19. April 2024

Die einzige Rettung von Clin d’Oeil: Ein normales Fremdsprachenlehrmittel werden

Um zu retten, was noch zu retten ist, werden die Passepartout-Lehrmittel klammheimlich in herkömmliche Lehrmittel verwandelt. Die ehemaligen Kritiker und Kritikerinnen reiben sich die Augen. Mehrsprachendidaktik, Sprachbad? War da mal was?

Alain Pichard. Lehrer Sekundarstufe 1, Orpund (BE): Gab den Französischunterricht, obwohl bilingue, auf.

Was mussten wir uns alles anhören! Die Lehrmittel «Mille feuilles» und «Clin d’Oeil» nach „neuen didaktischen Konzepten“ gestaltet, versprachen, den Fremdsprachenunterricht völlig neu aufzustellen.

Gemäss meiner Einstellung, grundsätzlich gegenüber didaktischen Neuerungen offen zu sein, informierte ich mich damals zunächst einmal gründlich über den didaktischen Leitfaden des Konzepts und vertiefte mich in die theoretische Einführung zum Lehrmittel «Mille feuilles» von Barbara Grossenbacher, Esther Sauer und Dieter Wolff, erschienen 2012 im Berner Schulverlag unter dem Titel: «Mille feuilles. Neue fremdsprachendidaktische Konzepte. Ihre Umsetzung in den Lehr- und Lernmaterialien.»

Das Autorenteam vermittelte auf ca. 90 Seiten einen hilfreichen Überblick über die Theorien, die gegenwärtig in der Fremdsprachendidaktik diskutiert werden: Didaktik der Mehrsprachigkeit, konstruktivistisches Lernverständnis, Kompetenzorientierung, Inhalts- und Handlungsorientierung, Progression, Differenzierung, Beurteilung, Materialien und Medien.

In einem Schreiben wurden wir Lehrpersonen über die bevorstehenden Änderungen informiert:

Keine Wörtlitests, keine Grammatiktests

 

Nach dem kolossalen Scheitern dieses Konzepts meint nun der Geschäftsführer des Lehrmittelverlags plus, Bernhard Kobel:  “Mille feuilles» für die 5. und 6. Klasse sei komplett überarbeitet worden, mit Fokus auf Wortschatz und Grammatik, für die 3. und 4. Klasse folge das Gleiche dieses und kommendes Jahr.”

War da mal was?

Immerhin, aus Plastik wurde Karton

Und wir, die Praktiker fragen schüchtern: Mehrsprachendidkatik, Sprachbad, kein Wörtlilernen …, war da mal was?

Klammheimlich sollen nun Mille Feuilles und Clin d’Oeil in ein herkömmliches Lehrmittel verwandelt werden. Die scheinbar letzte Chance für ein völlig missratenes didaktisches Konzept. Vielleicht werden in den kantonalen Parlamenten einmal Interpellationen eingereicht, die Auskunft darüber verlangen, was dieser Spass (mit all den Fortbildungskursen) den Steuerzahler oder die Steuerzahlerinnen gekostet hat.

Immerhin, aus dem Plastikmüll ist jetzt ein wiederverwertbarer Kartonmüll entstanden.

 

 

 

 

Verwandte Artikel

Zu viele deutsche Lehrer sind arm – an Kompetenz

Seit 25 Jahren befindet sich das deutsche Bildungswesen in einer Abwärtsspirale. Die jüngsten PISA-Ergebnisse markieren den bisherigen Tiefpunkt. Man hat sie schnell durch Migration und Lockdown erklärt, doch das greift zu kurz. Vom Kindergarten bis zum Abitur hat ein ideologisch begründeter Wandel stattgefunden, der die Qualität von Erziehung und Unterricht gesenkt hat. Die Einstellungen der Bildungspolitiker und -forscher müssen sich ändern, damit unsere Kinder wieder etwas Handfestes lernen können. In einer fünfteiligen Serie erklärt die Sonderpädagogin und heilpädagogische Psychologin Miriam Stiehler, woher diese Fehlentwicklungen kommen, wie sie sich auf Schüler auswirken und was sich ändern muss. Wir bringen den vierten Teil der Serie, die im Cicero erschienen ist.

Ein guter Einstieg in die Causa Hannah Arendt – die Graphic Novel von Krimstein

Und noch eine Buchrezension von Condorcet-Autor Alain Pichard. Regelmässige Condorcet-Leserinnen und -Leser werden es mittlerweile bemerkt haben: Hanna Arendt geniesst in diesem Bildungsblog einen hohen Stellenwert. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Hannah Arendt unseren Namensgeber Jean-Marie de Condorcet gut kennt und sich des Öfteren auf ihn bezieht, sondern liegt auch in der Tatsache begründet, dass für Hannah Arendt die Wahrheit aus dem Diskurs entsteht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert