16. April 2024
Politik in der Schule

Links ideologisierter Unterricht – ein kritischer Blick aus Schülersicht

Unser Gastautor Mike Biesuz gehört zu den Maturanden der Bezirksschule Baden, die in ihrer Maturarbeit die politische Einseitigkeit des Unterrichts untersucht haben. Sie lösten damit ein enormes Echo aus, das auch politische Folgen hatte. Der Kantonsrat beschloss, eine weitere Untersuchung in Auftrag zu geben, die die Thesen der drei Maturanden prüfen soll. Das Mandat erhielten der bekannte Politologe Michael Hermann und dessen Forschungsstelle “sotomo”. Wir haben Herrn Biesuz die Möglichkeit gegeben, seinen Befund unserer Leserschaft vorzustellen. Der Inhalt muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken, soll aber zum Diskutieren anregen. Lesen Sie dazu auch den Bericht (https://condorcet.ch/2022/09/feindbild-lehrer-die-linke-uebermacht/) Die politische Färbung des Unterrichts breche nicht nur mit geltendem Recht, namentlich dem Schulgesetz, sondern auch mit dem Prinzip der Gleichbehandlung von Schülerinnen und Schülern, wie Mike Biesuz in seinem Beitrag offen kritisiert.

Bereits als Bezirksschüler ist mir die linke Schlagseite unangenehm aufgefallen, welche viele Lehrkräfte an den Tag legen. Dass es sich dabei nicht um eine einzelne Vorstellung eines aufmüpfigen Jungfreisinnigen handelt, sondern der generelle Eindruck vieler bürgerlich denkenden Schülerinnen und Schüler, wurde in unserer Maturaarbeit zur “Politischen Neutralität im Unterricht” untersucht und dokumentiert. Im Folgenden sollen einige der Spannungsfelder aus Sicht der Schülerschaft beleuchtet werden.

Ein zentraler Kritikpunkt an den mehrheitlich linkslastigen Lehrerkollegien gründet sich auf die Erfahrung, dass bürgerlich denkende Schülerinnen und Schüler im Schulalltag deutlich benachteiligt werden. Und das nicht nur in Bezug auf negative Kommentare zu den von ihnen geäusserten Argumenten und Positionen während des Unterrichts, sondern bedauernswerterweise auch hinsichtlich der Notengebung.

Gastautor Mike Biesuz, Schüler der Kantonsschule Baden AG

Bei Prüfungen mit einem grossen subjektiven Bewertungsspielraum zeigt sich das am deutlichsten. Argumentiert man bürgerlich, wird ganz einfach die Argumentationsstringenz bemängelt. Dass Argumente “nicht schlüssig” oder “nicht durchdacht” seien, lässt sich aus einer linken Warte rasch und ohne Bedarf einer ausführlichen Begründung kritisieren.

Aktives Überstülpen einer vordefinierten Meinung

Manche Prüfungen lassen sogar gar keine andere Sicht als die der Lehrkraft zu. Ein Beispiel: Schülerinnen und Schüler sollen “in eine Rolle schlüpfen” und aus Sicht einer Klimaaktivistin argumentieren oder das grenzenlose Wirtschaftswachstum kritisieren. Dass eine linke Kapitalismuskritik erwartet wird, dürfte klar sein. Damit handelt es sich aufgrund der Fülle und der Einseitigkeit derartiger Rollenspiele in Aufgabenstellungen nicht mehr um zielgerichteten Unterricht, sondern eher um das aktive Überstülpen einer vordefinierten Meinung.

Die Lehrpersonen rechtfertigen solche Aufgaben mit der Anforderung an die Schülerschaft, sich in andere hineinzuversetzen und aus einer fremden Position zu argumentieren. Der logische Fehlschluss: Damit argumentieren einzig die bürgerlich orientierten, nicht aber die linksorientierten Jugendlichen aus einer fremden Position. Allein schon diese Ungleichheit wirkt sich – ohne zusätzliche Einflussnahme durch die Lehrperson – negativ auf die Notengebung aus.

