19. April 2024

Sicherheit und Fairness von Online-Prüfungen

Der Beitrag unseres Gastautors, Heiko Knospe, beleuchtet ein brisantes Thema im Zeitalter der Pandemie. Der Mathematikprofessor weist auf die vielen Manipulationsmöglichkeiten hin, die sich bei Onlineprüfungen ergeben können.

Heiko Knospe, Professor für Mathematik in der Nachrichtentechnik, Technische Hochschule Köln: Risiken abwägen.

Online-Prüfungen sind die Achillesferse des Lehrbetriebs unter Pandemiebedingungen. Die aktuellen e-Learning Systeme sind kaum geeignet, faire und sichere Prüfungen zu gewährleisten. Neben technischen Problemen wie Netzwerkstörungen, hoher Last auf Prüfungsservern und unzuverlässiger Software sind vor allem die allzu einfachen Täuschungsmöglichkeiten kritisch. Die Feststellung der Identität über die Anmeldung zu Prüfungssystemen ist unzureichend, denn diese Daten können weitergegeben werden. Eine Video-Identifikation ist aufwändig und auch nur dann halbwegs sicher, wenn die Kamera während der kompletten Prüfung angeschaltet bleibt und die Bilder permanent überwacht werden. Wegen des hohen Aufwands und der ungeklärten Datenschutz-Fragen wird auf die Videoüberwachung häufig ganz oder teilweise verzichtet. Online-Proctoring Software, die den Rechner des Prüflings überwacht, hat sich an den meisten Hochschulen nicht durchsetzen können.

Bei Online-Prüfungen muss daher in vielen Fällen davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer das Internet und elektronische Unterlagen nutzen und untereinander oder mit Dritten kommunizieren können.

Bei Online-Prüfungen muss daher in vielen Fällen davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer das Internet und elektronische Unterlagen nutzen und untereinander oder mit Dritten kommunizieren können. Der Nachweis dieser Täuschungen ist schwierig und manchem Prüfer ist das Spektrum der technischen Möglichkeiten womöglich gar nicht bekannt. Aus gutem Grund sind bei den meisten Prüfungen keine oder nur wenige Hilfsmittel und keine gegenseitige Kommunikation erlaubt. Online-Prüfungen müssen unter diesen Bedingungen deshalb anders konzipiert werden, beispielsweise als Open-Book Ausarbeitungen mit personalisierten Aufgaben. Dies ist (insbesondere in den Grundlagenfächern) in vielen Fällen aber gar nicht möglich oder nicht sinnvoll.

Die einfachen Täuschungsmöglichkeiten werden auch das Verhalten derjenigen beeinflussen, die an sich ehrlich bleiben wollen, aber sich dann im Nachteil sehen.

Die technischen Anforderungen und die Möglichkeit von Störungen während einer Online-Prüfung erzeugen bei den Studierenden zusätzliche Unsicherheit und Druck. Die einfachen Täuschungsmöglichkeiten werden auch das Verhalten derjenigen beeinflussen, die an sich ehrlich bleiben wollen, aber sich dann im Nachteil sehen. Hier darf man nicht naiv sein: die Prüfungen in manchen Fächern verlangen eine wochenlange Vorbereitung und die Chance, sich ohne allzu großes Risiko einen Vorteil zu verschaffen, wird auch genutzt werden. Die Folgen für die Integrität, Vergleichbarkeit und Reputation von Prüfungen und Abschlüssen sind offensichtlich.

Sind Online-Prüfungen während der Pandemie alternativlos? Während eines Lockdowns wird man die Risiken sicher sorgfältig abwägen müssen. Verschiebungen von Präsenzklausuren um einige Wochen oder Monate können eine Option sein. Mündliche Online-Prüfungen mit laufender Sprach- und Video-Kommunikation zwischen Prüfer und Prüfling sind weniger riskant als schriftliche oder elektronische Prüfungen, die zu Hause unter unsicheren Rahmenbedingungen ablaufen.

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Ein Kommentar

  1. …das ist politisch gewollt:
    1. die Hochschulen haben an hohen Durchfallzahlen kein Interesse, da ihnen dann der Geldhahn
    1. die Hochschulen sind an der korrekten Durchführung von Prüfungen weitgehend nicht interessiert, da ihnen bei steigenden Durchfall- oder Abbruchzahlen seitens der Landesregierung der Geldhahn zugedreht wird
    2. die verantwortlichen Bildungspolitiker sich den allgemeinen Niedergang des deutschen Bildungswesens (selbst die Wochenzeitschrift DIE ZEIT berichtete unlängst über dessen Absturz) nicht auf die Fahnen schreiben lassen wollen, schließlich ist die Wiederwahl das oberste Ziel. Da gibt man den potentiellen Wählern lieber das, was sie haben wollen: die gewünschten Zertifikate
    3. Längst bekannte Dinge wie die epidemische Ausbreitung von Plagiaten, der Siegeszug der Ghostwriting Agenturen, die wundersame Vermehrung von Dissertationen und deren Bestnoten, die wundersame Vermehrung von wissenschaftlichen Journalen und Pseudojournlen oder die wundersame Vermehrung der Studiengänge einfach unter den Teppich gekehrt werden. Wer heute noch eine Hausarbeit selbst schreibt, ist der Dumme.
    (Alles durch Zahlen ausführlich belegt in: “Abitur und Bachelor für alle – wie ein Land seine Zukunft verspielt”, zuKlampen Verlag)

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