26. April 2024

Es geht um mehr als um die Entlassung eines Lehrers

Markus Häni, 56 Jahre alt, Kantonsschullehrer in Wohlen (Kt. Aargau) unterrichtete 15 Jahre lang Latein und Geschichte, bevor er im Februar dieses Jahres von seiner Schulleitung freigestellt wurde. Alain Pichard unterhielt sich mit ihm. Ein Gespräch über die demokratischen Rechte von Lehrkräften im Zeitalter von Corona.

Alain Pichard. Lehrer Sekundarstufe 1, Orpund (BE): Realitätsferne Konzepte
Markus Häni, Kantonsschullehrer: So weit sind wir schon.

Condorcet

Markus, du unterrichtest Latein, eine Sprache die unter Druck geraten ist. Weshalb sollte man heute immer noch Latein lernen?

Häni

Es ist dieser puzzlehafte, logische Aufbau, den du, wenn du mal den Schlüssel entdeckt hast, schnell erkennst. Latein fördert viele Kompetenzen. Es verlangt genaues Hinsehen, systemisches Denken und ist ausserordentlich wichtig für Sprachvergleiche. Ganz abgesehen von den wunderbaren Quellentexten in unserer römisch-katholischen Kultur.

Condorcet

Nun kannst du diese Sprache nicht mehr unterrichten, weil du aufgrund eines politischen Auftritts zu den Coronamassnahmen die Kündigung erhalten hast. Zurzeit engagierst du dich als freigestellter Lehrer in dem Verein «Freunde der Verfassung», einer neuen Gruppierung. Wie war das früher? Warst du schon immer politisch aktiv?

Häni

Ich war bei der Besetzung in Kaiseraugst dabei, als junger bewegter Geist. Dabei blieb es. Ich schloss mich nie einer politischen Bewegung oder Partei an, wählte aber konsequent linksgrün und stimmte für ökologische Anliegen.

Condorcet

Dann kam Corona und mit ihm der erste Lockdown. Wir haben abgemacht, dass wir hier keine Corona-Diskussion im eigentlichen Sinne führen wollen. Es geht hier um Meinungsfreiheit, um ihre Grenzen, um Loyalität zu den Behörden. Trotzdem: Kannst du uns kurz schildern, wie du zu deiner kritischen Haltung gegenüber den behördlichen Corona-Massnahmen gekommen bist?

BLICK
Die ständige Panikmache nervt

Häni

Ich war von Anfang an skeptisch gegenüber den offiziellen Verlautbarungen und begann mich zu informieren. Ich recherchierte noch einmal die Geschehnisse der Schweinegrippe, sah, dass dort die gleichen Akteure am Werk waren wie jetzt bei der Corona-Pandemie und dass sie damals falsch lagen. Dann kam die angebliche Einigkeit der Virologen, Epidemiologen und das sich einstellende Narrativ der beginnenden Gesundheitskatastrophe. Ich sah, wie viele Medien dieses ungefragt übernahmen und begannen, alle anderen Meinungen und Feststellungen zu unterdrücken oder zu diffamieren. Ich studierte die Sterbezahlen und musste es einfach feststellen: Die Horrorszenarien traten nicht ein, und das Sterbegeschehen rechtfertigte in keiner Weise diese massive Einschränkung der Grundrechte. Man jagte den Menschen unnütz Angst ein und säte Panik.

Condorcet

Meinungen können richtig oder falsch sein. Die Mehrheit unserer Redaktion teilt deine Analyse nicht. Welche Werte vertrittst du?

Häni

Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sind für mich wichtige Werte. Und ich bin überzeugt, dass in einem freiheitlichen Diskurs die besseren Lösungen entstehen als mit von oben diktierten staatlichen Expertenerlassen.

Condorcet

Wenn du aber selber ansteckend bist, also die Gesundheit anderer gefährdest, dann haben Freiheit und Selbstverantwortung ihre Grenzen. Du lebst in einer Gemeinschaft mit starken, gesunden, schwächeren und gefährdeten Mitgliedern. Da braucht es doch eine Solidarität.

Häni

Aber nicht, wenn man jeden Gesunden als vermeintlichen Gefährder verdächtigt und ihm vorsorglich die Grundrechte wegnimmt. Und schon gar nicht mit dieser dünnen Evidenz. Man stelle sich mal vor, eine Regierung plant aufgrund des islamischen Fundamentalismus, von jedem hier lebenden Muslim eine isolierende Gedankenkontrolle durchzuführen und ihm anschliessend ein Zertifikat, das ihm seine Demokratiefähigkeit bescheinigt, auszuhändigen.

