Die Baselbieter Bildungspolitik war lange geprägt von harten Auseinandersetzungen und dem kompromisslosen Verharren auf Extrempositionen. Diese Fronten konnten im Jahr 2017 erstmals aufgeweicht werden. Damals stimmte der Landrat einstimmig der Erarbeitung von Stofflehrplänen zu. Diese sollen zukünftig dem kompetenzorientieren Lehrplan gleichgestellt sein. Das Stimmvolk teilte diese Ansicht und stimmte dem Gegenvorschlag zu einer Initiative 2018 deutlich zu. Gleiches geschah ein Jahr später: Statt einseitig Lehrmittel zu verbieten (seien es die Passepartout-Lehrmittel oder alle anderen Fremdsprachen-Lehrmittel), entschloss man sich dazu, eine geleitete Lehrmittelfreiheit einzuführen. Auch diesem Ansinnen stimmten praktisch ausnahmslos alle Parteien und Verbände zu.
Aktuell werden im Kanton Basel-Landschaft die Stofflehrpläne mustergültig unter engagierter Mitarbeit der Lehrpersonen überarbeitet.
Aktuell werden im Kanton Basel-Landschaft die Stofflehrpläne mustergültig unter engagierter Mitarbeit der Lehrpersonen überarbeitet. Dies geschieht in drei Rückmeldeschlaufen. Ziel dabei ist, dass die Stoffinhalte und Themen in der Sekundarstufe I bezüglich Jahresziel und Anforderungsniveau differenziert und auf den Inhalt und die Anforderungen der beruflichen Grundbildung, der Fachmittelschule und des Gymnasiums abgestimmt werden.
1000 Kompetenzen – komplett willkürlich
Eine im Jahr 2019 eingereichte Initiative fordert nun einerseits die Erarbeitung von Stofflehrplänen auf der Sekundarstufe 1 und andererseits eine Beschneidung des kompetenzorientierten Lehrplans auf rund 1’000 Kompetenzen. Während die erste Forderung nach der Erarbeitung von Stofflehrplänen auf der Sekundarstufe 1 bereits erfüllt ist, steht die zweite Forderung völlig quer in der Landschaft. Weshalb wird der kompetenzorientierte Lehrplan nun angegriffen, obwohl man sich 2018 darauf geeinigt hat, dass man sowohl einen kompetenzorientierten Lehrplan als auch Stofflehrpläne haben möchte? Woher kommt die willkürliche Zahl von 1’000 Kompetenzen?
Die Initiative löst kein Problem. Mit einer Zustimmung zur Initiative werden weder die Stofflehrpläne besser ausgestaltet (was teilweise nötig wäre, vom Bildungsrat jedoch auch erkannt wurde) noch wird die Qualität des Unterrichts entscheidend gestärkt. Die geforderte Reduktion von 3‘500 auf 1‘000 Kompetenzen ist schlicht nicht umsetzbar. Fähigkeiten und Fertigkeiten werden über elf Schuljahre der Volksschule systematisch entwickelt: In der Sekundarschule wird auf den vorangehenden Kompetenzen der Primarstufe aufgebaut, die Bezüge zwischen den Fächern werden ausgewiesen und die Anschlussfähigkeit zu den nachobligatorischen Schulen wird dabei gewährleistet. Mit einer Reduktion der Anzahl Kompetenzen ist dies nicht mehr gewährleistet.
Als Sozialdemokrat ist es mir wichtig, die konkreten Anliegen und Rückmeldungen der Lehrpersonen ernst zu nehmen.
Die Schulen sind mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie bereits jetzt mehr als gefordert. Der Rückmeldeprozess für den Stofflehrplan darf nicht übersteuert werden, denn die zeitlichen und finanziellen Folgen wären beträchtlich. Eine Annahme der Initiative würde zu massiver Mehrarbeit für die Lehr- und Fachpersonen führen.
Als Sozialdemokrat ist es mir wichtig, die konkreten Anliegen und Rückmeldungen der Lehrpersonen ernst zu nehmen. In Gesprächen wird mir regelmässig mit auf den Weg gegeben, dass die Lehrpersonen mit möglichst viel Freiheit die Schülerinnen und Schüler fordern und fördern möchten. Mit der Lehrmittelfreiheit und der Auswahl zwischen dem kompetenzorientierten Lehrplan und dem Stofflehrplan wird diese Möglichkeit gegeben.
Es ist nicht der Zeitpunkt für Experimente. Beschreiten wir weiter gemeinsam den Weg des Kompromisses und stimmen Nein zur unnötigen Lehrplan-Initiative!
Jan Kirchmayr, Landrat SP und Lehrer, Aesch
Antwort auf die Fragen:
1. Die in der Abstimmung per Volksentscheid geforderte Erarbeitung von Stoffplänen wurde vom AVS nicht geleistet, stattdessen wurden leicht angepasste, laienhafte Kompetenzlisten erstellt. Diese sollten top down via Abnickgremien aus der Lehrerschaft durchgeboxt werden und müssen jetzt mit erheblichem Aufwand “nachgebessert” werden.
2. Die 3500 Kompetenzen sind ebenso willkürliche und mehrheitlich untaugliche Elaborate wie die von Kirchmayr monierte Reduktion auf 1000. Positiv an der Initiative ist, dass die Reduktion zum Nachdenken zwingt, welche Kompetenzen sinnvolle und hinreichend konkrete Ziele darstellen und welche reines Makulaturgeschwätz sind.
Insofern bietet die Initiative eben doch eine Chance zur Verbesserung der Volksschule, auch wenn es wegen der bisherigen Fehlleistungen halt wieder etwas kostet.