6. Dezember 2023

Hirnaktivität von Kindern durch viel Bildschirmzeit gestört

Der Deutschlandfunk hat es in der Vergangenheit nie versäumt, das deutsche Schulsystem ob seiner mangelnden Digitalisierung zu kritisieren. Umso überraschender ist der Beitrag des Senders, den die Redaktion des Condorcet-Blogs für Sie entdeckt hat.

Für manche Eltern mag es eine Entlastung sein, wenn sich die Kleinen Videos oder anderes auf dem Smartphone angucken. Diese Bildschirmzeit kann aber langfristig die Hirnaktivität negativ beeinflussen.

Forschende aus Singapur haben mit einer Langzeitstudie untersucht, wie sich die Nutzung von Fernsehen oder Smartphones auf Kleinkinder auswirken. Dazu haben sie 437 Kinder seit der Schwangerschaft ihrer Mütter begleitet.

Gastautorin Sonja Meschkat vom Deutschlandfunk

Im Alter von 12 Monaten haben die Forschenden die Mütter nach dem Bildschirmkonsum ihrer Kinder befragt. Als die Kinder 18 Monaten alt waren, haben die Forschenden Elektroenzephalogramme (EEG) ihrer Hirnströme erstellt. Im Alter von 9 Jahren haben die Kinder an einer neuropsychiatrischen Untersuchung teilgenommen und ihre Lehrer und Lehrerinnen wurden zu ihrem Verhalten befragt. Die Forschenden wollten so herausfinden, wie sich die Bildschirmzeit auf ihre Hirnaktivität, aber auch auf ihre Konzentrationsfähigkeit, Impulsivität und die Fähigkeit, Aufgaben zu lösen, auswirkt, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck.

Ihre Ergebnisse haben sie Ende Januar 2023 in der Fachzeitschrift Neuroscience vorgestellt.

Weniger aufmerksam und konzentriert

In den EEG habe sich gezeigt, dass die Hirnströme sich durch viel Bildschirmzeit verändert haben. So gebe es mehr langsamere Wellen, die laut der Forschenden für eine schlechtere Aufmerksamkeitskontrolle oder eben Konzentrationsfähigkeit verantwortlich sein können. Die Kinder können dann Aufgaben weniger gut priorisieren, sich nicht so gut oder lange fokussieren, schweifen leichter ab oder verlieren schneller das Interesse an mehrstufigen Aufgaben, erklärt Henning Beck. “Das setzt sich dann bis ins spätere Leben fort, also bis zum Alter von neun Jahren”, so der Neurowissenschaftler.

Die Hirnströme der Kinder verändern sich durch viel Bildschirmzeit

In der Regel sei die Entwicklung bei Kindern so, dass sie sich mit zunehmendem Alter besser oder länger auf Aufgaben konzentrieren können. Daraus leitet sich auch die Schulfähigkeit ab dem sechsten oder siebten Lebensjahr ab. “Diese kognitiven Kontrollfunktionen werden eigentlich immer besser mit der Zeit”, sagt Henning Beck. Aus seiner Sicht ist das Erschreckende an der Studie, dass genau diese Fähigkeit durch Technik oder Smartphone-Nutzung gestört wird.

Zur Handlungsunfähigkeit trainiert?

Der ständige Informationsfluss und die immer neuen Angebote in Form von Apps hindere die Kinder daran, ihre “exekutiven Funktionen zu trainieren”. Das sind Funktionen, die dafür sorgen, dass eintreffende Informationen genutzt werden, um eigene Entscheidungen zu treffen. Diese Funktionen seien wichtig, um eigene Handlungsziele zu entwickeln und umzusetzen.

    “Die durchschnittliche Bildschirmzeit von Einjährigen lag bei zwei Stunden am Tag in dieser Studie.”

Dr. Henning Beck, Neurowissenschaftler und Biochemiker

Das bedeute aber nicht, dass Smartphones für Kinder jetzt ganz verboten werden müssten, meint Henning Beck, sondern dass sie dosiert genutzt werden sollten. Das empfiehlt der Neurowissenschaftler aber nicht nur für Kindern, sondern auch für Erwachsene. “Dass man immer Zeiten oder Räume hat, in denen man solche Geräte nicht nutzt”, sagt der Neurowissenschaftler. So können wir unser Gehirn darauf trainieren, in diesen Räumen oder Zeiten besser abzuschalten oder uns besser zu konzentrieren.

 

Verwandte Artikel

Quo vadis, Gymnasium? oder Abzocke auf bernisch

Eigentlich eine unfassbare Geschichte aus dem Kanton Bern: Da werden für Maturaprüfungen von den Eltern horrende Gebühren erhoben und, obwohl diese nicht stattgefunden haben, als Aufwandsentschädigung verbucht. Dass es im Kanton Bern überhaupt solche Gebühren gibt, wusste nicht einmal unser Condorcet-Autor Alain Pichard, der doch Kinder hat mit einer Berner Matur in der Tasche.

Individualisierung des Unterrichts

Schulen vergeuden zu viel Potenzial

Schüler und Schülerinnen sollten in den Selektionsfächern Deutsch und Mathematik im selbstgewählten Tempo arbeiten dürfen. Damit würden Unter- und Überforderungen wegfallen. Wir bringen einen Meinungsartikel der Pädagogin und Leiterin eines Montessori-Kindergartens in Feldmeilen am Zürichsee, Clarita Kunz Matossi. Er ist am 7.8.2023 in der NZZ erschienen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert