Rankings sind in unserer Gesellschaft äusserst beliebt. Wir mögen es, Sachen in eine Reihenfolge zu bringen, sie von Platz 1 bis 10 durchzusortieren – sei es bei der Hotelsuche oder der Wahl des hartnäckigsten Putzmittels.
Meist beschränken sich die Bestenlisten auf Produkte, die in der freien Marktwirtschaft zu finden sind. Die Basler Freisinnigen, als Partei des Wettbewerbs, gehen nun aber so weit, dass sie die Volksschulen öffentlich bewertet haben wollen. Die Bildung ist ihr neues Steckenpferd.
Kantonalpräsident Johannes Barth eröffnete den FDP-Parteitag am Montagabend in der Basler Kaserne mit einer flammenden Rede über die «schlechte Basler Schule». Sie sei vielleicht «ein Traum von Bildungstechnokraten», aber «ein Albtraum» für den Wirtschaftsstandort Basel. Er verweist auf die schweizweiten Vergleiche, in denen die Basler Schule regelmässig sehr schlecht abschneidet.
Bei einem Vergleich im Jahr 2016 scheiterten 57 Prozent aller basel-städtischen Schüler beim Mathetest. Kein anderer Kanton erzielte einen so schlechten Wert. So gehe es nicht, macht Barth klar. Nach zehn Jahren steht für ihn fest: Die «sogenannte Integrative Schule ist gescheitert. Der Traum, wieder restlos alle Kinder auf Biegen und Brechen in die Regelklassen zu integrieren, ist geplatzt.»
Obendrauf komme noch der Lehrermangel – «ein grosses Problem, das in Basel wie gewohnt kleingeredet wird», so Barth. Die Probleme der Basler Schule löse man nicht, indem man sie «aussitzt, schönredet oder auf den grossen Wurf hofft». Man müsse jetzt handeln. Und genau das hat die Basler FDP vor – mithilfe des Wettbewerbs.
Schäfer gibt Lehrern die Schuld
Neuerdings soll es eine Art Sekundarschulranking geben, an dem sich Eltern orientieren können, bevor sie sich entscheiden, wohin sie ihre Kinder schicken. Die Basler FDP fordert, dass die Ergebnisse der Leistungschecks in der Sekundarstufe für jedes Schulhaus einzeln veröffentlicht wird. Auch zur Performance soll zählen, wie gut die Sekundarschüler anschliessend im Gymnasium oder in der Fachmittelschule performen. Wenn beispielsweise eine Schülerin im Vogesen-Schulhaus stets sehr gute Noten hat und im Gymi plötzlich abfällt, würde sich das auf die Bewertung des Vogesen-Schulhauses negativ auswirken.
Bislang herrsche bei den Leistungsniveaus der Schulstandorte eine «Blackbox» vor, sagt Elias Schäfer, der im Vizepräsidium der Basler FDP sitzt. Er vermutet grosse Unterschiede. Was aber sagen die Leistungschecks der Schüler pro Sek genau aus? Ist es denn nicht so, dass in manchen Schulhäusern signifikant stärkere Schülerinnen und Schüler zu finden sind als in anderen – etwa, weil am einen Ort deutlich mehr Akademikerfamilien zu Hause sind als am anderen?
«Nein», sagt Elias Schäfer. «In der Primarstufe spielt die sozioökonomische Zusammensetzung des Quartiers noch eine Rolle, aber in der Sekundarstufe nicht mehr. Dort müsste sie ungefähr normalverteilt sein, weil man sich nicht mehr für die nächstgelegene Schule, sondern für die mit dem passenden Konzept entscheidet.»
Sollte das stimmen, lautet die zentrale Frage: Woher kommen denn die von Schäfer vermuteten Unterschiede zwischen den Schulstandorten? Liegt es an der Qualität der Lehrer? «Wahrscheinlich schon», sagt Schäfer. «Natürlich hängt das Leistungsniveau der Schulen unter anderem davon ab, wie gut der Lehrkörper ist.» Auch andere Faktoren wie die Sprachkompetenz würden da mit hineinspielen, aber «wir haben es uns in den letzten Jahren ein bisschen einfach gemacht, indem wir immer sagten, wir hätten halt viele fremdsprachige Kinder».
«Wir produzieren Menschen und keine Schrauben, die nachher zertifiziert werden.»
