Die aktuelle «Job-Hopper-Situation» im Volksschulbereich ist unbefriedigend. In einigen Schulen ist die Situation problematisch und stressig. Das kommende Schuljahr muss geplant werden und der Panikpegel steigt wegen drohender Kündigungen von Woche zu Woche an. Die Frage stellt sich, was eine Schulleitung tun kann, damit der Verbleib einer Lehrperson über eine möglichst lange Zeit erhalten bleibt.
Aus dem Erfahrungsfundus des Autors führen verschiedene Erfolgsfaktoren zu einer stärkeren Lehrpersonen-Bindung an die Institution, die allesamt Gegenstand einer gelebten Schulkultur sind.
12 Erfolgsfaktoren guter Schulführung

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Zuoberst auf der Rangliste steht die Schulführung resp. die rundum kompetente Schulleitung. Sie steht im Zentrum und zeichnet die gute Schule aus. Hierzu muss erwähnt werden, dass nicht jede gute Lehrperson automatisch eine gute Führungspersönlichkeit[1] ist. Bei der Rekrutierung muss deshalb genau hingeschaut werden, damit die Stellenbesetzung von Erfolg gekrönt ist.
Welche Merkmale und Stärken eine Top-Schulleitung ausmachen, ist vielerorts umfassend beschrieben und bekannt. Ungeachtet dessen hebe ich zwölf prägende Eigenschaften heraus, die nach meinem Dafürhalten als Fundament einer guten Schule gelten:
- Die Schulleitung pflegt einen partizipativen Führungsstil. – Schulentwicklungs-Vorhaben mit klaren Visionen und Zielsetzungen werden im Kollegium breit abgestützt. Betroffene werden zu Beteiligten gemacht. Hieraus entsteht das Gefühl der Mitverantwortung und Identifikation.
- Die Schulleitung regelt die Zuständigkeiten. – Bei Co-Leitungen[2] sind die Rollen und Funktions-beschreibungen der Führungspersonen klar und möglichst trennscharf geregelt. Lehrpersonen wissen, wer für sie die primäre Ansprechperson ist.
- Die Schulleitung ist erreichbar. – Die Schulleitung praktiziert das «Prinzip der offenen Türe». Anliegen, die keinen Aufschub erlauben, können rasch und zielführend besprochen und angegangen werden. Die Schulleitung ist für die Lehrpersonen erreichbar. Eine gut organisierte Stellvertretungslösung kommt diesem Bedürfnis entgegen.
- Die Schulleitung beherrscht die Prozesse. – Schulische Abläufe sind bezüglich Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten umfassend definiert und verständlich formuliert. Sie sind beispielweise auf dem Intranet abgelegt und auffindbar. Zum Thema Prozesse gehören insbesondere auch die klaren Regelungen rund um den Unterricht[3].
- Die Schulleitung kommuniziert klar. – Informationen, Regelungen, Weisungen etc., welche durch die Schulleitung publiziert werden, werden offen und transparent kommuniziert. Sie sind für die Lehrpersonen jederzeit und rasch auffindbar.
- Die Schulleitung bietet Mentoring-Programme. – Die Integration neuer Kolleginnen und Kollegen im Schulteam ist der Schulleitung ein grosses Anliegen. Im Anschluss an die formellen Eintrittsaktivitäten übernimmt eine zugeteilte Mentorin oder ein Mentor diese wichtige Begleitaufgabe. Dabei ist wichtig zu wissen, dass hier der «erste Eindruck zählt».
- Die Schulleitung reduziert die Administration. – Um den Kernauftrag «Unterrichten» nicht zu gefährden, werden administrative Tätigkeiten der Lehrpersonen auf ein Minimum reduziert.
- Die Schulleitung fördert die Teamarbeit. – Zusammenarbeitsstrukturen in Form von Teams und Projekt- und Arbeitsgruppen fördern die gegenseitige Unterstützung und erhöht das Zusammengehörigkeits-gefühl. Eine gelebte Teamkultur ist die Folge.
