4. November 2024

Universitätsrat Ulrich Looser: «Die Sekundarschule hat sich leider entwertet»

Die Akademisierung: Gibt es sie nun oder nicht? Der bildungsverantwortliche der Economie Suisse, Ulrich Loooser hält sie für einen Fact und das bereitet ihm Sorgen. Welche Hochschulen braucht das Land? Lesen Sie dazu den Bericht des Nebelspalter-Journalisten Daniel Wahl.

Danel Wahl, Journalist Nebelspalter

Die Zahl der Studenten und der angehenden Doktoranden an Fachhochschulen und Universitäten nimmt jährlich um etwa 1,5 Prozent zu. Im vergangenen Jahr waren es noch 276’000 Studenten in der Schweiz. Im Jahr 2031 werden die Steuerzahler die Ausbildung von 320’000 Immatrikulierten an Hochschulen finanzieren müssen.

Vor diesem Hintergrund lud die Autorenzeitschrift «Schweizer Monat»  zur Diskussion und stellte die Frage, welche Hochschulen das Land braucht. Und ob etwa die anwendungsorientierten Fachhochschulen auch Doktorate anbieten dürfen? Letzteres Thema spaltet die Hochschullandschaft, wie die Diskussion zwischen der Doktorandin Hannah Schoch von der Zürcher Ideenschmiede Reatch für kritische Wissenschaftler und Ulrich Looser, Bildungsverantwortlicher bei Economiesuisse und Zürcher Universitätsrat zeigt. Grund für die fortschreitende Akademisierung seien unter anderem die schlechter gewordenen Sekundarschulen.

Als Bildungs- und Forschungsstandort spielt die Schweiz weltweit in der obersten Liga. Seine Qualität hat der Schweiz den Titel der «Innovationsweltmeisterin» gebracht. Diese Attraktivität führt zu einem Ansturm an den Universitäten; zu einer Akademisierung der Berufswelt. Das zeigen die nackten Zahlen. Im Jahr 2020 ist die Zahl der Studenten um 4,8 Prozent gestiegen (+12’400 Studierende). 2021 hat sich dieses Wachstum fortgesetzt (+2,3 Prozent), insbesondere aufgrund des markanten Anstiegs der ausländischen Eintritte in die universitären Hochschulen auf Stufe Master (+25 Prozent im Jahr 2021), wie das Bundesamt für Statistik ausweist.

Fachkräfte ohne akademischen Hintergrund

Doch bringen Hochschulen jene Absolventen hervor, die die Wirtschaft und die Gesellschaft benötigen? Ulrich Looser betrachtet die Entwicklung mit Besorgnis: «Die Wirtschaft braucht Fachkräfte im Gewerbebereich, im Pflegebereich. Wir brauchen Solartechniker, Haustechniker – das ist alles keine Frage der Akademisierung. Dennoch verzeichnen die Gymnasien einen enormen Zulauf.»

Es findet ein mit Privatunterricht und Nachhilfestunden verbundener Aufrüstungswettbewerb statt.

Der Grund dafür sieht Looser in einer «Entwertung der Sekundarschulen» – eine entwertete Bildungsstufe, die junge Menschen in die Berufsbildung führen würde, wo die Schweiz noch in der Champions League spielt. Das zeigte sich übrigens an den Worldskills im November, an denen Lehrlinge aus der Schweiz bei 34 Disziplinen 19 Gold-, Silber- und Bronzemedaillen abräumten. Maurer, Elektroinstallateure, Anlagetechniker und viele andere sind Spitzenreiter in Europa. Doch der Leistungswille und die Fördermöglichkeiten sind den Sekundarschulen verloren gegangen. Ursache dafür sieht der Economiesuisse-Bildungsverantwortliche in den integrativen Schulmodellen, welche das Niveau nach unten ziehen (vergleiche: Lehrerverband soll seine Forderungen verschärfen).  Die Folge davon: Es findet ein mit Privatunterricht und Nachhilfestunden verbundener Aufrüstungswettbewerb statt. Die Schweizer drängt’s in die Hochschulen.

Konkurrenzdenken im Wachstumsmarkt

Hannah Schoch, Vorstandsmitglied von Actionuni und Eurodoc Delegierte. Sie hat Englische Sprach- und Literaturwissenschaft, Filmwissenschaft, Philosophie und Gender Studies studiert und doktoriert in der Amerikanistik an der Universität Zürich.

Vom Wachstum profitieren nicht nur die Universitäten. Auch die Fachhochschulen legen mit Wachstumsraten von 13 Prozent und den pädagogischen Hochschulen von gar 26 Prozent ordentlich zu.

Indessen entwickelt sich zwischen den Fachhochschulen und den Universitäten ein Konkurrenzkampf. «Die Fachhochschulen haben kein Recht, Doktoranden auszubilden, müssen aber eigenes Personal heranziehen, um das Wissen weiterzugeben», bemängelt Doktorandin Hannah Schoch und spricht von einer «Knacknuss». Beim Erwerb eines Doktortitels gehe es schliesslich immer weniger um Prestige, Status und die Möglichkeit einer akademischen Karriere an einer Universität. Vielmehr stünden die Kompetenzen – die Skills, wie sie sagt, im Vordergrund, die man mit einem Doktortitel erwirbt. Beispielsweise die Fähigkeit, ein Projekt zu managen.

Verwässertes Profil

Looser, Mitglied des Universitätsrats der Uni Zürich, wehrt sich «Die Fachhochschulen müssen aufpassen, dass sich ihr Profil nicht verwässert. Die Fachhochschulen seien mit dem Ziel aufgebaut worden, die Wirtschaft mit einer praxisorientierten Ausbildung zu unterstützen. «Doktorate an der Fachhochule – da ist die Wirtschaft strikte dagegen.» Nur hervorragende Absolventen – da habe die Universität Steuerungsmöglichkeiten – sollen für ein Doktorat zugelassen werden – und zwar an den Universitäten.

Economiesuisse, so Looser, spricht sich darüber hinaus für eine Schärfung der Bildungsetappen aus (hier): Der Bachelor solle in allen Fächern als eigenständiger Abschluss mit breiter Grundausbildung aufgewertet werden, während spezifische Vertiefungen dem Master-Studium vorbehalten bleiben.

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