Die neue rote Linie heisst “Menschenwürde”

Weitere Felder, in denen sich bürgerliche Schülerinnen und Schüler im Unterrichtsalltag unwohl fühlen: Der Zwang zum Gendern drückt ihnen eine Sprache auf, welcher sie aktiv widersprechen. Und ein Generalverdacht führt dazu, dass man in Diskussionen wie der Elefant im Porzellanladen oder besser im Schneeflocken-Geschäft aufpassen muss, nicht etwas zu sagen, was die rote Linie der Lehrperson überschreitet. Diese rote Linie wird durch linke Lehrkräfte wunderbar kitschig als “Menschenwürde” definiert.

Viele bürgerliche Schülerinnen und Schüler trauen sich nicht mehr, ihre Meinung im Unterricht zu äussern.

Was sich auf den ersten Blick als vernünftiger Grundsatz für eine funktionierende Gesprächskultur liest, entpuppt sich im Klassenzimmer als extreme Einschränkung für die Meinungsfreiheit der Schülerschaft. Kritik an der Migrationspolitik oder der Ehe für alle oder das Befürworten des Burka-Verbots wird gleich als menschenverachtend diskreditiert. Aus diesem Grund trauen sich viele bürgerliche Schülerinnen und Schüler nicht mehr, ihre Meinung im Unterricht zu äussern.

Wie die Beispiele zeigen, handelt es sich bei der Diskussion um die politische Neutralität der Schule nicht um einen reinen Paragraphenkrieg. Es geht um viel mehr: um das Recht der Schülerschaft, gleichbehandelt zu werden und sich wirklich frei äussern zu können.

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5 Kommentare

  1. Ich lese sehr gerne kritische Condorcet-Artikel, auch, um mich in Bildungsthemen möglichst nicht in einer Filterblase gefangen nehmen zu lassen. Dieser obige Artikel empfinde ich als Fachlehrperson/Coach von Lehrpersonen und Lehrenden als unangenehm abwertend und pauschalisierend um sich schlagend.
    Warum eine Sicht aus der Perspektive von Klimaaktivisten linkslastig sein soll, erschliesst sich aus dem Kontext nicht. Möglicherweise handelt es sich um eine didaktisch eingebettete Reflexionsaufgabe, warum sich Menschen ankleben lassen und leichtfertig ihr Leben aufs Spiel setzen und andere (die dem gleichen Klima ausgesetzt sind) das nicht tun. Sollen sich die Jugendliche (Bezriksschüler!) andererseits nicht auch ihren Geist und Verstand selbst befragen, wie weit Wirtschaftswachstum gehen soll, wenn dabei soziale Errungenschaften auf der Strecke bleiben – frei nach “Geiz ist geil, mir ist egal, woher das Zeug kommt” oder einem anderen “Nach-mir-die-Sintflut-Motto”? Ich sehe darin keine Fragestellung, die eine politische Idee oder einseitiges Gedankengut verfolgt. Wo soll ein “logischer” Fehler in einer daraus resultierenden Ungleichheit zu finden sein, wenn wahrscheinlich die meisten Jugendlichen (zur Erinnerung: auch Bezirksschüler!) weder eine dezidierte noch eine fundierte – in welchem politischen Schema auch immer – Meinung zu diesen “Massenmedien”-Themen haben.
    Vielleicht ist dieser Artikel in einer solchen – eingangs erwähnten – Filterblase selbstreferenzieller Haltungsbeschränkungen entstanden? Wie dem auch sei, er gehört eindeutig nicht in dieses Format.

