18. November 2024

Nach Silvester-Krawallen: Deutscher Lehrerverband fordert Höchstquoten für Migrantenkinder an Schulen

BERLIN. Nach den Ausschreitungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Berlin und anderen Städten zu Silvester ist eine Debatte um die Integration (auch) in Bildungseinrichtungen entbrannt. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sprach sich dafür aus, Höchstquoten für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen festzulegen. «Wir haben ein Integrationsproblem in Deutschland, welches sich natürlich auch an den Schulen abspielt», sagte Meidinger der «Bild». Diesen Bericht entnahmen wir der Plattform news4teachers. Die Redaktion des Condorcet-Blogs ist gegenüber Quotenregelungen eher skeptisch eingestellt, möchte aber die Diskussion durchaus führen. Vielleicht kommen ja aus der Leserschaft einige Ideen.

Die Vorfälle der Silvesternacht seien eine „Frage der Werteerziehung“, so Meidinger. Viele Elternhäuser würden diese Art der Erziehung heute nicht mehr leisten oder diese an die Schulen übertragen. Wenn Integration erfolgreich sein solle, sagte Meidinger, müssten «verpflichtende vorschulische Förderung, flächendeckende Sprachstandtests und Migrationsquoten» eingeführt werden. Integration gelinge nicht, wenn zum Beispiel in Klassen an Brennpunktschulen zu 95 Prozent nicht-deutsche Schüler vertreten seien, zitiert ihn die Zeitung.

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands

Wie hoch die Quote sein sollte, sagte Meidinger der «Bild» allerdings nicht. Seiner Meinung nach nehmen ab einem Anteil von 35 Prozent von Kindern mit Migrationshintergrund in einer Klasse «die Leistungen überproportional» ab. Die Lehrer würden ihr Bestes geben, die Erziehung nachzuholen. «Aber ohne die Zusammenarbeit mit den Eltern kämpfen sie hier oft auf verlorenem Posten.»

Die Kinder müssten dann mit Bussen auf andere Schulen verteilt werden, um bestimmte Quoten zu erreichen

Der Vorschlag, die Migrationsquote in Klassen zu begrenzen, ist nicht neu. Bereits 2017 war die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) entsprechend vorgeprescht – ohne dass dies politisch zu Konsequenzen geführt hätte. «Abstrus und illusorisch» nannte der Verband Bildung und Erzieherin (VBE) seinerzeit eine solche Quotierung. Wankas Idee würde bedeuten, bestehende Klassen in Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Familien mit Zuwanderungsgeschichte aufzulösen. Die Kinder müssten dann mit Bussen auf andere Schulen verteilt werden, um bestimmte Quoten zu erreichen.

Özcan Mutlu, Grünen-Politiker in Deutschland: Bussing ist rechtlich gar nicht möglich.

Ein solches «Bussing» sei in Deutschland rechtlich nicht möglich und in vielen Staaten bereits gescheitert, wandte Özcan Mutlu ein, seinerzeit bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Er warf Wanka vor, «die Realität in unserem Land» zu verkennen. Nicht die Kinder und Jugendlichen mit anderen Muttersprachen seien das Problem der deutschen Schulen, sondern die mangelnde personelle Ausstattung und Sprachförderung.

In die gleiche Kerbe schlägt jetzt Berlins Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial, Sie hat eine deutlich bessere Ausstattung der Präventions- und Bildungsarbeit in sozial benachteiligten Stadtteilen angemahnt. Es könne nicht sein, dass gerade dort die Ressourcen sowie die Lehrerinnen und Lehrer «immer am Limit sind», sagte sie der «taz» zur Diskussion über die Gewalt in der Silvesternacht.