- Die Schulleitung ermöglicht Weiterbildung. – Das Bedürfnis nach beruflicher Entwicklung stärkt die eigene Persönlichkeit und die Motivation. An einer Bildungsinstitution stehen insbesondere diejenigen Kompetenzbereiche im Vordergrund, die mit dem Kernauftrag Unterrichten zu tun haben: Pädagogik, Methodik/Didaktik, und fachliche Lehrplaninhalte.
- Die Schulleitung eröffnet Perspektiven. – Lehrpersonen erhalten die Möglichkeit zur persönlichen oder beruflichen Weiterentwicklung. Dazu gehört typischerweise die Übernahme von Funktionen an der Schule. Das können Aufgaben sein wie Zyklusverantwortung, Medienverantwortung, Hausvorstand, Projektleitung etc. Diesbezüglich ausreichende Ressourcen erleichtern dabei die Arbeit.
- Die Schulleitung pflegt die Wertschätzung. – Regelmässige Feedbacks sind das «Öl im Getriebe». Das Anerkennen von Leistungen den Lehrpersonen gegenüber fördern die Motivation und das Engagement. Dazu gehören auch regelmässige Zufriedenheitsbefragungen, um das Wohlbefinden abzuholen.
- Die Schulleitung wirkt persönlich. – Sie gratuliert den Lehrpersonen zu ihrem Geburtstag. Ein runder Geburtstag einer Lehrperson wird beispielsweise mit einem kleinen Apéro gefeiert, das Kollegium wird dazu eingeladen. Bei der Geburt eines Kindes erhält die Lehrperson ein Präsent für den Nachwuchs. Zu den Mitarbeitenden-bezogenen Aspekten gehören auch die Beachtung und Förderung einer ausgewogenen Work-Life-Balance durch flexible Arbeitszeiten oder Angebote zur Stressbewältigung[4]. Sie erhöhen die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Lehrpersonen.
Fazit
Fluktuationen in der Bildungsbranche, in der die Nachfrage das Angebot übersteigt, können nicht verhindert, jedoch reduziert werden. Die Beachtung und die Pflege der 12 erläuterten Erfolgsfaktoren stellen qualitative Alleinstellungsmerkmale dar, welche eine gute Schule auszeichnen und sie auf dem Bildungsmarkt bekannt machen. Solche Schulen wirken anziehend.
Eine hohe Zufriedenheit der Lehrpersonen setzt Energien frei, die den Schülerinnen und Schülern sowie der Schule als Ganzes zugutekommen. Lehrpersonen fühlen sich der guten Schule zugehörend, verpflichtend und verbindend. Die oft gehörte, pädagogische Aussage «Unterrichten ist Beziehungsarbeit» kann deshalb auch mit den Worten «Führen ist Bindungsarbeit» ausgedrückt werden.
Die Selbstanalyse im Anhang ermöglicht eine Standortbestimmung in Bezug auf den Reifengrad der 12 Erfolgsmerkmale einer guten Schule.
Selbstanalyse
Die Netzdarstellung – als Spider bezeichnet – kann für eine Selbstbeurteilung dienlich sein. Der Reifegrad der Ausprägung sieht wie folgt aus:
- Reifegrad 1 = wenig ausgeprägt, zu entwickeln
- Reifegrad 2 = mittelmässig ausgeprägt, zu verbessern
- Reifegrad 3 = stark ausgeprägt, Stand beibehalten
- a) Doppelklick auf die Tabelle.
- b) Die 12 Reifegrade in die Tabelle eintragen (Zahl 1, 2 oder 3).
- c) Klick auf die Dokumentenfläche ausserhalb der Tabelle. Der Spider wird automatisch angepasst.
- d) Das Spider-Ergebnis wird interpretiert und mögliche Massnahmen werden eingeleitet.
