Gut ausgebildete Lehrer, Chancengleichheit und endlos Bastelmaterial: Unser Papablogger sagt, warum er das Schweizer Bildungssystem super findet.
Jörg Kachelmann hätte es weniger überheblich formulieren können, als er seiner deutschen Followerschaft das Schweizer Schulsystem um die Ohren schlug. Ich persönlich finde das deutsche System nicht sonderlich schlecht und möchte hier keine Vergleiche anstellen. Aber wo ich mit Kachelmann einig bin: Unsere Volksschule ist supi!
Ja, ich bin ein Harmos-Fanboy. Ich finde die obligatorische Einschulung mit 4 Jahren richtig – ob in den Kindergarten oder in die Basisstufe. Die Schule nimmt den Kindern nicht die Kindheit, wie manchmal behauptet, sondern eröffnet ihnen neue Möglichkeiten, Begegnungen und Welten. Das bedingt eine gewisse Qualität. Und die hat die Volksschule in der Schweiz:
- Sie ist fair finanziert, egal wie viele Ärztinnen und Banker im Quartier wohnen.
- Sie beschäftigt anständig bezahlte, gut ausgebildete Lehrkräfte.
- Sie bietet den Kindern ein gutes Betreuungsverhältnis und je nach Bedürfnissen Spezialunterricht.
- Sie geniesst in allen Bevölkerungsschichten einen hohen Stellenwert und kann gegen Privatschulen bestehen.
All das schafft Chancengleichheit und ist wichtig, um den Kindern im Einzelnen gerecht zu werden. Aber ich bin kein Bildungsexperte, sondern einfach ein Vater, dessen Kind in eine durchschnittliche Schweizer Schule geht. Das nehme ich zumindest an.
Der Unterricht erfolgt überwiegend im Teamteaching. Dank Stellvertretungen selbst dann, wenn eine der Lehrerinnen kurzfristig krank wird.
Bastelkarton und Glitzerkleberli als Service Public
Brechts Basisstufenklasse besteht aus 24 Schüler*innen. Der Unterricht erfolgt überwiegend im Teamteaching. Dank Stellvertretungen selbst dann, wenn eine der Lehrerinnen kurzfristig krank wird. Die Kinder haben ab Schuleintritt mit 4 Jahren Zugang zu DaZ (Deutsch als Zweitsprache), Integrativer Förderung, Logopädie und Psychomotorik-Spezialunterricht.
Die Schule ist gut ausgestattet und als Eltern müssen wir fast nichts aus dem eigenen Sack bezahlen. Maximilian-Jasons Matheheft und Lea-Marihuanas Malschürzli übernimmt die Schule. Und wenn Jennifer-Shakira zu Hause etwas basteln soll, kriegt sie den Rucksack derart mit Bastelsachen gefüllt, dass man ihren Schulweg noch wochenlang an der Glitzerspur erkennt.
Klar, nicht alles was glitzert, ist ein Diamant. Das gilt auch für die Volksschule. Wir sind in der Schweiz und «es chunnt ufe Kanton drufab». Oder auf den Ort, das Quartier, die Schulleitung, die Lehrpersonen und die Kinder und deren Eltern. An manchen Schulen sind die Herausforderungen grösser als an anderen.
Auch Inhalte und Lehrmethoden stehen immer wieder in der Kritik: Manche fordern besseren Sexualkundeunterricht, mehr individuelle Förderung, zeitgemässe Digitalisierung. Und das ist gut so: Kritische Stimmen und die Leute an der Bildungsfront treiben die Schule voran. Wir dürfen uns auf einem guten Bildungssystem nicht ausruhen, aber man darf auch mal sagen: Wir haben eine gesunde Basis für Verbesserungen.
Eigentlich sollte dieser Beitrag ein Podcast-Tipp werden, bevor ich ihn in einer Lobrede ersäuft habe. Der fünfteilige Reportage-Podcast «Nice White Parents» der New York Times lässt tief in ein komplett anderes, fundamental kaputtes Schulsystem blicken. Er zeigt, was passiert, wenn ehrgeizige Eltern mit Geld und Privilegien die öffentliche Schule vor sich hertreiben. Zum Glück sind wir davon weit entfernt.
Markus Tschannen
Dieser Beitrag erschien zuerst im Mamablog des Tagesanzeigers