Die dunklen Tage und das Problem der perfekten Arbeit

Kalya Strazza, unsere jüngste Autorin, besucht das Seeland-Gymnasium in Biel. Heute berichtet sie über ihre Sorgen betreffend der bevorstehenden Maturarbeit, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Vofreude überwiegt.

Kayla Strazza, Gymnasiastin in Biel: Die Zeit ist da, Maturarbeit.

Die Temperaturen werden stetig kälter und jeden Morgen, wenn ich um halb sieben den Weg zum Bus bestreite, scheint es dunkler zu sein als am Tag zuvor.

Für viele meiner Klassenkamerad:innen und mich trägt der Beginn des Winters nicht gerade zur Motivation für Schularbeiten bei, viele von uns fühlen sich unmotiviert, überhaupt ihre Bücher auszupacken. Hinter all dem normalen Stress, an den wir uns die letzten zweieinhalb Jahre schon etwas gewöhnt hatten, lauert nun ein noch grösserer Schatten: die Maturaarbeit.

Das Problem der Perfektion

Ein persönliches Problem, welches mich in der letzten Zeit beschäftigt hatte im Zusammenhang mit unserer Maturaarbeit, ist die sogenannte «perfekte Arbeit».

Nicht immer war es leicht für mich, eine Perfektionistin zu sein. Viele Arbeiten türmen sich auf meinem Schreibtisch, zu grosse Angst hatte ich, sie nicht perfekt hinzukriegen, deshalb fing ich gar nicht erst an.

Ich denke, der erste Schritt bei diesem riesigen bevorstehenden Arbeitsprojekt, welches uns ein Jahr begleiten wird, ist zu akzeptieren, dass der Prozess nicht immer perfekt ablaufen wird.

Ich denke, der erste Schritt bei diesem riesigen bevorstehenden Arbeitsprojekt, welches uns ein Jahr begleiten wird, ist zu akzeptieren, dass der Prozess nicht immer perfekt ablaufen wird. Viel wichtger ist es, einfach mal anzufangen, sich also von dieser Perfektionsmanie zu verabschieden.

Die Themenfindung

Eine andere Hürde, die vielen Gymerschüler:innen begegnet, ist ein originelles, präzises Thema zu wählen. Dieses Thema wird jeden und jede von uns für ein Jahr begleiten, es muss uns interessieren und uns am Ball halten. Es soll kompliziert, aber nicht zu komplex sein. Wenn sich schliesslich eine für uns passende Idee herauskristallisiert hat, stellen wir sie einer Lehrperson vor, nur um herauszufinden, dass Schüler:in XY sich genau mit diesem Thema vor nur drei Jahren beschäftigt hatte. Die Suche geht also weiter.

Das Mentorenprogramm

Nachdem wir uns genügend mit möglichen Themenvorschlägen auseinandergesetzt haben, legen wir uns auf ein paar Entwürfe fest, die wir schliesslich einer Lehrperson vorschlagen, die unsere Mentorin werden soll. Diese sind rar – Lehrpersonen, welche das Fach Pädagogik und Psychologie betreuen beispielsweise, nehmen gar keine Personen an, welche sich nicht diesem Schwerpunktfach gewidmet haben, obwohl die Maturaarbeit in einem gewählten Fach geschrieben wird.

Es ist also gut möglich, dass ein oder zwei Schüler:innen im Dezember immer noch keine betreuende Lehrperson gefunden haben, ihnen wird dann eine freie zugeteilt. Schlussendlich jedoch hat jede und jeder jemanden, der als Betreuer:in agieren kann.

Wichtig hier finde ich, dass man eine Lehrperson auswählen kann, welche man schon kennt und von der man weiss, dass die Zusammenarbeit erfolgversprechend und inspirierend ablaufen wird.

In meinem kurzen Text habe ich vor allem negativ über die stressige, zeitaufwändige Maturaarbeit gesprochen. Jedoch finde ich die Sache mit der Maturaarbeit letzten Endes sehr spannend und motivierend. Die ganzen zweieinhalb Jahre, welche ich bis jetzt am Gymnasium verbracht hatte, lernte ich, selbstständiger zu sein, mehr auf mich selbst zu bauen und mich selbst für meine Aufgaben und Pflichten verantwortlich zu zeigen. Die extrem selbstständige Maturaarbeit krönt diesen Arbeitsprozess des individuellen Lernens. Obwohl wir mit unserer Mentorin bzw. unserem Mentor stets eine Bezugsperson haben, welche man um Rat fragen kann und welche mit einem Ziele festlegt, ist es schlussendlich die eigene Arbeit, die niemand für einen schreiben kann. Am Anfang des Gymnasiums schien diese Aufgabe nahezu überwältigend, aber immer mehr beginne ich zu realisieren, dass man vielleicht doch nicht vor einer unüberwindbaren Wand steht, wenn man dieses riesige Projekt angehen muss. Und ich freue mich auf das Gefühl des Stolzes, ein Thema, welches mich persönlich interessiert, selbständig verfolgen und bearbeiten zu können, und natürlich auf das fertige Produkt, welches aus meiner Hand entstehen wird. Ich werde den Leserinnen und Lesern zwischendurch gerne einmal einen Zwischenstand senden, das heisst, wenn es die Redaktion erlaubt und für relevant befindet.

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