Es brauche zudem eine Debatte darüber, «wie eine Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik aussehen muss, die auf eine Migrationsgesellschaft ausgerichtet ist». Dabei sei nicht die ethnische Herkunft in den Blick zu nehmen, sondern die soziale. «Es geht um abgehängte Jugendliche – und zwar um unsere Jugendlichen», so Niewiedzial. Die Situation in den Berliner Schulen sei katastrophal. «Es fehlt an neuen Schulgebäuden, technischer Ausstattung und mehr Personal, das die Lebensrealitäten der jungen Menschen besser versteht. Es muss uns gelingen, den jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu geben», sagte Niewiedzial.

Katarina Niewiedzial, Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration

Wer die Gewalt in der Silvesternacht zu einem Ausländerthema machen wolle, entgegne sie: «1,4 Millionen Menschen in Berlin haben einen sogenannten Migrationshintergrund, das sind 38 Prozent. Wir tun dieser Gruppe Unrecht, wenn wir sie in Gänze stigmatisieren und kriminalisieren.»

Nach den Angriffen in der Silvesternacht hatte die Polizei in Berlin 145 Menschen vorläufig festgenommen, inzwischen sind sie wieder auf freiem Fuß. Die meisten davon sind junge Männer. Etwa zwei Drittel sind nach Polizeiangaben unter 25 Jahre alt, 27 noch minderjährig. Der Polizei zufolge wurden 18 verschiedene Nationalitäten erfasst. 45 der Verdächtigen haben die deutsche Staatsangehörigkeit, 27 die afghanische Nationalität und 21 seien Syrer. Auch in anderen deutschen Städten gab es offenbar Krawalle – in welchem Ausmaß ist unklar. Das Bundesinnenministerium will nun ein deutschlandweites Lagebild erstellen lassen. Aus einigen größeren Bundesländern seien dafür noch keine Zahlen eingegangen, weshalb dies noch einige Tage in Anspruch nehmen könne, sagte ein Sprecher.

«Wer die notwendige Debatte ausnutzt, um auszugrenzen, löst das Problem nicht, sondern verstärkt es»

Die «Bild» nimmt das Geschehen zum Anlass, seit Tagen eine Kampagne zu «gescheiterter Integration und Migration» zu fahren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) postete dazu auf Twitter: «Wir müssen gewaltbereiten Integrationsverweigerern in unseren Städten die Grenzen aufzeigen: mit harter Hand und klarer Sprache. Aber ohne rassistische Ressentiments zu schüren. Wer die notwendige Debatte ausnutzt, um auszugrenzen, löst das Problem nicht, sondern verstärkt es.»

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nannte die Vorfälle in der Silvesternacht «absolut unakzeptabel und zu verurteilen und konsequent zu verfolgen». Als Antwort auf die „massive Respektlosigkeit» und die Gewalt brauche es einen «Mix aus ausgestreckter Hand und Stopp-Signal», forderte Giffey im rbb24 Inforadio (https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/01/berlin-silvester-krawalle-giffey-gipfel-jugendgewalt.html). Taten müssten konsequent und schnell bestraft werden.

Die Ursache der Silvesterkrawalle sehe sie nicht in der Migrationsgeschichte von Beteiligten, sondern im sozialen Umfeld, betonte Giffey. Schließlich seien fast alle «Berliner Kinder», die hier geboren und aufgewachsen seien, so Giffey am Mittwoch auf einem Termin in der Polizeidirektion Lichtenberg. «Wir reden ja nicht über die Einwanderungsmarke, sondern über das, was in den sozialen Brennpunkten schiefgelaufen ist. » Sie forderte eine Stärkung der Jugendlichen in entsprechenden Vierteln der Stadt. Giffey kündigte an, zu einem Gipfel gegen Jugendgewalt einladen zu wollen.

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Ein Kommentar

  1. Migration kann nur gelingen, wenn migrantenseits der Wille dazu da ist und der fehlt z. B. bei der Krawallgruppe von Berlin und andernorts gänzlich. Das ist das Problem. Der Flaschengeist ist draussen und kehrt nicht wieder in die Flasche zurück.
    Gegenmittel? Schärfere Gesetzgebung und Durchsetzung derselben.

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