29. März 2024

Kritik an der PH in Muttenz geht in die nächste Runde

2024 soll die FHNW einen neuen Leistungsauftrag erhalten. Jetzt werden Stimmen laut, welche fordern, dass dieser einen besseren Praxisbezug des Lehrkörpers an der Pädagogischen Hochschule sicherstellt. Wir bringen hier einen Beitrag der am 3.11. in der bzbasel erschienen ist.

Seit Jahren steht die Pädagogische Hochschule (PH) in Muttenz in der Kritik – besonders an Praxiserfahrung scheint es zu fehlen. Diesen Eindruck erhält jedenfalls, wer sich die Motion «Praxisbezug im Lehrkörper der FHNW» von Grünen-Landrat Klaus Kirchmayr anschaut.

Vor allem der Bereich Didaktik leide darunter, schreibt Kirchmayr: «Wenn Didaktik-Dozierende ohne praktische Unterrichtserfahrung angehende Lehrpersonen in die Tricks des Unterrichtsalltags einführen sollen, dann ist das nicht selten mit einem Glaubwürdigkeitsproblem verbunden.» Damit sich die Situation verbessert, fordert Kirchmayr in der Motion, dass die Erteilung des nächsten Leistungsauftrags der Regierung an Bedingungen geknüpft wird: Mindestens 75% des Lehrkörpers sollen über ein Minimum von fünf Jahren Unterrichtspraxis verfügen.

Ohne genügende Unterrichtserfahrung angehende Lehrpersonen im Unterrichten zu unterrichten, ist einfach nicht glaubwürdig.

Klaus Kirchmayr. Kantonsparlament BL, Grüne: Da gibt es ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Studenten studieren lieber an anderen PHs

«Die neue Leitung ist nicht mehr so wissenschaftlich und deutlich praxisorientierter als früher und auf frühere Kritik hin wurden mehr Praktika ins Studium integriert», gibt Kirchmayr zu. Trotzdem kenne er in seinem Umfeld persönlich einige Personen, die wegen der Situation an andere PHs ausgewichen seien. Es gebe diverse Professorinnen und Dozenten mit keiner oder sehr wenig praktischer Unterrichtserfahrung, welche Didaktik unterrichteten. «Ohne genügende Unterrichtserfahrung angehende Lehrpersonen im Unterrichten zu unterrichten, ist einfach nicht glaubwürdig. Es fehlt der Bezug zur gelebten Praxis», so Kirchmayr.

Mit seinen Eindrücken und seiner Kritik sei er nicht allein, betont Kirchmayr:

«In allen vier Trägerkantonen bin ich auf viel Unterstützung für das Anliegen gestossen und entsprechende Vorstösse wurden eingereicht.»

FDP-Landrat Marc Schinzel, Mitglied der interparlamentarischen Kommission der Trägerkantone der FHNW, ist das Problem schon lange bekannt. «Es wird immer wieder beanstandet, auch von Absolventen.» Das zeige, dass die Kritik der fehlenden Praxisorientierung nicht von irgendwelchen Stereotypen geleitet sei, sondern von innen komme. Auch er kenne wie Kirchmayr einige Personen, die wegen der Kritik an der PH anderswo in der Schweiz studiert haben. «Das darf nicht sein», sagt Schinzel und fordert, dass jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden, denn: «Wir schleppen dieses Problem schon lange mit uns herum.»

Auch vom Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland, dem Berufsverband der Baselbieter Lehrpersonen, erhält Kirchmayrs Forderung Rückenwind. PH-Studierende monieren seit Jahren, dass eine Vielzahl PH-Dozierender im Bereich Fachdidaktik über zu wenig oder keine praktische Berufs- und Unterrichtserfahrung verfügen. «Sie kennen also den realen Schulbetrieb gar nicht», sagt Philipp Loretz, Vizepräsident des Lehrervereins Baselland (LVB).

Philipp Loretz, Vize-Präsident LVB, Sekundarlehrer: Früher wurden angehende Lehrpersonen von Dozierenden ausgebildet, die über eine langjährige Berufserfahrung verfügten.

Verwissenschaftlichung entfernt von der Praxis

Das sei früher anders gewesen, erklärt Loretz und ordnet die Situation historisch ein: «Vor der Entstehung der Pädagogischen Fachhochschulen in den frühen 2000er-Jahren wurden angehende Lehrpersonen von Dozierenden ausgebildet, die über eine langjährige Berufserfahrung verfügten oder sogar aktiv im Schuldienst standen.» Mit der Verwissenschaftlichung an den PHs sei dieses praxisorientierte Setting zunehmend entsorgt worden:

«Die hohen Anforderungen an geleistete akademische Arbeiten verunmöglichen es praxiserfahrenen Lehrpersonen, sich berufsbegleitend zu Fachdidakterinnen und Fachdidaktikern weiterbilden zu lassen.»

Welcher Anteil der Lehrkräfte im Bereich der Fachdidaktik über die als so wichtig empfundene, mehrjährige Unterrichtserfahrung verfüge, könne er nicht sagen, so Irgl, denn: «Separate Zahlen zur Fachdidaktik liegen nicht vor.»

Mit der Kritik konfrontiert, betont PH-Sprecher Christian Irgl: «Über 71% der Lehrenden der PH FHNW verfügt über ein Lehrdiplom und mehrjährige Praxiserfahrung». Auf Nachfrage hin präzisiert Irgl: «Mehrjährige Praxiserfahrung heisst mindestens drei Jahre. Sie liegt in der Regel höher.» Mit anderen Worten: Dass fast ein Drittel des Lehrkörpers über keine praktische Unterrichtserfahrung verfügt, ist für FDP-Landrat Schinzel «offensichtlich ein Problem». Sprecher Irgl betont, dass für die Lehrkräfte der PH bezüglich Qualifikationen die verbindlichen Reglemente und Vorgaben der Schweizer Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren gelten. Diese sähen vor, dass die Dozentinnen und Dozenten einer PH über einen Hochschulabschluss im zu unterrichtenden Fachgebiet, hochschuldidaktische Qualifikationen sowie «in der Regel» über ein Lehrdiplom und Unterrichtserfahrung auf der Zielstufe verfügen. «Weiter möchte ich anmerken, dass die PH FHNW mit den Praktika-Anteilen an die Obergrenzen der Vorgaben geht.»

Keine konreten Zahlen

Welcher Anteil der Lehrkräfte im Bereich der Fachdidaktik über die als so wichtig empfundene mehrjährige Unterrichtserfahrung verfüge, könne er nicht sagen, so Irgl, denn: «Separate Zahlen zur Fachdidaktik liegen nicht vor.»

www.bzbasel.ch/lehrerausbildung-nicht enden-wollende-kritik-n der paedagogischen-hochschule-in-muttenz-geht-in-die-naechste-runde-Id.2207838

Verwandte Artikel

Mathe im Griff

Die Deutsche Telekom Stiftung vereinnahmt zunehmend den Mathematikunterricht in Deutschland. Der Staat macht mit, schreibt Wolfram Meyerhöfer, deutscher Mathematikdidaktiker in Potsdam (D).

3 Kommentare

  1. Oder würden Sie als Passagier zu mir ins Segelflugzeug steigen, wenn ich Ihnen eröffnen müsste, dass ich noch gar nie geflogen bin?

  2. Wie man u.a. auf diesem Blog (Fundamentalkritik an der FHNW) nachlesen kann, steht die FHNW und insbesondere die PH seit Jahren in der Kritik. Dabei geht es um eine “sehr breite Palette verschiedener Themen”, aber im Grunde genommen geht es immer um dieselben Punkte:
    1. Fehlender Praxisbezug: Viele der theoretischen Konzepte sind zwar gut und wichtig, wie diese dann aber konkret in die Unterrichtspraxis einfliessen sollen, bleibt häufig unklar. Die PH hat aufgrund der Kritik für mehr Praktika gesorgt, dass ändert meiner Meinung nach aber nichts an den unterrichtsfernen Inhalten vieler Module und verschärft die organisatorische Überforderung.
    2. Qualität: zum Teil sind Dozierende praxisfern, die Unterrichtsqualität/Veranstaltungs-gestaltung ist schlecht und immer wieder kommt es zu Machtgehabe, unprofessionellem und wenig respektvollem Verhalten gegenüber der Studierenden und sogar den eigenen Koleg*innen. “Da gibt es haarsträubende Geschichten wie Sand am Meer”, wie ein Leser im oben genannten Artikel zitiert wird.
    3. Organisatorische Überforderung
    Ich habe zum Teil das Gefühl, ich müsste schon nur für die Organisation des Studiums eine eigene Ausbildung haben. Von der Anmeldung zur Studienplanung bis hin zur Organisation der einzelnen Module kann man sagen: die PH ist chaotisch, unübersichtlich, uneinheitlich und unbarmherzig. Aus zig PDF Dateien die an unterschiedlichen Orten abgelegt sind, natürlich in jedem einzelnen Modul an anderen Orten, muss man sich die Organisation und Aufträge zusammenklauben. Die Organisation kann sich Verändern, pech hat wer den Forumsbeitrag oder die E-Mail mit der entsprechenden Weisung übersehen hat. Die Aufträge sind zum Teil auch nicht mehr aktuell, weil das Dokument von 2018 nicht angepasst wurde, was die Dozierenden selbst oft erst auf Nachfrage realisieren und korrigieren. Die Behauptung der PH, sie sei gut vereinbar mit Beruf und Familie ist lachhaft. Der Workload zusammen mit dem organisatorischen Aufwand und den vielen semesterlangen Gruppenarbeiten in verschiedenen Modulen ist erdrückend.
    Aber wehe Student*innen halten sich nicht genau an die Vorgaben und Fristen.

    Ob und wie die PH ihre Qualitätskontrolle durchführt und ob an den Zuständen endlich etwas geändert wird, ist für mich nicht ersichtlich.
    Eine funktionierende studentische Vertretung hat die PH im Gegensatz zu anderen Instituten der FHNW im Übrigen auch nicht.

Schreibe einen Kommentar zu Jasmin Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert