Der Artikel «Von Japan lernen» weist zu Recht darauf hin, dass organisatorische Formen wie gemeinschaftlicher Unterricht (als Frontalunterricht verunglimpft) oder SOL (als schülerzentrierter Unterricht vergoldet) an und für sich nichts über die kognitive Lerntätigkeit der Klasse aussagen. Allerdings wird dann die Hoffnung geschürt, die Kognition könne durch ein paar Tricks angeregt werden: Anregende Fragestellung, Lösungsansätze diskutieren, Vorwissen einbeziehen, Zusammenhänge herstellen, zu Kooperation anregen, etc. Das ist alles nicht neu und nicht falsch, sondern wird in der Fachdidaktik seit je gelehrt. Z.B hat sich das Math.buch einen solchen Ansatz auf die Fahne geschrieben. Neu ist lediglich der aus der psychologischen Lernforschung stammende Begriff «kognitive Aktivierung», unter dem die längst bekannten methodischen Verfahren nunmehr präsentiert werden. Ein Fall von «altem Wein in neuen Schläuchen».
Entscheidend für Lehrpersonen ist das, was im Vergleich zu asiatischen Ländern in unseren Schulen anders ist. Der Artikel erwähnt wohl den Aufbau des Grundwissens und das beharrliche Üben der Grundfertigkeiten, das bei uns seit einiger Zeit verpönt ist, z.B das Einüben der Grundrechenarten (Warum, wenn man es am Handy ablesen kann?) oder das Vokabellernen (Warum, wenn man sich im mehrsprachigen Bad irgendwie sonst verständlich machen kann?) oder Sachwissen (Warum, wenn man alles googeln kann und das Wissen ohnehin schnell veraltet?). Kognitive Aktivierung würde Grundwissen und Grundfertigkeiten voraussetzen.
Nicht eingegangen wird auf einen entscheidenden kulturellen Unterschied. Im Band 2 zum Thema «Wirksamer Unterricht» findet sich ein Forschungsbericht von Benjamin Fauth und Timo Leuders unter dem Titel «Kognitive Aktivierung im Unterricht».
Seite 5 enthält einen Abschnitt mit einem entscheidenden «ABER», das die Wirksamkeit der oben erwähnten methodischen Verfahren ebenso einschränkt wie das fehlende Üben und das mangelhafte Sachwissen:
«Lehrkräfte können Lernenden Unterricht anbieten, der kognitive Aktivität anregt. Ob dieses Angebot von den Lernenden genutzt wird und sie kognitiv aktiv werden, hängt jedoch von diversen Faktoren ab. Unterricht kann also immer nur ‘Potenzial zur kognitiven Aktivierung’ bieten.»
Genau da liegt die Krux: Unterricht kann auf vielfältige Weise kognitiv anregend sein, die Lernenden müssen jedoch auch bereit und willens sein, sich darauf einzulassen. Sie müssen «Anstrengungsbereitschaft» zeigen, auch wenn es angenehmer wäre, auf Tik Tok zu surfen oder im Internet zu gamen oder während der schulischen Projektwoche für ein Stündchen hinter dem nächsten Hauseingang zu verschwinden und einen Glimmstängel zur Brust zu nehmen. Dazu müsste in der Gesellschaft eine entsprechende Einstellung vorherrschen, die den Verzicht auf ständige Gratifikation durch oberflächlichen Konsum als wünschenswerte Eigenschaft propagiert. Diese Voraussetzung ist aber momentan in unserer Gesellschaft nicht erfüllt.
Benjamin Fauth • Timo Leuders, Kognitive Aktivierung im Unterricht, S.5
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Felix Schmutz trifft den Nagel auf den Kopf. Wenn wir über Schule sprechen, müssen wir auch bereit sein, über unsere Gesellschaft als Ganzes nachzudenken. Die Schule (der Staat?) muss auch fordern – z.B. dass sich Eltern für das schulische Gedeihen verantwortlich fühlen und verbindliche Ratschläge bekommen, was sie tun sollen.
Ich werde nie vergessen, wie die ersten Elternabende meiner beiden Töchter (heute 13 und 15 Jahre) in der 1. Klasse verlaufen sind. Ein Beispiel: Ein Vater wollte wissen, was wir Eltern tun könnten, damit unsere Kinder lesen lernten. Die Lehrerin beschwichtigte, wir müssten nichts tun. Das würde sie schon übernehmen. Erst dann meinte sie, wir könnten den Kindern vorlesen. Die Wirkung verpuffte völlig. Man nahm uns Eltern an der Hand (im übertragenen Sinne), gab uns Mut und versprach uns, es für unsere Kinder zu richten. Nein, die Schule wird es für uns nicht richten. Sie kann nicht und sie soll es nicht tun, alle sind angesprochen.
Auf mich wirkte dies, als wolle man die Eltern (die doch alles Helikoptereltern sein könnten!) zuerst einmal draussen haben wollte. Erst gegen Ende Primarschulzeit, als sich bei einer stattlichen Anzahl Kinder echte Probleme zu entwickeln begannen, wurden Eltern eingezogen. Hier fehlt m.E. ein verbindliches Konzept, wie man die Eltern einbindet und so zu besserer Bildung beiträgt.