7. November 2024

Zum Unterricht mit Maske

In einer Zeit, die keinen Widerspruch zu ertragen scheint, in der Lehrkräfte wegen der Verweigerung der Maske fristlos entlassen werden, braucht es Mut, auf die negativen Auswirkungen der Maskenpflicht im Schulalltag hinzuweisen. Der Bericht der jungen Lehrerin Alicia Junker aus Biel mag uns daran erinnern, dass neben der Gesundheit auch noch andere Werte auf dem Spiel stehen.

Masken machen den Unterricht weniger lebendig

Gerade frisch nach einer ausgestandenen Coronainfektion kehre ich an meinen Arbeitsplatz zurück, in den letzten zehn Tagen hatte ich viel Zeit über die Maskenpflicht an Schulen nachzudenken und auch über unsere Rolle als Lehrpersonen mit Masken, aber auch als direkt vom Virus betroffene Lehrperson.

Wie viele Lehrpersonen aus eigener Erfahrung sagen können, haben wir ein starkes Immunsystem, jeder grippale Infekt wird in die Schule getragen.

Von Anfang an war klar, dass wir als Lehrpersonen exponierter arbeiten als jemand, der in einem Einzelbüro arbeitet. Wie viele Lehrpersonen aus eigener Erfahrung sagen können, haben wir ein starkes Immunsystem, jeder grippale Infekt wird in die Schule getragen. Was nicht heissen soll, dass ich das Virus mit einem leichten grippalen Infekt gleichsetzen möchte. Aber wir sind uns der Möglichkeit einer Infektion sehr bewusst und dennoch wurden die Masken nur sehr spärlich im Unterricht gesehen – bis zur Einführung der Maskenpflicht. Eigentlich ja widersinnig, aber vielleicht eben doch nicht nur.

Grosser Zwiespalt

Nun wurde die Maskenpflicht in der Sekundarschule eingeführt und ich stehe dieser Maske mit grossem Zwiespalt gegenüber. Wie wir alle wissen, schützt die Maske vor einer Tröpfcheninfektion, das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass sie es nur dann zuverlässig tut, wenn man damit richtig umgeht. Ich kann in meiner Klasse den richtigen Umgang mit der Maske nicht feststellen, sie wird angefasst, vom Gesicht gezogen, um sich danach wieder an die Maske zu fassen, um sie dann wieder ins Gesicht zu ziehen. Danach verschwindet die gleiche Hand in der Chipstüte des Mitschülers. Auch eine Sensibilisierung hilft nur wenig.

Als Lehrperson halte ich mich an die Vorschrift, natürlich, und trage eine Maske.

Lebendiger Unterricht kaum möglich

Als Lehrperson halte ich mich an die Vorschrift, natürlich, und trage eine Maske. Dabei sind auf einmal viele Dinge augenfällig. Die sonst so überaus wichtige, nonverbale Kommunikation mit den SchülerInnen ist völlig abgeschnitten, ich kann nur noch erahnen, ob meine SchülerInnen einen Inhalt verstanden haben oder nicht. Ich kann auch kaum noch erkennen, ob sie meinem Unterricht folgen oder nicht. Die Maske macht ein Tuscheln im Unterricht unter den SchülerInnen sehr viel einfacher und durch fehlende Bewegung im Gesicht kann ich als LP nur schwer feststellen, wo der Unruheherd steckt.

Andererseits wird der Unterricht mit Maske immer weniger lebendig, ich unterrichte Sprachfächer und finde es sehr schwierig, die Ausssprache der Kinder und Jugendlichen zu korrigieren, weil die Maske die Aussprache immer leicht dämpft. Bei sprachstarken Klassen, die bereits viel Vorwissen haben, fällt dieses Problem weniger ins Gewicht, aber schwache SchülerInnen zeigen immer grösser werdende Unsicherheiten, wenn ich in der Zielsprache kommuniziere, und können ihrerseits Korrekturen kaum umsetzen, wenn sie die richtige Mundbewegung nicht nachahmen können. Aus einem N wird unter der Maske leicht ein M, unbemerkt. Die schwachen SchülerInnen sind noch gehemmter, in der Zielsprache zu sprechen, weil man eine Korrektur nicht rasch einschieben kann als Lehrperson, sondern sie mehrfach auffordern muss, ihren Fehler zu wiederholen, bis man ihn richtig verstanden und korrigiert hat. Das hemmt die Lernleistung und auch die Freude im Fach.

Als Lehrerin einer Realklasse mit vielen SchülerInnen, die noch nicht gut Deutsch sprechen, ist das Problem noch viel auffälliger.

Die oben genannten Probleme treten nicht nur in den fremdsprachlich unterrichteten Fächern auf, als Lehrerin einer Realklasse mit vielen SchülerInnen, die noch nicht gut Deutsch sprechen, ist das Problem noch viel auffälliger.