[1] Gerber, N., Schulführung im Alltag, 2023, «Führungsperson versus Führungspersönlichkeit»
[2] In Volksschulen trifft man zunehmend auf Co-Leitungen mit zwei oder mehr Führungspersonen. Seit der Einführung des Lehrplanes 21 werden oft
Zyklusleitungen definiert und besetzt.
[3] Aktuelle Themen sind beispielweise Smartphones/Smartwatches, Disziplinarische Anliegen, etc.
[4] Gerber, N., Schulführung im Alltag, 2023, «Stress – oder: Das Prinzip ‚Denken versus Handeln‘»
Fluktuation steht momentan eher für Flucht. Ich begreife jeden und jede, der/die die Flucht ergreift. Ein Schulsystem, das sich systematisch zu Tode reformiert, so dass in der ersten Sekundarstufe 7×14 zum Apropo wird, hat fertig. Punkt.
Lieber Daniel
Ich gebe unserem Volksschul-System schon noch eine Chance. Allerdings braucht es grosse Anstrengungen, die “Reformitis” einzudämmen und den Kernauftrag wiederum ins Zentrum zu rücken. Hoffnungsvoll stimmt mich die Politik, die langsam zu erwachen scheint und letztlich vorgeben muss, was Auftrag der Volkschulbildung sein muss.
Vieles in diesem Merkmalskatalog zu den Aufgaben der Schulleitung kann ich unterstützen: Kompetente Administration, Wertschätzung, klare Kommunikation, Mentorierung neuer Lehrpersonen, Unterstützung bei Konflikten und Problemen mit Schülern und Eltern (ausgerechnet dieser Punkt fehlt, obwohl er enorm wichtig wäre und bei dem viele “visionäre” Schulleitungen den Schwanz einziehen). Hingegen sträuben sich mir die Haare, wenn die Schulleitung “klare Visionen und Zielsetzungen” vorgibt, die “berufliche Entwicklung” und das “Zusammengehörigkeitsgefühlt” fördern soll. Die Visionen stehen von Anfang an fest: Sie heissen Lehrplan und fachliche und methodisch-didaktische Kompetenz. Daraus ergibt sich rein vernunftmässig die notwendige Zusammenarbeit. Da hat der Lehrperson keine Schulleitung mit irgendwelchen tagesmodischen Psychotheorien dreinzuschwatzen. Die Lehrperson ist als eigenständige Persönlichkeit, die Unterricht erteilt und Klassen betreut, zu achten und nicht zum hörigen Funktionsträger abzustufen. Gerade diese Tendenz, Lehrpersonen ständig in “Visionen” und “Zusammengehörigkeit” einbinden zu wollen, nagt an der Selbstverantwortung und an der Selbstachtung und vertreibt Lehrkräfte von Schulen.
Lieber Felix
Du folgerst mit deiner Argumentation, dass sich aus dem Lehrplan, den fachlichen und methodisch-didaktischen Kompetenzen eine Zusammenarbeit unter den Lehrpersonen ergäbe. Meine Erfahrung sah und sieht anders aus. Dass Lehrpersonen auf der Basis intrinsischer Motivation mit andern Lehrpersonen zusammenarbeiten, sich austauschen und gegenseitig Unterrichtsunterlagen austauschen, ist keineswegs selbstverständlich. Es braucht seitens der Schulleitung manchmal klare Erwartungen und Forderungen. Hinzu kommt, dass die Schule sich weiterentwickeln muss. Es ist nicht so, dass die Kernkompetenzen einer Lehrperson auf immer und ewig ausreichen. Veränderungen müssen nachgefahren werden, was folglich zu Weiterbildungen im Lehrkörper führt. Am Beispiel der Informatik und der zugehörenden Mediendidaktik lässt sich das gut nachvollziehen.
Und: Die Lehrperson ist nicht alleine unterwegs. Sie ist Teil eines Schulteams. Das Motto “Ich und meine Klasse” hat sich verändert zu “Wir uns unsere Schule”. Trotzdem verbleibt bei jedem Lehrer und bei jeder Lehrerin die hohe Verantwortung und das Vertrauen, eine oder mehrere Klassen gut zu unterrichten und zu führen. Die Lehrpersonen sind auch das Fenster gegen aussen und machen letztlich die gute Schule aus!
