3. Dezember 2024
Dagmar Rösler

Die oberste Lehrerin wünscht behördliche Rückendeckung

Dagmar Rösler wünscht von den Bildungsbehörden Vorgaben, wie die Schule politische Ereignisse behandeln soll, damit nicht der Vorwurf der Indoktrination erhoben werde. Diese politische Einordnung müsse ganz früh, sogar bereits im Kindergarten beginnen. (1)

Röslers Begehren wirkt wie ein Hilferuf um Rückendeckung, sie wünscht eine didaktische Normierung, die Lehrkräften Immunität garantiert, wenn sie sich im Unterricht politischer Themen annehmen, damit sie vor dem Vorwurf der unstatthaften Beeinflussung geschützt sind. Es tönt ein bisschen nach Abschiebung der Verantwortung.

Condorcet-Autor Felix Schmutz

Tatsächlich braucht es solche zusätzlichen Regelungen nicht. Politische Propaganda irgendwelcher Couleur, subjektive Stellungnahmen gehören schon heute nicht in den Unterricht der Staatsschule. Es sollte in der professionellen Kompetenz der Lehrpersonen liegen, wie sie politische Themen mit ihren Klassen angehen. Weitergehende engmaschige Regelungen entmündigen die Lehrpersonen. Es dürfte ausserdem schwierig sein, Vorgaben zu machen, die für alle politischen Themen und für alle Schulstufen in gleicher Weise gültig sind.

Unscharf ist der Begriff «Einordnung», den Rösler als Lernziel formuliert. Einordnung geht nicht ohne Interpretation, ohne Deutung. Gerade die Deutung der Ereignisse oder der Themen von Abstimmungen beinhaltet eine stark subjektive Gesinnungskomponente, die als Beeinflussung gedeutet werden kann. Wenn eine Lehrperson ihre eigene Meinung zu einem umstrittenen Thema bekannt geben will, muss sie dies deutlich zum Ausdruck bringen, indem sie die Basis, von der aus sie urteilt, als Grundlage zu erkennen gibt.

Es tönt ein bisschen nach Abschiebung der Verantwortung.

 

Entscheidend sind bei der Behandlung politischer Themen erstens die Klärung der Tatsachen (Worum geht es?) und zweitens die Gegenüberstellung der Argumente (Z.B. Dafür spricht, dagegen spricht, Vorteile und Nachteile, etc.). Dies ist in erster Linie Information und Erläuterung, nicht «Einordnung». Die selbstständige «Einordnung» und Meinungsbildung müssen die Lernenden selbst leisten. Das können sie auch, wenn sie die Angelegenheit verstanden haben. Sie müssen aber die Freiheit haben, eine Stellungnahme zu finden, die von derjenigen der Lehrperson abweicht.

 

(1) Sonntagsblick vom 21.07.2024: Oberste Lehrerin fordert klare Vorgaben für die politische Bildung (https://www.blick.ch/politik/politik-in-der-schule-oberste-lehrerin-fordert-klare-vorgaben-fuer-die-politische-bildung-id19964494.html)

image_pdfAls PDF herunterladen

Verwandte Artikel

Zur 76sten Ausgabe von WIDERSPRUCH: Jugendliche stellen Ordnung in Frage

Julia Klebs ist Lehrerin in Basel und Redakteurin der Zeitschrift Widerspruch. Der Widerspruch sieht sich seinerseits als ein wichtiger Ort kritischer Reflexion und gesellschaftlicher Analyse. Er bezeichnet sich als eine konstante Stimme in der Diskussion für eine soziale und gerechte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Julia Klebs, im Condorcet-Blog keine Unbekannte, stellt in diesem Beitrag die neuste Ausgabe, das Heft 76 vor. Es geht um die Jugend, um ihre Perspektiven, ihre Herausforderungen und um Bildungspolitik. Dabei sind auch kritische linke Töne zu den aktuellen Schulreformen rund um PISA zu vernehmen.

2. Teil: Kompetenzen, Standards: Alles klar?

Wir veröffentlichen heute den 2. Teil der Abhandlung von Felix Schmutz. Der Condorcet-Autor belegt darin den angestrebten Umbau unseres Unterrichts. In seiner umfassenden, verständlichen und klar gegliederten Analyse darf dieses Dokument als “document pédagogique” bezeichnet werden, ganz in der Tradition unseres Vorbilds Jean-Marie de Condorcet!

Ein Kommentar

  1. Wenn der Staat politische Bildung vorgibt, dann ist der Weg zur Indoktrination vorgezeichnet – Deutschland macht es vor. Wehret den Anfängen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert