug des Faktors Fleiss bedeutet keinesfalls, dass die Bewertungen nun weit über die Note fünf hinausschiessen. Schwierigere Aufgaben im letzten Teil einer Prüfung sind Hindernisse, die nur Schüler mit grosser Affinität zu einem Fach überwinden werden. Wer auch diese Hürden nimmt, wird sich über beste Noten ganz sicher freuen.

    Eine faire Notengebung bleibt letztlich eine didaktische Herausforderung für jede Lehrperson. Solange jedoch das Vertrauensverhältnis zu den Schülern stimmt und die Anforderungen transparent sind, akzeptieren die allermeisten Jugendlichen eine Leistungsbeurteilung durch Noten.

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