Ein wichtiger Punkt erwähnt du beim Thema “Unterstützung bei Konflikten mit Schülern und Eltern”. Dieser Support gehört zu einer guten Schulleitung. Ich habe dazu einen eigenen Betrag verfasst, zu finden unter https://condorcet.ch/2025/04/uebergriffe-von-eltern-an-volksschulen-oder-wie-kann-reagiert-werden/
Wahrscheinlich kommt es sehr auf den Schultyp an, ob Zusammenarbeit funktioniert. Auf der Sekundarstufe bei uns war es nie ein Problem. Wir haben Arbeitsblätter, Ideen ausgetauscht, ganz informell, ohne dass die Schulleitung irgendeinen Anstoss geben musste. Jedes hatte aber die Freiheit, die Ideen auf eigene Art in den Unterricht zu integrieren. Allenfalls können Schulleitungen ein Zeitgefäss dafür zur Verfügung stellen. Genau wie Ärzte wissen auch Lehrer genau, wann sie Weiterbildung brauchen und wann nicht. Die Kurse sind jeweils stets von Freiwilligen ausgebucht. Genau jenes “Wir und unsere Schule” ist mir suspekt. Da ist dieses faschistoide Denken dahinter, das den Einzelnen zum Werkzeug einer ideologischen Einstellung machen will, statt die eigene Persönlichkeit walten zu lassen. Ein Beispiel: Nach einer Projektwoche will die Schulleitung, dass wir einen Morgen lang aufräumen und keine Schule halten. Tatsächlich ist aber, wenn alle Jugendlichen mithelfen, das Zimmer in einer halben Stunde aufgeräumt. Also verfüge ich trotz angedrohter Sanktionen: Wir halten von der zweiten Stunde an je eine Lektion Deutsch, Französisch und Englisch. Während die andern Schüler in den Gängen herumtoben, die willfährigen Kollegen im Lehrerzimmer Kaffee trinken, arbeiten wir konzentriert am Stoff, ohne dass die Schulleitung das im allgemeinen Chaos mitbekommt. Frage: War meine Eigenmächtigkeit nicht das klügere Vorgehen als der verfügte Gruppenzwang? Meiner Klasse hat es jedenfalls nicht geschadet.
Lieber Felix
Der Schultyp spielt meines Erfahrung einer untergeordnete Rolle, wenn es um die wirkungsvolle Zusammenarbeit von Lehrpersonen geht. In vielen Fällen funktioniert diese auch, aber leider nicht in allen. Nach wie vor hat es zu viele Einzelkämpfer*innen, die ihr Wissen, ihr Können und ihre Erfahrung – welche gerade auch für jüngere Kolleginnen und Kollegen nützlich und hilfreich wären – für sich behalten; mit dem Argument, sie hätten die Unterrichtsunterlagen schliesslich alle selber gemacht. Ich ärgerte mich immer über solche Äusserungen, weil es nichts mit einer Einschränkung der Lehrpersonen-Persönlichkeit zu tun hat. Die Zusammenarbeit soll letztlich auch zu einer Zeitersparnis bei der Unterrichtsvorbereitung führen, separate Gefässe dazu braucht es nach meinem Dafürhalten nicht. Doch dieses grosse Thema müsste anderswo umfassend beleuchtet werden; ev. in einem separaten Beitrag.
Das zweite Thema rund um die angebliche Aufräumaktion kann ich nicht nachvollziehen.
Lieber Daniel
Ich gebe unserem Volksschul-System schon noch eine Chance. Allerdings braucht es grosse Anstrengungen, die “Reformitis” einzudämmen und den Kernauftrag wiederum ins Zentrum zu rücken. Hoffnungsvoll stimmt mich die Politik, die langsam zu erwachen scheint und letztlich vorgeben muss, was Auftrag der Volkschulbildung sein muss.