    1. Ihre Fragen sind durchaus berechtigt. Wir von der Redaktion haben lange über diesen Artikel gesprochen. Dass wir ihn aufgeschaltet haben, ist mit unserem Anliegen begründet, einen Dialog durch alle Schichten der Bildungsbeteiligten zu führen. Hier soll der Professor, mit dem Reallehrer diskutieren, die Kindergärtnerin mit der Sekundarlehrerin, die Bildungsforscherin mit dem Bildungspolitiker und natürlich sollen auch Eltern, Schüler und Studentinnen zu Wort kommen. Inhaltlich halte ich den neutralen Unterricht für einen Mythos. Eine Lehrperson muss nicht neutral unterrichten. Wenn eine Lehrkraft ihren Auftrag allerdings dahingehend versteht, ihre Meinung den Schülerinnen und Schülern zu “überstülpen” hat er ihren Auftrag falsch verstanden. Ganz im Sinne unseres Namensgebers, dem Ehepaar Condorcet, halten wir die Mündigkeit für das eigenliche Ziel. Der Schüler und die Schülerin müssen befähigt werden, sich ihre Meinung zu bilden. Das zu erreichen ist die eigentliche Kunst des politischen Unterrichts. Das andere verpufft schnell. Vielleicht interessiert Sie dieser Beitrag: https://condorcet.ch/2021/01/muendigkeit-ist-nichts-fuer-feiglinge/

  2. Der Beitrag von Mike Biesuz wirft zunächst die Frage auf: Wie definiert er «bürgerlich» und «links»? Die Spannweite der Meinungen ist auf beiden Seiten sehr gross und zum Teil – in einigen Sachfragen – überlappend, wie die Debatten in den eidgenössischen Räten oder eine unterschiedliche Parolenfassung derselben Partei in verschiedenen Kantonen oft zeigen. Schon hier besteht eine Gefahr der Vereinfachung und Pauschalisierung, wenn Lehrpersonen der einen oder andern Seite zugeordnet werden.
    Ein Wort zu den angeführten Beispielen:
    Im Unterricht ist, unabhängig von «bürgerlich» oder «links», die Frage nach der Professionalität entscheidend.

    1. Beispiel: Argumentation im Aufsatz: Eine professionelle Deutschlehrperson hat gelernt, wie eine «stringente Argumentation» formuliert werden muss. Wenn sie sich hier von ideologischen Voreinstellungen leiten lässt, ist nicht die politische Einstellung das Problem, sondern die Professionalität. Die Art der Argumentation lässt sich sehr wohl vom Inhalt trennen. Biesuz müsste also seinen Aufsatz mehreren Deutschlehrkräften und einer andern didaktisch oder journalistisch geschulten Person vorlegen, um zu hören, wie jene seine Argumentation beurteilen. Eine negative Beurteilung a priori als rein politisch einzustufen, ist nicht statthaft, wenn die beurteilende Person fachlich einwandfreie Gründe für ihr negatives Urteil hat.

    2. Beispiel: Rollenspiel Klimadiskussion.
    Tatsächlich ist die Aufgabe, sich in eine Gegenposition hineinzudenken, eine sehr lohnende rhetorische Übung, ohne dass hier gleich Indoktrination vermutet werden muss. Allerdings müssten natürlich beide Positionen vertreten sein. Die kritisch eingestellten Schülerinnen und Schüler müssten die Position der Wirtschaftsfreundlichen einnehmen und umgekehrt. Das zwingt zum Nachdenken und kann sogar helfen, die eigene Position noch klarer zu vertreten. Wiederum wäre eine einseitige Positionierungsübung, wie sie Biesuz beschreibt, schlicht unprofessionell und schon deshalb abzulehnen.

    3. Beispiel: Gendern
    Der Zwang zum sprachlichen Gendern ist längst Mainstream in der akademischen Welt. Journalisten, Studenten, Professoren, Regierungssprecher, Vertretungen der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, der Bauernverbände jeglicher Couleur und jeglicher Geschlechter befleissigen sich pedantisch des Genderns. Dass die Schulen diesen Trend mitmachen, hat deshalb kaum mehr mit «bürgerlich» oder «links» zu tun, sondern vielmehr mit dem Prinzip: «Mit den Wölfen heulen» und sich den Anschein von Geschlechtergerechtigkeit geben. Dies auch von den Lernenden zu verlangen, ist von Lehrerseite her wohl eher «schützende Vorbereitung» auf Lebenssituationen als politische Indoktrination. Es ist zwar umständlich und mühsam, aber seine Meinung kann man auch gegendert zum Ausdruck bringen. Das Jammern über Unterdrückung ist in diesem Fall nicht gerechtfertigt. Formales sollte nicht mit Inhaltlichem verwechselt werden.

