Das müssen wir nicht erst seit heute. 2017 hat die BILD-Zeitung die Schule neu gedacht.
- Daten-Brillen für Virtual Reality (VR) ermöglichen Exkursionen in den Dschungel, die Tiefsee oder historische Zeiten
- Haben die Schüler die Lernstationen absolviert, können sie auf Sofas und Sitzsäcken lümmeln, relaxen und Kraft tanken
- Handys sind die neuen Bücher!
- Alle Schüler gehören auf eine Schule!
- Schulfächer gehören abgeschafft!
Natürlich haben Sie dabei Experten befragt:
Bildungsexperte Hurrelmann: „Lehrer müssen vom Pauker zum Trainer werden: Sie geben Vorgaben, überwachen die lernende Schülerschaft und greifen nur ein, wenn es nötig wird.“
„Hunderte von Stunden verbringen viele Schüler und Lehrer jährlich in Räumen, die erschweren, was eigentlich ermöglicht werden soll: gut zu lehren und zu lernen“, sagt der Pädagoge Joachim Kahlert von der Uni München.
Der Forscher hat an einer bayerischen Grundschule den idealen Klassenraum konzipiert. Ergebnis nach vielen Tests: Dreieckige Tische, warme Farben, Pflanzen, viel Tageslicht und Raumtrenner, die je nach Lerninhalt eingesetzt und schnell umgebaut werden können.
Dreieckige Tische sind also der Schlüssel zur Qualität im Bildungswesen.
Auch die FDP will die Schule neu denken:
Nur 26,2 % unserer Schülerinnen und Schüler des Sekundarbereichs I haben Zugang zu WLAN
Um unseren Kindern die besten Zukunftschancen zu ermöglichen, brauchen wir mehr digitale Bildung.
Digitale Bildung mit einem analogen Gehirn. Mehr Optimismus!
Und jetzt denkt die Landeschefin der Grünen, Lena Schwelling, die Schule neu. An G8 will sie im Gegensatz zu den Nachbarländern festhalten. Zwar gibt es “zu viel Unterrichtsstoff”, aber dieses Problem löst man nicht durch Rückkehr zu G9, sondern durch Entrümpelung der Lehrpläne:
Wir müssen Lehrpläne entrümpeln und weniger Faktenwissen pauken lassen, das ohnehin auf dem Smartphone verfügbar ist.
Und wer nichts weiss, muss alles glauben, was auf dem Smartphone an Faktenwissen verfügbar ist. Das ist eine ganze Menge.
Vieles, was die Gemeinschaftsschulen heute machen, bewährt sich. Das müssen wir auf andere Schularten übertragen.
Wer nichts weiss, muss alles glauben, was auf Smartphones an Faktenwissen verfügbar ist.
Wie man dem Bericht über die Vergleichsarbeiten von 2022 entnehmen kann, ist das richtig. Jedenfalls wenn das Ziel die Entrümpelung der Lehrpläne ist:
Achtklässler in BW verfehlen laut den jüngsten Vergleichsarbeiten häufig Mindeststandards in Rechtschreibung und im Rechnen. Besonders auffällig sind die Gemeinschaftsschulen.
Rechtschreibung und Rechnen wird überbewertet. Wozu hat man Smartphones.
Frau Schwelling muss dabei keine Expertin fragen, sie ist selbst eine. Abitur auf der Waldorfschule, Studium von Germanistik und Geschichte, danach hat sie in der Stabstelle für Digitalisierung beim öffentlich-rechtlichen IT-Unternehmen Komm.ONE gearbeitet. Man fragt sich, ob sie in ihrem Germanistikstudium etwas über IT gelernt hat, aber wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Komm.ONE das Unternehmen ist, das die eine Woche vor Einführung wegen technischer Probleme abgeschaffte digitale Bildungsplattform Ella zu verantworten hat, dann ahnt man, dass die Antwort auf diese Frage wohl “Nein” heißt. Danach hat sie in einem Zweitstudium einen Master (heißt das nicht Mistress?) in irgendwas mit Verwaltung gemacht. Weil Faktenwissen plötzlich nützlich ist, wenn man Oberbürgermeisterin von Ulm werden will.
Franz Lemmermeyer
Franz Lemmermeyer ist Mathematiker, Mathematiklehrer und Mathematikhistoriker in Ellwangen (D). Er schrieb ein Buch über die Geschichte von Reziprozitätsgesetzen in der Zahlentheorie, Reciprocity Laws. From Euler to Eisenstein (2000)., Mathematik.
Den Condorcet-Leserinnen und Lesern wird er vor allem durch seine bissigen Kommentare aufgefallen sein, die er gelegentlich unter einzelne Artikel in unserem Blog absetzt. Was wir nicht wussten: Herr Lemmermeyer betreibt nebenbei noch einen Blog (http://schule-mathematik.blogspot.com). Auf diesem Blog veröffentlicht Herr Lemmermeyer seine ziemlich bissigen Kolumnen und Analysen zur deutschen Bildungspolitik. Mit seiner freundlichen Genehmigung dürfen wir Ihnen -liebe Condorcet-Leserinnen und Leser – ab und zu einen Text aus seiner Werkstatt vorstellen.
Äss khippth gaine Ghartophelnn mär!