Ein Trauerspiel

In Fächern wie RZG oder WAH, wo Erklärungen wichtig sind, können die Schüler kaum noch folgen. Es fehlen Mimik, aber ganz besonders auch das Ablesen von den Lippen, was viele Schüler mit dem Wissensstand meiner Klasse besonders brauchen. Ein Schüler meiner Klasse hat auf einem Ohr einen Hörsturz erlitten und hört sehr schlecht, ich merke, wie dieser Schüler mir im Unterricht nicht mehr folgen kann, weil ihm grosse Teile der „Hörunterstützung“ fehlen – das Ablesen der Lippen. Obwohl er ganz vorne sitzt, merke ich, wie er mir im Unterricht immer mehr entgleitet. Ein weiterer Schüler in dieser Klasse hat leider nur sehr unzureichend Deutsch gelernt und ich muss bei jeder Frage, die der Schüler stellt, mehrfach nachfragen. Ich höre selbst nicht sehr gut und brauche die Lippenbewegung der SchülerInnen, um allfällig schlecht verständliche Teile der Kommunikation zu ergänzen. Wie sehr, war mir bis zum Tragen der Masken nicht bewusst. Dieser Schüler traut sich, wie ich merke, kaum noch, mich etwas zu fragen, weil ich so oft nachfragen muss, bis ich verstanden habe, worum es geht. Es ist ein Trauerspiel, denn auch dieses Kind verstummt und entgleitet mir im täglichen Umgang fast völlig.

Als Lehrperson selbst fühle ich mich meiner liebsten Unterrichtshilfe völlig beraubt, meiner Mimik, meinem Gesicht. Ein Lachen, ein strenger Blick, eine spannend vorgetragene Einleitung in ein neues Thema, gemeinsames Lesen, gemeinsames Lachen. Man kann nur noch raten, was das Gegenüber nonverbal mitteilen möchte.  Unterricht mit Maske verkommt bei mir zu einer reinen Lese- und Wiedergabeleistung der SchülerInnen und das war genau das, was ich niemals wollte. Lebendiger Unterricht ist mit einer Maske kaum noch möglich, weil die wichtigen Teile einer Unterrichtskommunikation, neben dem Erzeugen von Lauten, nämlich die nonverbale Kommunikation, völlig untergeht, fehlt.

Schwache SchülerInnen fallen noch mehr durchs Raster, trauen sich noch weniger zu fragen und verschwinden weiter und immer weiter hinter ihrer Maske. Was bleibt von ihnen nach dieser Zeit übrig?

Als direkt betroffene Lehrperson habe ich keine adäquate Lösung für dieses Dilemma, Schutz oder Schule, diese Frage stellt sich für mich. Wo geht die Reise hin? Aber eines wird mit jedem Tag, den ich mit der Maske unterrichte, deutlicher: Die sowieso schon weit offene stehende Schere im Schulalltag öffnet sich noch mehr. Schwache SchülerInnen fallen noch mehr durchs Raster, trauen sich noch weniger zu fragen und verschwinden weiter und immer weiter hinter ihrer Maske. Was bleibt von ihnen nach dieser Zeit übrig?

Alicia Junker, Lehrerin in Biel

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4 Kommentare

  1. Es mag Lehrer geben, die das Tragen der Masken verweigern. Offenbar gibt es aber auch — zumindest in Deutschland — Lehrer, die ihre Schüler nötigen, die Maske zu tragen, auch wenn es gar nicht vorgeschrieben wäre. Die NachDenkSeiten schrieben vor ein paar Wochen:

    “An einer ganzen Reihe von Schulen werden die Hygiene-Regeln deutlich strenger umgesetzt, als es die jeweiligen Landesregeln vorschreiben. Schüler, Lehrer und Eltern sind gespalten. Wer nicht mitmacht, riskiert schnell, ausgegrenzt zu werden.”

    Siehe hierzu den Artikel “Ausnahmen von der Maskenpflicht in der Schule” auf meinem Blog (https://schule-intakt.de/2020/ausnahmen-von-der-maskenpflicht-in-der-schule).

    Viele Grüße aus Nordrhein-Westfalen

  2. Die Problematik der undurchsichtigen Masken wurde schon länger erkannt. Inzwischen wurden Masken entwickelt, bei denen Mundpartie durchsichtig ist. Derartige Masken werden nun in der Volksschule zum Einsatz kommen.

    Bei einer Epidemie geht es nicht nur darum das umzusetzen, was von den Behörden und der Schule empfohlen wird, sondern es darf je nach örtlicher Situation auch darüber hinaus gehen, wenn wir dadurch unsere Mitmenschen und uns selber besser schützen können.

  3. Es dünkt mich zentral, dass die Massnahmen an der Schule, aber auch in der Wirtschaft, im öffentlichen Leben und privaten Miteinander immer wieder kritisch hinterfragt werden. Es muss unbedingt regelmässig untersucht werden, ob die Massnahmen das bringen, was man sich davon erhofft, auf welchen Grundlagen sie basieren und wie es aussieht mit den Kollateralschäden. Was schadet wieviel – auch für die Zukunft? Es braucht eine sinnvolle Abwägung und die Zulassung unterschiedlicher Meinungen von verschiedenen Experten. Nur so finden sich die bestmöglichen Lösungen mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung. Dabei darf die Eigenverantwortung nicht zu sehr eingeschränkt werden.

  4. Die Autorin nennt auf eindrückliche Art und Weise den pädagogischen Preis, den die Coronakrise fordert, selbst wenn die Schule stattfindet. Für einmal stehen nicht die wirtschaftlichen Kosten im Vordergrund, was auf einem pädagogischen Blog sehr zu begrüssen ist. An der Notwendigkeit, die Maske zu tragen, ändert das nichts, die Autorin stellt auch keine entsprechende Forderung.

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