29. April 2024
Zweck der Schule

Einfache Frage – einfache Antwort: Wozu sind wir in der Schule?

Condorcet-Autor Urs Kalberer stellt mit seinem Beitrag eine einfache, aber existentielle Frage an unsere Institution. Und er gibt die Antwort.

Urs Kalberer, Sekundarlehrer: Lernen, viel lernen

Die erste Frage des Katechismus lautet: «Wozu sind wir auf Erden?» Den Pensionierten unter uns dürfte die auswendig gelernte Antwort noch immer geläufig sein: «Wir leben auf Erden, um Gott zu dienen und dadurch in den Himmel zu kommen.» Das ist Klartext. Bezogen auf die Schule fällt uns die Antwort nicht mehr so leicht. Zu viel ist in den letzten Jahrzehnten geschehen. Die Schule, dieser Riesentanker auf offener See, geriet in dichten Nebel. Die Navigation wurde schwieriger, das Schiff kam vom Kurs ab, die Kapitäne zuckten mit den Achseln und blickten hilfesuchend durch ihre Ferngläser. Die Frage nach dem Ziel und Zweck der Schule wird je nach Situation anders gesehen. Eine Umfrage («Was macht eine gute Schule aus?») anlässlich eines Weiterbildungskurses an meiner Schule brachte die folgenden Antworten:

Haltungsbewusstsein – Reflexionsfähigkeit – Gelebter Respekt – Ressourcenorientierung – Tolle LP und SuS – Gute Infrastruktur – Beziehungskultur – Teamentscheide – Infrastruktur – Beziehung zur Klasse – Nicht stressige Atmosphäre – Guter Support von Schulleitung – Offenheit – Empathie – Diskussionskultur – Positive Grundhaltung – Teamarbeit – Jede Person wird akzeptiert, wie sie ist – Einhaltung von Regeln – Lebensweltbezug – Vielfältigkeit – Offen für Neues – Abwechslung – Kreativität – Unterrichtsqualität – Sicherheit – Gutes Arbeitsklima – Angenehmer Stundenplan – Gutes Material – Ehrlichkeit – Am gleichen Strick ziehen – Entwickelt sich gemäss den Ansprüchen der Gesellschaft – Auf Lehr- und Lernbedürfnisse ausgerichtet

Deshalb nun die Frage: Was ist denn die hauptsächlichste Aufgabe der Volksschule? Weshalb ist sie obligatorisch für alle Kinder? Ganz einfach: Die Schule ist fürs Lernen da. Eine gute Schule ist eine Schule, in der die Kinder viel lernen!

Schreiben lernen – eine anspruchsvolle Aufgabe (Bild: KEYSTONE)

Die Frage, was eine gute Schule ausmacht, hängt direkt mit dem Sinn und Zweck dieser Institution zusammen. Eine gute Schule ist demnach eine Schule, die ihren Zweck erfüllt. Doch machen die obgenannten, allesamt lobenswerten, Antworten wirklich eine gute Schule aus? Ist der Zweck der Schule wirklich, dass man im Team arbeitet oder ein vielseitiges Angebot bereitstellt? Geht es wirklich prioritär darum, Offenheit oder Empathie zu fördern? Mir scheint, das wichtigste Kriterium einer guten Schule sei vielen Lehrerinnen und Lehrern (und auch den Schulleitungen!) nicht mehr bewusst.

Deshalb nun die Frage: Was ist denn die hauptsächlichste Aufgabe der Volksschule? Weshalb ist sie obligatorisch für alle Kinder? Ganz einfach: Die Schule ist fürs Lernen da. Eine gute Schule ist eine Schule, in der die Kinder viel lernen! Was müssen sie denn alle wirklich können? Lesen, Schreiben und Rechnen. Und noch viel mehr, wenn man dem Lehrplan 21 gehorcht. Doch wir wissen, dass längst nicht alle Schüler nach neun Schuljahren lesen, schreiben und rechnen können. Vom Rest des im Lehrplan erwähnen Katalogs wollen wir gar nicht sprechen.

Entscheidend ist, was dank diesen Voraussetzungen erreicht wird.

Eine gute Schule ist also eine, in der die Schüler viel lernen. Eine schlechte Schule ist eine, in der die Schüler wenig lernen. So simpel kann es sein. Wenn eine Schule eine gute Infrastruktur bietet, alle gut miteinander auskommen und sich sicher fühlen, dann sind das gute Voraussetzungen fürs Lernen, aber dies reicht noch lange nicht, um als gute Schule bezeichnet werden zu können. Die vom Lehrerteam gegebenen Antworten sind demnach keine Indikatoren für eine gute Schule, sie sind bloss Voraussetzungen fürs Lernen. Entscheidend ist, was dank diesen Voraussetzungen erreicht wird. Was die Jugendlichen am Ende der obligatorischen Schulzeit nicht wissen oder können, das bleibt den meisten von ihnen auch später im Leben verschlossen. Weil dies so entscheidend für die Zukunft ist, muss man es auch mit Nachdruck einfordern: Lehrerinnen und Lehrer können noch so empathisch und mit einem grossen didaktischen Werkzeugkasten ausgerüstet sein – sie erfüllen ihren Auftrag nur, wenn die Kinder bei ihnen auch etwas lernen. Am besten Rechnen, Lesen und Schreiben.

Zugegeben: Hartnäckiges Fordern und Fördern ist nicht immer ein Zuckerschlecken. Aber auf dem Weg in die pädagogische Meisterklasse führt nichts daran vorbei.

 

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Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz hat sich mit dem Vorwurf der beiden Rassismus-Expertinnen auseinandergesetzt. Mit den kritisierten Lehrmitteln hat er selber unterrichtet und kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Seiner Meinung nach liegen die Probleme ganz woanders.

Ein Kommentar

  1. Sehr geehrter Herr Kalberer,
    eben, ohne Fleiss kein Preis. Die moderne Weichspülerei bringt nur Weicheier hervor, die vor den Realitäten dann dastehen wie die Ochsen vor dem Berg.
    Viele Grüsse

    Jürgen Wisser

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