Unterrichtsstörungen gibt es in vielfältiger Zahl. Heute ist es zur Abwechslung mal der Probefeueralarm. Wir Lehrkräfte sind informiert, ich habe die vierte Stunde extra für 30 statt für 45 Minuten konzipiert, damit ich vor dem Alarm mit dem Stoff durch bin. Nur Amateure und Quereinsteigende lassen sich noch vom Probefeueralarm überraschen.
Hitzefrei ist natürlich die Ausnahme. Doch auch an kühlen Tagen ist es laut
Schule ist ja generell ein lauter Arbeitsort. Bei Probefeueralarm ist es noch ein bisschen lauter als sonst. Ganz oben auf der Liste der Top-3-Lärmereignisse ist aber der Moment nach der Hitzefreidurchsage in einer siebten oder achten Klasse. Innerhalb von Nanosekunden mischt sich hier das Jubelgebrüll von sagen wir 30 Kindern mit dem Gerumpel von Stühlen, die im Eifer des Gefechts gern auch mal umfallen oder vom Tisch runterfallen. Dazu die eigene Stimme am Rande des Überschnappens, um diesen Irrsinn zu übertönen “Alle Stühle hoch, Fenster zu und die Hausaufgaben nicht vergessen!” Das alles in brandschutzgerechten Räumen ohne Teppich. Den letzten Teil mit der eigenen Ansage kann man auch weglassen, dann muss man aber selbst die Hälfte der umgeschmissenen Stühle auf die Tische stellen und die Fenster zumachen – und das wird von der Schulleitung nicht als Arbeitszeit bewertet, sondern als pädagogisches Versagen.
Nur Amateure und Quereinsteigende lassen sich noch vom Probefeueralarm überraschen.

Hitzefrei ist natürlich die Ausnahme. Doch auch an kühlen Tagen ist es laut. In Niedersachsen hat man gemessen, dass der Pegel lärmender Kinder zwischen 60 und 90+ dB(A), also Dezibel, liegen kann. Das ist mehr als doppelt so laut, wie einer konzentrierten Arbeit zuträglich und in der Spitze lauter als ein Lastwagen. Form und Beschaffenheit der Räume spielen dabei als Schallverstärker eine große Rolle, ebenso wie die “gleichzeitig agierenden lärmenden Nutzer”. (1)
Das ist nicht nur im Norden Deutschlands so. Zu den gleichen Messergebnissen kommt man auch im Süden, so z. B. der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband BLLV, (2) aber ich halte mich lieber an die Daten eines Kultusministeriums, Arbeitsschutzverbands oder des Deutschen Ärzteblatts. (3) Sonst heißt es wieder, die Aussagen kommen nur von Lobbyverbänden oder von der politischen Opposition. (4)
Lärmschutz ist sogar gesetzlich geregelt. Zum Beispiel in der Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung – Lärm Vibrations ArbSchV) § 8 Gehörschutz. (5)
Lärmschutzkopfhörer bedeuten baldige Hitzefreidurchsage
Korrekt wäre demnach, erst genormte Schallschutzkopfhörer auszugeben und dann die Hitzefreidurchsage zu machen. Was natürlich in der Realität ein bisschen lächerlich aussehen und nur zweimal funktionieren würde. Schülerinnen und Schüler sind ja unglaublich lernwillig und spätestens beim dritten Mal hätten sie verstanden, dass die mitgebrachten Lärmschutzkopfhörer der Lehrkraft bedeuten, dass bald die Hitzefreidurchsage kommt. Und dann würden sie einfach schon in dem Moment losbrüllen, in dem sie den Kopfhörer sehen und nicht mehr auf die Durchsage warten.
Hätte ich das mit dem Lärm im Studium schon gewusst, hätte ich mich vielleicht tatsächlich mit der familiären Vorbelastung auseinandergesetzt. Wer nämlich genetisch eine Disposition zu Kopfschmerzen oder gar Migräne hat, der ist hier täglich einem Trigger ausgesetzt und sich dessen gar nicht ausreichend bewusst.
Ich habe eine Lärm-CD, auf der ist von Föhn über Lastwagen bis zu Presslufthammer alles drauf. Gibt es auch mit Bonustrack Motorsäge. Die höre ich mir morgens bei der Vorbereitung des Frühstücks zur Einstimmung auf den Schultag immer an.
Aber auch ohne Hang zum Kopfschmerz ist Konzentrationsarbeit unter Lärm deutlich anstrengender als in einem leisen Büro. Kein Wunder also, dass viele Lehrkräfte so erschöpft sind.
Ich habe auch hier vorgesorgt mit dem Modul Umgang mit Lärm kann man lernen. Das funktioniert so ähnlich wie bei Leuten, die Angst vor Spinnen haben. Denen zeigt man erst mal für eine Viertelsekunde das Bild einer ganz winzigen Spinne und dann immer länger und die Bilder werden größer und dann am Schluss schaffen sie es, dass eine Tarantel über ihre Hand krabbelt.
Beim Lärm geht es so ähnlich. Ich habe eine Lärm-CD, auf der ist von Föhn über Lastwagen bis zu Presslufthammer alles drauf. Gibt es auch mit Bonustrack Motorsäge. Die höre ich mir morgens bei der Vorbereitung des Frühstücks zur Einstimmung auf den Schultag immer an.
Es könnte vielleicht helfen, das Thema bei Schulleitungen und Lehrkräften ein bisschen mehr publik zu machen. Damit könnte man viel Zeit sparen und viele unnötige Gespräche vermeiden. Die Schulleitungen müssten bei Kopfschmerzen und Erschöpfungsanzeichen weniger in den Personalakten nach anderen Gründen suchen. “Was, Sie haben oft Kopfschmerzen? Sie setzen sich einfach selbst zu stark unter Druck. Kleine Kinder haben Sie ja auch noch. Wahrscheinlich ist Ihnen das alles ein bisschen zu viel, junge Kollegin …”
Und die Lehrkräfte könnten sich die Selbstzweifel sparen und stattdessen gleich an die Wurzel für die Kopfschmerzen kommen. Und diese dann gezielt angehen. Zum Beispiel könnten sie abends beim Yoga den Kopfstand machen. Dabei wird der Kopf gut durchblutet und es hilft, mal die Perspektive zu wechseln und Dinge in einem anderen Licht zu betrachten. Und dann könnten sie in ihr Dankbuch schreiben: Heute war besonders schön, dass wir kein Hitzefrei hatten.
Postskriptum: Messergebnisse von Lärm und mögliche Auswirkungen
“Schallpegelaufzeichnungen während des Unterrichtes in Klassenräumen, Werkräumen, Musikräumen und Sporthallen zeigen bei einem hohen Anteil der Lehrkräfte aller beteiligten Schulkollegien eine deutliche Beeinträchtigung der psychophysischen Verfassung. Diese Reaktionen können schon bei Schalldruckpegeln wesentlich unterhalb 80 dB (A) auftreten. Auffällig ist auch der geringe Erholungswert von Unterrichts-Pausen, so dass sich die psychophysische Leistungsfähigkeit im Sinne zunehmender Erschöpfung von der ersten zu späteren Unterrichtsstunden hin verschlechtert. Die Schallpegel während des Unterrichts übersteigen oft das für ‘geistige’ oder ‘informatorische’ Arbeit günstige Maß um ein Mehrfaches.” (6) Folgende Probleme kann Lärm auslösen:
- Störungen der Spracherkennung
- Veränderungen des Blutdrucks
- Veränderungen des hormonellen Status – besonders der Stresshormone
- Veränderung der Gehirnpotenziale
- Als Folgewirkung: Schädigung der Organe und Organsysteme
- Schädigung des Stimmapparats durch anhaltend lautes Sprechen
- Schädigung des Innenohrs bei Dauerbelastung: Hörstörungen und Tinnitus. (7)
Quellenverweise:
2 https://www.bllv.de/akademie/fit-bleiben-im-beruf/akustik-und-laerm/laerm-als-stressursache
3 https://www.aerzteblatt.de/archiv/170601/Lehrergesundheit; DGUV, S. 42
4 Zeitschrift Pädagogik, Ausgabe 5/24, Beltz Verlag, Weinheim, S. 38
5 https://www.gesetze-im-internet.de/l_rmvibrationsarbschv/__8.html