Jean-Michel Héritier, Präsident Freiwillige Schulsynode Basel
Diametral anders als Schäfer schätzt der oberste Lehrer im Kanton die Situation ein. Jean-Michel Héritier, Präsident der Freiwilligen Schulsynode Basel, sagt: «Ich denke nicht, dass die Qualität der Schulen unterschiedlich ist.» Alle hätten den gleichen Lehrplan. Die Lehrpersonen hätten die gleiche Ausbildung, und die Unterrichtsmodelle seien nicht gross verschieden. Solche Rankings seien «immer problematisch, denn wir produzieren Menschen und keine Schrauben, die nachher zertifiziert werden».
SP-Grossrätin Franziska Roth, Präsidentin der Bildungskommission im Grossen Rat, geht noch weiter und bezeichnet die Idee eines Rankings als «völlig daneben. Wenn wir das machen, sind wir keine Volksschule mehr.»
Ähnlich wie Héritier argumentiert sie, dass Leistungschecks stets Momentaufnahmen seien und vieles nicht berücksichtigen würde – «etwa, ob die Kinder in der Lage sind, sich selbst Informationen zu beschaffen, oder welche sozialen Skills sie mitbringen». Ausserdem dürften die Kinder ihren Sekundarschulstandort bereits heute wählen. «Wenn es nun Rankings gibt, dann wollen alle ins gleiche Schulhaus. Und dann? Soll man dort aufstocken oder anbauen?» An diesem Punkt, antwortet Schäfer, seien «Regierung und Verwaltung in der Pflicht, diese Leistungsunterschiede auszugleichen».
Nur sechs Wünsche wurden nicht erfüllt
Tatsächlich ist es schon jetzt so, dass die angehenden Sekundarschüler drei Präferenzen angeben können, in welches Schulhaus sie gehen möchten. Der Mediensprecher des Erziehungsdepartements, Simon Thiriet, teilt auf Anfrage mit, dass man dieses Jahr lediglich sechs von insgesamt 1527 Schülerinnen und Schülern keinen der drei Standortwünsche erfüllen konnte. Das entspricht 0,39 Prozent. Was das Erziehungsdepartement von öffentlichen Schulrankings hält, hat es schon früher kundgetan. Journalistische Anfragen zur Einsicht in die späteren Schulerfolge der Sekschulabgänger je nach Quartier tat es bereits vor Jahren mit der Begründung ab, es handle sich um heikle Daten. Das hat sich in der Zwischenzeit nicht geändert. Das zentrale Ziel der Checks sei es, die einzelnen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler – «unabhängig von ihrer Lehrperson, ihrer Klasse und Schule» zu messen, schreibt Simon Thiriet. «Sie sind also ausdrücklich nicht zur Performance-Messung von Schulstandorten vorgesehen, und das möchten wir auch in Zukunft so handhaben.»
Die FDP täte gut daran, die wahren Sündenböcke der verfehlten Basler Schulpolitik zu benennen, nämlich die Kollegen aus der ebenfalls bürgerlichen Schwesterpartei LDP.
Mit Test-Rankings in BS die marode Sekundarschule aufmöbeln? Die Politik liebt solche populistischen Rezepte. Erst hat man den Schulen «Kompetenzen» verordnet, dann ein französisches «Sprachbad», ein revolutionäres «Mathbu.ch», «Digitalisierung», «jahrgangsübergreifende Lernateliers». Die FDP zog immer mit. Stets wurde behauptet, die Schule werde besser, die Chancengleichheit steige. Offenbar alles vergebens! Deshalb müssen Rankings her. Den faulen Sekundarlehrern Feuer unterm Hintern machen! Allerdings gibt es Rankings intern seit über 20 Jahren. Regelmässig wurden Massnahmen ergriffen. Wirkung? Null. Der Fehler der Bildungspolitik ist immer derselbe: Die Ursachen, warum ein unbefriedigender Zustand herrscht, werden nie vorurteilsfrei analysiert. Stattdessen werden irgendwelche modisch griffigen Bauchgefühl-Lösungen aus dem Hut gezaubert, ohne zu bemerken, dass diese nur Wirbel verursachen, aber noch nie etwas Vernünftiges bewirkt haben. Soll doch die FDP eine eigene Pilot-Sekundarschule gründen und beweisen, dass sie es besser kann!