Condorcet

Da verwechselst du allerdings politische Gefährdungen mit der Bedrohung durch Viren.

Häni

Ich halte den Staatsvirus für viel bedrohlicher als die echten Viren, die in unserem Universum unendlich viel vorkommen. Der Staat übernimmt immer mehr Verantwortung für das Individuum. Er geht weit über die unbestrittenen Errungenschaften wie Sozial-, Gesundheits- und Altersversicherung oder dem Schutz der Umwelt hinaus und versucht neuerdings intimste Fragen des Individuums zu regeln…

Condorcet

Was ja auch von einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gewollt ist …

Häni

Zumindest scheint es so.

Condorcet

Kommen wir aber jetzt zu deinem Fall. Du hast dich im November vergangenen Jahres an einer Mahnwache in Bern beteiligt. Wie kam dies zu deiner Schulleitung?

Kantonsschule Wohlen: nach 15 Jahren entlassen

Häni

Es gab einen Film auf Youtube auf dem ich zu erkennen war. Zwei Schüler, die dies gesehen haben, meldeten dies meinem Schulleiter und wollten nicht, dass ich – wie geplant – die Maturprüfungen beaufsichtigte, da ich ihre Gesundheit gefährden könnte. Der Schulleiter rief mich an und dispensierte mich von diesem Termin. Später warf er mir noch andere «Verfehlungen» vor. So hatte ich von meinem Schulaccount meine Kolleginnen und Kollegen aufgefordert, das Referendum gegen das Covid-Gesetz zu unterschreiben. Das war ein Fehler! Ich erhielt eine Abmahnung, die ich akzeptierte.

Condorcet

Also, die Aufforderung an die Kolleginnen und Kollegen, einen  politischen Vorstoss zu unterschreiben, hätte nicht von deinem Schulaccount erfolgen dürfen. Wenn du diese unter deiner Privatadresse angeschrieben hättest, wäre es gestattet gewesen?

Häni

Genau, der Fehler war, dass ich dies mit dem Schulaccount gemacht habe.

Condorcet

Du hattest auch ein Maskenattest

Häni

Das ist richtig. Ich trug in der Schule ein Visier.

Condorcet

Was passierte dann?

Häni

Ich erhielt eine Abmahnung, die folgende Vorgaben enthielt:

  • Einen wertefreien und fachbezogenen Unterricht
  • Das Akzeptieren schulischer Vorgaben
  • Das Unterlassen politischer Propaganda an der Schule
  • Ein professionelles Verhalten im Umgang mit den Schulangehörigen.

Condorcet

Wurde erklärt, was man unter politischer Propaganda verstand? Bezog sich dies auf Aktivitäten in der Schule oder im privaten Bereich?

Ich habe mich vollkommen an die Weisungen gehalten und das Hygienekonzept mitgetragen.

Häni

Das wurde nicht diskutiert. Ich habe diese Vorgaben zwar unterschrieben, aber im Sinne einer Kenntnisnahme.

Condorcet

Und? Hast du dich an die Weisungen gehalten?

Häni

Vollkommen. Ich habe mich in der Schule in keiner Weise mehr politisch geäussert und auch alle Hygienemassnahmen mitgetragen.

Condorcet

Dann kam der 20. Februar…

Demo: Ich trat dort als Privatperson auf.

Häni

Als Privatperson habe ich mich immer noch engagiert, was ja auch ein von der Verfassung garantiertes Recht eines Lehrers ist. Ich nahm als Sprecher an einer Kundgebung gegen die Coronamassnahmen in Wohlen teil. Auf dem Flyer zu dieser Kundgebung war mein Name und die Berufsbezeichnung «Kantonsschullehrer» zu lesen. Das wurde mir vorgeworfen…

Condorcet

Nicht nur, du hast in deiner Rede die Leute aufgefordert sich zu umarmen – das war natürlich eine Provokation! Du hast die Leute aufgefordert, gegen Gesetze zu verstossen. Nehmen wir an, ich würde als Lehrer die Anwesenden auffordern, Cannabis zu rauchen..

Häni

Das ist aber ein dummes Argument! Das Umarmen ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis und nicht gesetzlich verboten, der Drogenkonsum jedoch schon. Alles, was ich gesagt hatte, war von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Condorcet

Und als Privatperson geäussert?