    4. Beispiel: Meinungsfreiheit in gesellschaftlichen Fragen
    Biesuz nennt die Themen Migrationspolitik, Burkaverbot, bei denen die rechtsbürgerliche Meinung als «menschenverachtend» von Lehrpersonen abgelehnt und somit faktisch unterdrückt wird. Die genannten Themen bieten interessanten Gesprächsstoff, und die Meinungen unter der Schülerschaft dürften hier weit auseinandergehen, unabhängig von der Einstellung der Lehrperson. Selbst wenn sich die Lehrperson mit Bewertungen zurückhält, was wiederum die Professionalität erfordert, dürfte das Prädikat «menschenverachtend» von den Mitdiskutierenden vorgebracht werden. Die derart Kritisierten könnten dann darlegen, wie sie den Vorwurf entkräften wollen. Sie könnten der Gegenseite ihrerseits Verdrängen von gesellschaftlichen Problemen vorwerfen. Das alles ist nicht Meinungsunterdrückung, sondern ein Merkmal von lebendigen Debatten.

  3. Ich habe während 10 Jahren als Politologe Unterricht in politischer Bildung erteilt und kenne die Problematik. Beim überfliegenden Lesen der betreffenden Matuararbeit ergeben sich für mich die folgenden Aspekte zur Einordnung der Ergebnisse:

    1. Die meisten Klassenverbände haben heutzutage aufgrund der entsprechenden Peer Groups eher “linke” Mehrheiten. Mit der Folge, dass sich eher “rechte” Minderheiten nicht getrauen, ihre Meinung zu äussern. Das hat zwar nichts mit der Lehrperson zu tun, aber die Lehrperson sollte sich dessen bewusst sein und insofern eine ausgleichend moderierende Funktion übernehmen.

    2. Die angesprochenen politischen Inhalte wie Klimaerwärmung, Gender, Diskriminierung/Rassismus uam. werden in der politischen Öffentlichkeit und aufgrund ihrer Aktualität als eher links wahrgenommen, weil sie vor allem von der Linken und den Grünen bearbeitet werden. Diese Codierung als links überträgt sich in den Unterricht.

    3. Die für die Erhebung in der Maturaarbeit verwendeten Begriffe links, rechts, politische Inhalte sind sehr vage definiert. Leicht kann sein, dass ein Schüler im Moment der Erhebung nicht mehr genau um die eigene politische Orientierung weiss. So kann etwa Z.B. links sehr leicht mit kritisch verwechselt werden. Die Ergebnisse der Erhebung ergeben deshalb ein nur sehr ungenaues Bild, welches primär über das Gefühl oder eine Stimmungslage definiert ist.

    4. Über den faktisch ablaufenden Unterricht wird nichts gesagt. Erst dort wäre aber empirisch durch Beobachtung feststellbar, ob das Gebot der politischen Neutralität verletzt wird.

    Meiner Meinung nach ist es eine sehr schöne und engagierte Maturaarbeit, wenn auch mit methodischen Schwächen. Ich bin überzeugt, dass die drei Autoren selbst überrascht waren, dass ihre Arbeit so viel politischen Wind erzeugt. Hingegen sehe ich auch gerade wegen dieser Arbeit keinen Handlungsbedarf für die Arbeit der Lehrpersonen. Nur der eine genannte Punkt müsste verstärkt beachtet werden, dass Minderheiten in der sozialen Dynamik der Klassenverbände durch eine bewusster gepflegte Kultur der Offenheit und Toleranz für Meinungsäusserungen unterstützt werden müssten.

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