Bis jetzt waren die Schweizer Bildungsfachleute stolz auf das gute Abschneiden unserer Jugend bei den PISA-Tests im Bereich Mathematik. Und nun das: Die nationalen Erhebungen zeigen, dass bei den Grundanforderungen nur sechs von zehn Schülern die Bildungsziele erreichen. Die Erziehungsdirektorenkonferenz ist ziemlich ratlos über das unerwartete Resultat und versucht mit abenteuerlichen Begründungen das Debakel zu erklären. All die unglücklichen Umstände, die zur Erklärung herangezogen werden, überzeugen jedoch nicht. Insbesondere das Argument, dass in den meisten Kantonen in der Mathematik zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht nach dem Kompetenzmodell des neuen Lehrplans unterrichtet wurde, steht auf wackeligen Beinen.
So sticht für den Kanton Zürich, der unterdurchschnittlich abgeschnitten hat, dieser Trumpf überhaupt nicht. Hier wurden die Mathelehrmittel schon im Voraus auf die Bildungsziele und die methodischen Leitlinien des neuen Lehrplans ausgerichtet. Obwohl erfahrene Lehrpersonen immer wieder gewarnt haben, die Überfülle an Bildungszielen und der Verzicht auf gründliches Üben würde sich bei schwächeren Schülern negativ auswirken, nahm man die Kritik nicht ernst. Jetzt ist die Quittung da, und sie schmerzt empfindlich.
Immerhin scheint die EDK auch Erfreuliches berichten zu können. Die Leistungen in Deutsch sind besser als erwartet. Doch Vorsicht, denn was in Deutsch geprüft wurde, deckt nur einen kleinen Teil der sprachlichen Kompetenzen ab. Wir wissen nicht, wieweit unsere Schüler imstande sind, sich über ein gewähltes Thema in schriftlicher Form verständlich auszudrücken. Dies zu prüfen, wäre sicher eine Herkulesaufgabe, aber es brächte mehr Licht ins Dunkel. Doch die EDK hat sich dieser Herausforderung nicht gestellt. Wahrscheinlich könnten Lehrpersonen der Sekundarstufe durchaus Auskunft darüber geben, wie gut es um die Kompetenz der Primarschüler beim Schreiben von Aufsätzen steht.
Vorsicht geboten ist auch bei der Beurteilung der sprachlichen Kompetenzen in der ersten Fremdsprache. Lese- und Hörverstehen wurden eingehend geprüft, aber ausgerechnet in den heiklen Bereichen Sprechen und Schreiben liegen keine Testergebnisse vor. Wie die seriösen Untersuchungen der Zentralschweizer Bildungsdirektorenkonferenz aber zeigen, liegen genau da die Schwachstellen beim frühen Sprachenlernen.
Die gesamten Testergebnisse geben wenig klare Antworten. „Starke Volksschule Zürich“ ist nicht zufrieden mit den gewundenen Erklärungen der EDK und der Zürcher Bildungsdirektion. In unserer Mitteilung an die Medien verlangen wir, dass die Ursachen für den Misserfolg aufgedeckt werden. Es ist von grösster Bedeutung, dass die Resultate von Forschern sorgfältig und kritisch analysiert und kommentiert werden. Wir alle haben ein Recht zu wissen, was in unserer Schule nicht rund läuft.
Verwirrende Testergebnisse und offene Fragen von HANSPETER AMSTUTZ
„Obwohl erfahrene Lehrpersonen immer wieder gewarnt haben, die Überfülle an Bildungszielen und der Verzicht auf gründliches Üben würde sich bei schwächeren Schülern negativ auswirken, nahm man die Kritik nicht ernst. Jetzt ist die Quittung da, und sie schmerzt empfindlich“.
Diese Aussage kann ich bestätigen: Bei meiner mehrjährigen Arbeit an einem 10. Schuljahr in der Stadt Bern (Individuelle Lernförderung) stelle ich immer wieder fest, dass viele Lernende unsicher sind im Bereich Kleines 1×1, sowohl mündlich wie schriftlich. Pensum 2./3. Klasse. Sie wurden oft „gerilzt“(reduzierte individuelle Lernziele) ohne vorgeschriebene, anschliessende individuelle Förderung. So wird die Volksschule für einige Lernende zur nachhaltigen Falle, verbunden mit geringem Selbstvertrauen und schwachem Selbstwertgefühl.