Im Zusammenhang mit der Einführung des Lehrplans 21 wurde das bisher eigenständige Fach «Geschichte» mit dem bisher eigenständigen Fach «Geografie» fusioniert zum Fach «Räume, Zeiten, Gesellschaften» (RZG). Dazu wurde den beiden Fächern noch eine Wochenlektion gekappt. Das heisst, aus den bisherigen vier Wochenlektionen für zwei Fächer sind es jetzt noch deren drei. Hinzu kommt, dass die Stoffmenge nicht entsprechend gekürzt wurde. Ausserdem bleibt Staatskunde und politische Bildung weiter als Teil des Faches Geschichte bestehen. Dies ist die Situation, die die Starke Volksschule St. Gallen bewog, das Thema aufzugreifen und dessen vielseitige Implikationen an die Öffentlichkeit zu bringen.
Die beiden Referenten Mario Andreotti und Hanspeter Amstutz stellten aus unterschiedlichen Blickwinkeln die folgenden Befunde zur aktuellen Lage des Geschichtsunterrichts an der Volksschule und an den Gymnasien fest:
- Drastische Abnahme der Geschichtskenntnisse.
- Abschied vom reinen Faktenwissen zugunsten von Kompetenzen, was zu einer Beliebigkeit in der Stoffauswahl führt.
- Geschichte wird mehr und mehr in thematischen Längsschnitten unterrichtet (z.B. Geschichte des Sklavenhandels) statt in Epochen.
- Geschichte der Schweiz wird vernachlässigt.
- Kompetenzziele sind zu akademisch
Verhinderer oder Ewiggestrige?
Angesichts des ungebremsten gesellschaftlichen und technologischen Wandels stellt sich die Frage, weshalb sich die Referenten so vehement für eine Aufwertung des Faches Geschichte stark machen. Sie setzen sich damit der Gefahr aus, als Verhinderer oder Ewiggestrige abgestempelt zu werden. Diesem Vorwurf halten sie die grosse kulturelle und gesellschaftspolitische Bedeutung des Wissens über Geschichte entgegen:
- Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.
- Geschichte hilft uns zu begreifen, wer wir sind und wie wir dazu geworden sind.
- Wissen um unsere Vergangenheit ist Teil unserer Kultur.
- Mythen stiften Sinn und Identität (vgl. Gründungssaga der Stadt Rom), sie sollten aber als Mythen erkennbar sein.
- Landes-, respektive Lokalgeschichte als Gegengewicht zur Globalisierung.
Die Forderungskataloge für die Volksschule und das Gymnasium wurden vom Publikum intensiv diskutiert. Es bleibt zu hoffen, dass sich Politik und Bildungsverwaltung im Klaren darüber sind, welch grossen Schatz sie mit der fortschreitenden Marginalisierung des Geschichtsunterrichts im Begriff sind zu verspielen.