Markus Häni: Habe Schule und Engagement strikt getrennt.

Häni

So ist es! Ich habe meine Tätigkeit als Lehrer der Kantonsschule Wohlen und mein politisches Engagement in der Rede strikt getrennt. Meines Wissens weiss man ja auch von dir jeweils, dass du Lehrer in Orpund bist und in Biel lebst.

Condorcet

Unter uns, ich habe auch schon politische «Werbung» von meinem Schulaccount an meine Kolleginnen und Kollegen verschickt, Interviews im Schulhaus gegeben und die kantonalen Behörden scharf kritisiert. Allerdings mehr auf dem LehrerInnenchat und was meine öffentlichen Auftritte betraf, habe ich immer meine Schulleitung im Voraus informiert.

Häni

Du hast die Schulleitung um Erlaubnis gefragt?

Condorcet

Nein, nur wenn Medienvertreter mich in der Schule besuchten oder Aufnahmen von mir machten oder ich über die Coronamassnahmen an unserer Schule berichtete. Was passierte in deinem Fall?

Häni

Man stellte mich umgehend frei. Die Vorwürfe lauteten: unprofessionelles Verhalten, mangelnde Loyalität, unhaltbare Aussagen, keine Trennung von Schule und politischem Engagement.

Condorcet

Man hat also deine Aussagen an der Demonstration als Kündigungsgrund aufgeführt. Das ist interessant, wenn ich bedenke, wie oft meine Kolleginnen und Kollegen an Klimademonstrationen teilnehmen, Flyer auflegen oder Wahlaufrufe versenden. Ein Kollege einer Bieler Schule ist sogar mit seinen SchülerInnen an eine Klimademo gegangen …

Häni

Es herrschen unterschiedliche Massstäbe. Klimademonstrationen sind gut, Coronademonstrationen sind schlecht. Dazu muss ich noch sagen, dass ich die Forderungen der Klimabewegung weitgehend unterstütze.

Condorcet

Wie reagierte dein Kollegium auf diese Entlassung.

Häni

Es gab keinerlei Unterstützung. Man schwieg. 4 von 130 KollegInnen schrieben mir, dass sie es schade fänden, dass ich gehen müsse. Immerhin gab es ein wohltuendes Schreiben, das von vielen Kolleginnen und Kollegen unterschrieben wurde, in welchem meine Tätigkeit als Lehrer «als vorbildlich, kreativ und kompetent» bezeichnet wurde.

Schwierig war die Kampagne der Antifa, die mich als Nazi-Häni und braune Scheisse beschimpfte.

Condorcet

Und wie reagierte dein Umfeld bzw. die Öffentlichkeit?

Häni

Ich erhielt vier negative Briefe, aber über hundert Ermutigungen, Dankesschreiben und Unterstützungsbekundungen. Schwierig war die Kampagne der Antifa, die mich als Nazi-Häni und braune Scheisse beschimpfte …

Condorcet

Was bei deinem politischen Hintergrund und deinen sonstigen Überzeugungen merkwürdig anmutet. Du hast die Entlassung angefochten. Um was geht es dir dabei. Möchtest du an die Schule zurück?

Ich war gegenüber der Schule immer loyal und habe Massnahmen auch gegen meine Überzeugung mitgetragen. Aber man verlangte von mir mehr. Man verlangte von mir die gleiche Gesinnung und dass ich meine Überzeugungen vollständig ablege.

Häni

Es geht um meine und deine Grundrechte. Wir sind in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis. Das verpflichtet uns zweifelsohne zu einer Loyalität gegenüber meinem Arbeitgeber. Aber ich habe auch eine Loyalität gegenüber meinen Schülerinnen und Schülern. Und wenn ich deren Interessen und deren Recht auf Unversehrtheit bedroht sehe, darf ich nicht nur, sondern es ist geradezu meine Pflicht, mich für sie zu wehren. Ich war gegenüber der Schule immer loyal und habe Massnahmen auch gegen meine Überzeugung mitgetragen. Aber man verlangte von mir mehr. Man verlangte von mir die gleiche Gesinnung und dass ich meine Überzeugungen vollständig ablege. Diese Entlassung ist meiner Meinung nach vollkommen unverhältnismässig. Wenn das durchkommt, dann könnte dies für die Meinungsfreiheit der Lehrkräfte und ihr Recht auf politisches Engagement unabsehbare Folgen haben.

