8. August 2025
Lehrkräftemangel

Hier kriegen Berner Lehrer ohne Diplom zwei Wochen Crashkurs

In einem Monat startet wieder die Schule – vielerorts auch mit Quereinsteigenden ohne Lehrerausbildung. In Bern bereitet sie nun ein Sommer-Camp dafür vor. Wir bringen einen Beitrag, der zuerst auf Nau.ch erschienen ist.

Die Personal-Not an Schweizer Schulen entspannt sich leicht. Zwar sind in vielen Kantonen weiterhin Lehrpersonen gesucht, doch vor allem grosse Kantone weisen Fortschritte vor, wie eine Nau.ch-Umfrage kürzlich zeigte.

Im Kanton Zürich gibt es 45 Prozent weniger offene Stellen für den Schulstart im August. Bei Klassenlehrpersonen sogar 60 Prozent weniger.

Auch der Kanton Bern meldete vergangene Woche gegenüber Nau.ch “wesentlich weniger unbesetzte Stellen als vor einem Jahr”.

Riccardo Schmidlin, Journalist bei Nau.ch

Eine wichtige Massnahme gegen den Mangel, die sich offenbar ausgezahlt hat: Quereinsteigende.

Das Problem: Viele von ihnen unterrichten ohne Lehrdiplom. Im Kanton Bern verfügen etwa Stand 2024 rund 20 Prozent über keine oder keine abgeschlossene Ausbildung.

Gratis-Crashkurs für Lehrpersonen ohne Diplom findet Anklang

Damit Quereinsteigende nicht ganz ohne Vorbereitung starten, hat die Pädagogische Hochschule Bern (PH Bern) 2023 ein Sommer-Camp lanciert. Mit zwei Wochen Intensivprogramm.

Dieses Jahr findet es zum dritten Mal statt. Nau.ch hat sich ein Bild vor Ort gemacht.

Insgesamt nehmen 78 Personen teil, davon 55 Frauen und 23 Männer. Sie werden in fünf Gruppen je nach Schulstufe aufgeteilt. Vom Kindergarten bis zur Oberstufe, für sämtliche Fächer sowie Klassenlehrpersonen gibt es für alle Angebote.

“Jetzt weiss ich, wovon Lehrer immer sprechen”: Nicole Adam (24) ist eine der 78 Teilnehmenden im PH-Sommer-Camp. Ab August arbeitet sie als Klassenlehrerin. (Nau.ch/Riccardo Schmidlin)

Voraussetzung für die kostenlose Teilnahme ist eine Anstellung an einer Schule im Kanton Bern. Die Kosten trägt der Kanton. Zahlen nennt die PH keine.

“Planung ist viel Arbeit”

Nicole Adam (24) ist eine der Teilnehmenden. Die gelernte Fachfrau Betreuung für Kleinkinder bringt bereits ein Jahr Erfahrung als Klassenhilfe mit. Ab August übernimmt sie eine vierte Klasse.

“Ich habe von vielen Lehrpersonen gehört, dass die Planung viel Arbeit sei”, sagt sie. “Jetzt aber weiss ich, wovon sie sprechen. Es gibt viel zu beachten.”

Trotzdem bleibt sie zuversichtlich: “Ich habe keinen Bammel. Ich traue mir das zu.” Die Erfahrungen im Camp seien für sie wertvoll.

Auch Oliver Gschwind (49) ist an Bord. Er hat ursprünglich Betriebswirtschaft studiert und war in der Erwachsenenbildung tätig.

“Ein Studium wäre mir zu lang”: Für Oliver Gschwind (49) ist die Dauer des PH-Crashkurses ideal. (Nau.ch/Riccardo Schmidlin)

Zwar begann er einst ein Primarlehrerstudium, brach es aber nach einem Semester ab. Nun ist er Klassenlehrer einer neunten Klasse.

“Ich habe gemerkt, dass mir die Primarschülerinnen und -schüler zu jung sind. Ich arbeite lieber mit Jugendlichen zusammen.” Ein Oberstufenstudium sei ihm zu lang, daher setzt er auf berufsbegleitende Weiterbildungen.

“Ersetzt kein Studium”

“Es wird sicherlich kein Studium ersetzen”, sagt er über das Camp. Grundsätzlich sei die Dauer aber ideal. “Wir bekommen so viele spannende Inputs – und diese muss man erst einmal sacken lassen.”

“Der Fokus liegt dabei auf der Planung des Schuljahrs”, erklärt die Angebotsverantwortliche Simone Sturm.

Konkret heisst das: sich mit dem Berner Schulsystem und Unterrichtsmaterial vertraut machen. Jede Lektion im Detail planen liegt aber nicht drin.

Weiter stehen auch Klassenführung und Elternarbeit sowie fachspezifische Angebote auf dem Programm.

“Wenn der Lehrpersonenmangel zurückgeht, wird das Sommer-Camp überflüssig werden”, sagt Leiter Kurt Muhmenthaler (Nau.ch/Riccardo Schmidlin)

2025 nehmen mit 78 etwas weniger Personen teil als in den Vorjahren: 92 waren es 2024, 130 beim ersten Intensivkurs 2023. Damals war das Angebot aber noch nicht mit den heutigen Durchführungen vergleichbar.

Klar sei: Die 14 Tage seien als Einstieg gedacht, sagt Camp-Leiter Kurt Muhmenthaler.

Damit allein sei es nicht gemacht, betont er – und erklärt: “Die Wege stehen grundsätzlich offen: Gerade jungen Teilnehmenden legen wir nahe, dass sie noch ein PH-Studium absolvieren.”

Doch auch einige ältere Teilnehmende hätten Interesse daran. Genaue Zahlen erhebt die PH jedoch nicht.

Sommer-Camp für Lehrer ohne Diplom soll hinfällig werden

Viele setzen auf Weiterbildungen während des Schuljahres. “Die Austauschgefässe – unter den Teilnehmenden sowie mit den Dozierenden – bleiben auch nach dem Camp bestehen.” Das sei äusserst wichtig.

Muhmenthaler betont: “Die Lebenserfahrung der Quereinsteigenden kann einen wertvollen Beitrag leisten und wird gezielt in den Austausch sowie in Gruppendynamiken eingebunden.”

Im Sommercamp werden die Gruppendynamiken gefördert. Teilnehmende des letztjährigen Sommercamps beim persönlichen Austausch. (Bild: PH Bern)

Die beruflichen Hintergründe reichen von sozialen Berufen bis zum Coiffeur-Handwerk.

Idealerweise nehme der Lehrpersonenmangel bald ab. “Dann braucht es auch kein Sommer-Camp mehr”, so Muhmenthaler.

Bis dahin gelte aber: “Solange es vom Kanton unterstützt wird und es braucht, werden wir das Sommer-Camp auch weiterhin anbieten.”

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2 Kommentare

  1. Ein sehr aufschlussreicher Beitrag – herzlichen Dank dafür! Das Sommer-Camp in Bern ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie pragmatisch und engagiert dem Lehrpersonenmangel begegnet wird. Besonders wertvoll erscheint die Verbindung von Lebenserfahrung mit praxisnaher Vorbereitung. Vielen Dank an alle Beteiligten für diesen motivierenden Einblick!
    Regard Unissula

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