Condorcet

Deshalb engagierst du dich jetzt auch für ein NEIN bei den Abstimmungen zum COVID-Gesetz und zum Anti-Terrorgesetz.

Häni

So ist es. Ich nehme meine Rechte als freier Bürger dieses Landes wahr und bekämpfe die beiden Gesetze. Sie bringen uns Massenüberwachung, diskriminieren Ungeimpfte und öffnen die Türe für staatliche Willkür.

Condorcet

Ich möchte noch einmal auf das Grundsätzliche in deinem Fall zurückkommen. Der Lehrer als politischer Akteur. Siehst du da Grenzen der Meinungsfreiheit?

Ironischerweise kommt aber die politische Beeinflussung durchaus mit der Kompetenzorientierung durch die Hintertüre hinein, wo nun plötzlich Haltungen formuliert, kompetenzorientiert unterrichtet und auch beurteilt werden soll.

Häni

Sie wären dort, wo der Lehrer im Unterricht versucht, seine SchülerInnen von seinen Ansichten zu überzeugen, sie quasi zu indoktrinieren. Das widerspricht nicht nur dem Gebot des neutralen Unterrichts, sondern auch dem Ziel des mündigen Bürgers. Ironischerweise kommt aber die politische Beeinflussung durchaus mit der Kompetenzorientierung durch die Hintertüre hinein, wo nun plötzlich Haltungen formuliert, kompetenzorientiert unterrichtet und auch beurteilt werden soll.

Wenn aber eine Lehrkraft ausserhalb der Schule seine politischen Rechte wahrnimmt und für seine Überzeugungen kämpft, ist dies nicht nur statthaft, sondern auch wichtig.

Condorcet

Das sehen Behörden und Vorgesetzte anders. Du wurdest aufgrund deiner Einsprache mit deinem Anwalt zu einem Schlichtungsgespräch eingeladen. Was kam dabei heraus?

Häni

An dem Schlichtungsgespräch konnten mir keine Verfehlungen im Schuldienst oder Verstösse gegen die Abmahnungsbedingungen nachgewiesen werden. Am Schluss blieb einzig meine Rede, die ich an der – notabene bewilligten – Kundgebung gehalten hatte, übrig.

Condorcet

Mit anderen Worten, die Teilnahme an der Demo und deine kritischen Worte zur Freiheitsbeschränkung und der Maskenpflicht haben dich die Stelle gekostet.

Häni

So ist es. Mir wurde mangelnde Loyalität gegenüber der Schule vorgeworfen, der Aufruf zu zivilem Ungehorsam und – das finde ich sehr aufschlussreich – der Umstand, dass ich mit meiner Teilnahme an der Kundgebung dem Ruf der Schule geschadet hätte.

Ich bin überzeugt: Wenn die Entlassung mit dieser Begründung durchkommt, werden die Lehrkräfte dieses Landes nur noch an politischen Kundgebungen teilnehmen können, die den Behörden gefallen.

Condorcet

Nun liegt es ja in der Natur der Sache, dass an einer Demo Dinge gesagt werden, die nicht allen passen!

Häni

Jemand, der sich für die Wahrung unserer Verfassung einsetzt, schadet also dem Ruf der Schule. So weit sind wir schon. Ich bin überzeugt: Wenn diese Entlassung mit dieser Begründung durchkommt, werden die Lehrkräfte dieses Landes nur noch an politischen Kundgebungen teilnehmen können, die den Behörden gefallen.

Condorcet

Markus Häni, ich danke dir für das Gespräch!

 

 

 

 

 

 

 

 

Verwandte Artikel

“Die beste Reform ist eine, die gar nie gestartet wurde” – TEIL 2

Akzeptanz ist eines der Schlüsselwörter für den emeritierten Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers. Wird eine Schulreform von der Gesellschaft und den Pädagogen akzeptiert, gelingt sie, sonst nicht oder verläuft anders als gedacht. Im zweiten Teil über den “Reformwahn” im Schweizer Bildungswesen spricht Oelkers über die ewigen Reformbestrebungen zur Notengebung, über die Reformen, die die Lehrer belasten, aber dem Unterricht nichts bringen, sowie über die Zukunft der Schule. Das Interview ist zuerst im Nebelspalter erschienen. Das Gespräch führte Daniel Wahl.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert