28. März 2024

Ökonomisierte Bildung – Überlegungen zu neoliberalen Bildungsreformen und ihren Folgen

Der Condorcet-Blog ist ein Diskursblog, der von linken, liberalen und konservativen Persönlichkeiten gemeinsam betrieben wird. Es freut uns daher sehr, dass wir mit Dominic Iten einen pointiert linken Bildungsfachmann als Autor aufschalten dürfen. Seine Analysen des Ist-Zustands werden wohl auf viel Zustimmung stossen. Bei der Ursachenforschung dürfte es auch Widerspruch geben. Der WOZ-Journalist und Widerspruch-Herausgeber sieht die Anfänge der Ökonomisierung unserer Bildungslandschaft in den USA.

Dominic Iten, Lehrer in Bern, Redaktor des Widerspruch: Ein Teil der Linken hat hier mitgemacht.

Die neoliberale Wende: Das Paradebeispiel USA

Die Umsetzung der neoliberalen Agenda hat ein Eindringen von ökonomischen Prinzipien in sämtliche Lebensbereiche zur Folge: Alles wird zur Ware – auch die Bildung und jene, die sie vermitteln oder sich aneignen. Entgegen geläufigen Vorstellungen bedeutete die neoliberale Wende aber nicht das Zurückstutzen des Staates bis zu seiner Bedeutungslosigkeit. Vielmehr soll er die optimalen Rahmenbedingungen für einen Wettbewerb schaffen, der das Kapital begünstigt, und nur dort eingreifen, wo Korrekturen vonnöten sind. Staatsausgaben werden reduziert und die ehemals verstaatlichten Bereiche so weit privatisiert, als sich damit profitable Geschäfte machen lassen.

Das Individuum wird ins Zentrum gerückt, die individuelle Leistung wird zur massgeblichen Bestimmungsgrösse für den Wert des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft.

Demokraten und Republikaner haben in den USA die Bildungsreformen zu verantworten.

Die USA gelten als Paradebeispiel für einen neoliberalen Umbau des Bildungswesens. Mit dem Amtsantritt von Ronald Reagan, der präsidialen Speerspitze des Neoliberalismus, lässt sich dieser Wandel eindrücklich nachvollziehen: War die öffentliche Volksschule in den USA bis in die frühen 80er Jahre eine weitgehend anerkannte Institution, wurde die Bildung nun zunehmend dem Markt überlassen. Typischerweise geht damit eine verstärkte Evaluationstätigkeit einher: Schulische Leistungen werden mittels standardisierten Tests gemessen und überprüft, Schulen und Lehrpersonen haften für die Qualität des Unterrichts. Sollten die erbrachten Leistungen den eingeführten Standards nicht genügen, hat dies Schulschliessungen und Entlassungen der Bildungsverantwortlichen zur Folge. Sowohl Erfolg als auch Misserfolg hat jede:r selbst zu verantworten: Das Individuum wird ins Zentrum gerückt, die individuelle Leistung wird zur massgeblichen Bestimmungsgrösse für den Wert des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft. Der Staat soll genau dafür die nötigen Anreize setzen. In der Konkurrenz mit privaten Anbietern sollen die öffentlichen Schulen zu mehr Effektivität und Effizienz gezwungen werden. Marktkräfte mussten entfesselt, öffentliche Dienstleister wie die Schule durch private Konkurrenten herausgefordert werden.

Die Durchsetzung der Bildungs- und anderer neoliberaler Reformen konnte nur unter tatkräftiger Mithilfe sozialdemokratischer und gesellschaftlicher Kräfte gelingen.

Fitzgerald Crain, ehemaliger Dozent für pädagogische Psychologie an der Universität Basel und Professor an der Pädagogischen Hochschule FHNW

Der Fluss öffentlicher Gelder wurde also nicht eingestellt, sondern umgeleitet: Fitzgerald Crain, ehemaliger Dozent für pädagogische Psychologie an der Universität Basel und Professor an der Pädagogischen Hochschule FHNW, stellt fest: «Die Privatisierung wurde schliesslich dadurch gefördert, dass öffentliche Gelder in private beziehungsweise halbprivate Bildungseinrichtungen – die sogenannten ‘Charter Schools’ – umgeleitet wurden. Eine Parallelwelt von Unternehmen, die sich mit Testentwicklung, Testdurchführung, Schulentwicklung und Beratung befasst, etablierte sich.» Diese in den 80er Jahren angestossene Entwicklung wurde bis heute weitergefördert, unabhängig davon, ob sich das Land gerade unter demokratischer oder republikanischer Führung befand. Es spricht für die Wirkmächtigkeit des neoliberalen Paradigmas, dass seine Forderungen zu wesentlichen Teilen in die Programmatik seiner ‘Gegner’ eingeflossen sind. Dass sich die Sozialdemokratien im Laufe der vergangenen Jahrzehnte von ihrem ursprünglichen Ziel, der Überwindung der Marktwirtschaft, abgewandt und inzwischen ihr reibungsloses Funktionieren zu ihrem Ziel erklärt haben, ist für den Erfolg neoliberaler Politik entscheidend gewesen. Die Durchsetzung der Bildungs- und anderer neoliberaler Reformen konnte nur unter tatkräftiger Mithilfe sozialdemokratischer und gesellschaftlicher Kräfte gelingen.

Die öffentliche Schule wird im Vergleich mit den privaten und halb privaten Schulen tendenziell schlechter, was unter Umständen zu Schulschliessungen oder Umwandlungen in halbprivate Charter Schools führt.

Vordergründig wurde mit diesem Wandel eine Verbesserung des Schulsystems und die Förderung von Chancengleichheit angestrebt. In Wahrheit ging es natürlich um die Bereinigung der ökonomischen Krise der 70er Jahre im Rahmen einer umfassenderen Reduktion der Sozialausgaben und einer insgesamt restriktiven, prozyklischen Haushaltspolitik. Entsprechend die Folgen: Crain weist darauf hin, dass die standardisierten Tests für die Schulen und die Schüler:innen in einem Masse entscheidend werden, dass Bildung zu einem ‘Teaching to the test’ verkommt. Das mag zwar bessere Testresultate hervorbringen, hat aber ein Abfallen des allgemeinen Bildungsniveaus zur Folge, auch weil Fächer wie Geschichte an Bedeutung verlieren, da sie nicht getestet werden. «Die Idee einer Bildung im umfassenden Sinn geht verloren. Die öffentliche Schule wird immer mehr zur Restschule, da sämtliche Kinder aufgenommen werden müssen, während die halbprivaten Charter Schools wie natürlich auch die privaten Schulen Kinder mit einer Behinderung, leistungsschwache oder verhaltensauffällige SchülerInnen nicht aufnehmen müssen und sie vom Unterricht ausschliessen können.» Die öffentliche Schule wird im Vergleich mit den privaten und halb privaten Schulen tendenziell schlechter, was unter Umständen zu Schulschliessungen oder Umwandlungen in halbprivate Charter Schools führt.

Auf Seiten der Linken stand zwar Bildungsgerechtigkeit im Zentrum der angestrebten Bildungspolitik. Damit war aber in erster Linie die Überwindung des Bildungsföderalismus und die Etablierung nationaler Bildungsstandards gemeint, an denen sich der künftige Schulunterricht orientieren sollte.

Die Idee einer Bildung im umfassenden Sinn geht verloren.

Die Entwicklung in den USA ist ein etwas zugespitzter Vorläufer dessen, was sich in der Schweiz nach 1989 beobachten lässt: Auch hier passte sich die politische Linke dieser Grundströmung zu wesentlichen Teilen an. Die Schweizer Sozialdemokratie einigte sich mit den Bürgerlichen darauf, dass die Schweiz als Wirtschaftsstandort und im Hinblick auf die moderne Wissensgesellschaft auch eine leistungsstarke Bildung brauche. Auf Seiten der Linken stand zwar Bildungsgerechtigkeit im Zentrum der angestrebten Bildungspolitik. Damit war aber in erster Linie die Überwindung des Bildungsföderalismus und die Etablierung nationaler Bildungsstandards gemeint, an denen sich der künftige Schulunterricht orientieren sollte. Auch hier sind also Evaluationen und Testverfahren gefragt, um die einzelnen Schulen und Lehrkräfte auf eine Linie zu bringen. Dieses Begehren wurde mittels parteiübergreifender Annahme des Bildungsartikels von 2006 ermöglicht, in dessen Gefolge der Lehrplan 21, entsprechende Lehrmittel und flächendeckende Vergleichstests eingeführt wurden. Auch wenn der neue Lehrplan die Sicherung der Qualität im Bildungswesen mithilfe der neu eingeführten Bildungsstandards verspricht und die Tests angeblich der individuellen Förderung der Schüler:innen dienen sollen – in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft ist die Folge von Standardisierung und Testverfahren erhöhter Druck, verstärkte Konkurrenz, Orientierung an Ranglisten, Vereinzelung und Verringerung kooperativen Verhaltens.

Ökonomisierung des Bildungswesens I: Gestärkte Schulautonomie

Bis heute sind die Ausgaben der öffentlichen Hand für die Finanzierung privater Dienstleistungen der Bildungs- und Testindustrie weiter gestiegen. Im Zuge der Ausrichtung der Bildungsprozesse auf die Bedürfnisse der Wirtschaft hat die Evaluation von Schüler:innen, Lehrkräften und Schulen und damit der Wettbewerb zwischen ihnen weiter zugenommen. Das drängt humanistische Bildungsziele in den Hintergrund, während instrumentelles, beruflich verwertbares Wissen einen Bedeutungszuwachs erfährt. Die öffentliche Bildungspolitik wird über Engagements bei Bildungsinitiativen, Sponsoring von Veranstaltungen, Schulmaterial und Lehrmitteln oder auch über den Auf- und Ausbau privater Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte und Schüler:innen zunehmend durch nicht demokratisch legitimierte Akteure wie Stiftungen, NGOs oder Unternehmen bestimmt. Richard Münch hat diese Prozesse in seinen Arbeiten zur Schule im Wettbewerbsstaat überzeugend beleuchtet und anhand zahlreicher Beispiele belegt. Er weist darauf hin, dass sich die Schule weit davon entfernt hat, die in der Gesellschaft beobachtbaren Verwerfungen, Ungleichheiten und Konflikte aufzulösen. Wenn sich internationale Organisationen, Denkfabriken, missionarische Milliardärsstiftungen und Bildungsreformer mit der Bildungs- und Testindustrie zusammenschliessen, um die Bildung einer minutiösen externen Kontrolle zu unterwerfen, hat dies eben keine Einebnung gesellschaftlicher Unterschiede, sondern eine Restaurierung der Klassenverhältnisse zur Folge.

Die Stärkung der Schulautonomie geht mit einer Vernachlässigung der lokalen Verhältnisse und der Anliegen der schulischen Akteure einher.

Bildungsmärkte sind als eine legalisierte Form von Diskriminierung und als wesentliche Treiber der Segregation zu verstehen.

Ein anschauliches Beispiel für die Kluft zwischen Versprechen und realen Folgen der durchgesetzten Reformen ist die freie Schulwahl beziehungsweise die Stärkung der Schulautonomie. Seit den 1970er Jahren wird diese mit einer Demokratisierung der Schule in Verbindung gebracht. Autonome Schulen sollen eigenständige pädagogische Konzepte erarbeiten, die sich an den Bedürfnissen ihrer Schüler:innen, deren Eltern, den Lehrkräften und den lokalen Eigenheiten ausrichten. Tönt gut, eingetreten ist aber das Gegenteil: Die Stärkung der Schulautonomie geht mit einer Vernachlässigung der lokalen Verhältnisse und den Anliegen der schulischen Akteure einher. Von dem Wettbewerb profitieren nur die ohnehin besser gestellten Schulen, während die Probleme in den schlechter gestellten Schulen zunehmen. Die Schulen treten durch die Reform in einen Wettbewerb untereinander und sind zu verstärkter Rechenschaft verpflichtet, was zu Konkurrenzdruck führt. Unter dem gesteigerten Druck bilden Schulen immer häufiger spezifische Profile heraus, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden und ein spezifisches Schülerklientel anzuziehen. Herbert Altrichter und Matthias Rürup haben 2010 darauf aufmerksam gemacht, dass dies, gepaart mit der Freigabe der Schulwahl, Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien «insofern diskriminiert, als ihre Mobilität aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer religiösen Zugehörigkeit und/oder ihrer familiären Bildungsarmut eingeschränkt ist.» Sally Tomlinson hat in Grossbritannien untersucht, wie sich die Entwicklung von Bildungsmärkten auf ethnische Minderheiten auswirkt und entdeckt Parallelen zu den USA. Erfolgsorientierte Schulen sehen sich gedrängt, Schüler:innen mit erhöhtem Förderbedarf abzulehnen, während die zwangsweise als Auffangbecken funktionierenden Schulen in benachteiligten Stadtvierteln für ihr vermeintlich selbstverschuldetes Bildungsversagen noch mit Budgetkürzungen oder Schliessungen bestraft werden. Insofern sind Bildungsmärkte als eine legalisierte Form von Diskriminierung und als wesentliche Treiber der Segregation zu verstehen. Typischerweise fehlt es dann auch ausgerechnet dort an angemessener pädagogischer Betreuung, wo pädagogische Kompetenz in besonderer Weise gefragt wäre: An Schulen in sogenannten sozialen Brennpunkten ist die Fluktuation an Lehrkräften und die Quote an Quereinsteiger:innen überdurchschnittlich hoch.

Weitreichende Schulautonomie, freie Schulwahl und die Einrichtung von Schulleitungen mit weitreichenden Kompetenzen sollten gute Schulleistungen erbringen.

Die Stärkung der Schulautonomie hat ihr Versprechen nicht einlösen können, weil es nicht ernst gemeint war. Die Revision der Volksschulgesetze gegen Ende der 1990er Jahre sowie die neoliberalen Reformen insgesamt spielten sich einerseits vor dem Hintergrund einer Wirtschaftslage ab, welche die öffentliche Hand zu Sparmassnahmen gezwungen hatte. Andererseits hatte sich die Bildungspolitik mit neuen Methoden der Verwaltungsführung auseinandergesetzt und war zum Schluss gekommen, dass weitreichende Schulautonomie, freie Schulwahl und die Einrichtung von Schulleitungen mit weitreichenden Kompetenzen gute Schulleistungen erbringen würden. Inspiriert von New-Public-Management-Konzepten sollte Schluss sein mit Übersteuerung, festgefahrenen Entscheidungswegen und Mangel an betriebswirtschaftlichem Führungsverständnis. Die geplanten Reformen zielten auf Steuerung von den Resultaten her, Trennung von operativer und strategischer Führung, Controlling, Evaluation, Führung der Lehrpersonen durch Schulleitungen. Vor diesem Hintergrund dürften die erzielten Resultate eigentlich kaum mehr überraschen.

Ökonomisierung des Bildungswesens II: Der Zugriff der Privatwirtschaft

Die seit der neoliberalen Wende drastisch gekürzten beziehungsweise umgeleiteten Mittel haben eine chronische Unterfinanzierung des Schulsystems zur Folge gehabt. Dies manifestiert sich nicht nur in baufälligen Schulgebäuden, tiefen Löhnen, Lehrkräftemangel, Abbau der Schulsozialarbeit, integrativem Unterricht und so weiter – sie leistet auch privaten Anbietern von Bildungsinhalten Vorschub. Das schulische Engagement von Unternehmen erstreckt sich von Sponsoring von Schulfesten über die Produktion und Verteilung von Lehr- und Lernmaterialien, bis hin zu Angeboten von Lehrkräfteweiterbildungen. Weil es den Schulen an der nötigen finanziellen Ausstattung fehlt, werden diese Angebote gerne angenommen. Das ist insofern problematisch, als die Lehr- und Lerninhalte davon nicht unberührt bleiben. Auch diese stehen unter dem Druck der Ökonomisierung und werden auf die praktisch verwertbaren Erfordernisse des Arbeitsmarktes zugeschnitten. Weil private Akteure vermehrt in die Schule eindringen, treten aufklärerische oder humanistische Bildungsinhalte zugunsten funktionaler in den Hintergrund. Verhalten und Einstellungen der Schüler:innen werden dadurch entscheidend mitgeprägt.

87.5% der Schulleitungen gab an, dass Wirtschaft und Industrie Einfluss auf ihre Lerninhalte ausüben würden.

Insbesondere im Kontext der Berufswahlvorbereitung werden Kooperationen mit Vertreter:innen der Privatwirtschaft bedeutsamer. Da können die Unternehmen dann nicht nur gezielte Nachwuchsgewinnung und -förderung betreiben, sondern auch gleich ihr Image bei der Jugend aufpolieren. Insgesamt lässt sich ein Bedeutungsverlust der ‘neutralen’ Instanzen zur Berufsorientierung (wie etwa Berufsberatung oder schulinterne Angebote) gegenüber den von Unternehmen dominierten Instanzen (wie Jobmessen oder Social Media) feststellen. Ein im Rahmen der PISA-Studie 2006 durchgeführte Befragung der Schulleitungen in Deutschland beweist das bedenkliche Ausmass, welche die Einflussnahme auf den Unterricht angenommen hat: 87.5% der Schulleitungen gab an, dass Wirtschaft und Industrie Einfluss auf ihre Lerninhalte ausüben würde.

Seit 40 Jahren unterstützt Apple Lehrerinnen und Lehrer dabei, das kreative Potenzial jedes einzelnen Schülers freizusetzen.

Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Digitalisierung und wie die Digitalkonzerne diese für sich nutzen. Apple wirbt etwa aktiv für die intensive Einbindung ihrer Produkte in den Unterricht: «Seit 40 Jahren unterstützt Apple Lehrerinnen und Lehrer dabei, das kreative Potenzial jedes einzelnen Schülers freizusetzen. Heute tun wir das auf mehr Arten als je zuvor. Und das nicht nur mit leistungsstarken Produkten. Sondern auch mit Werkzeugen, Inspirationen und Programmen, die Lehrkräften dabei helfen, geradezu magische Lernerlebnisse zu schaffen.» Dass die neuen Werkzeuge den Unterricht tatsächlich erleichtern können und neue Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung eröffnen, ist nicht zu bestreiten. Aber freilich steckt hinter diesem Angebot die Strategie, die Schüler:innen an die Produkte zu gewöhnen und ihre späteren Kaufentscheidungen vorwegzunehmen. Apple bietet auch zahlreiche auf den Unterricht ausgerichtete Apps und Weiterbildungsprogramme für Lehrkräfte an. Dort können sie ihre Kompetenzen im Umgang mit den angebotenen Apps stärken und diese gezielter im Unterricht einsetzen: iMovie, iBooks, Baiboard, Schoolwork, Classroom – diese Apps erleichtern nicht nur den Unterricht, sondern liefern dem Anbieter auch eine Fülle von verwertbaren Daten.

Kein Zurück

Die gestärkte Schulautonomie und der wachsende Zugriff privater Akteure auf die Schulen sind nur zwei Beispiele dafür, wie sich die Versprechen der neoliberalen Bildungsreformen in ihr Gegenteil verkehrt haben beziehungsweise sich als das erweisen, was sie von Anfang an gewesen sind: Eine Unterwerfung der Bildung unter die Gesetze des Marktes mithilfe eines neoliberal gewendeten Staates. Wenn mit mehr Schulautonomie nur gesteigerte Konkurrenz zwischen Schulen gemeint ist; wenn Förderung der Individualität bedeutet, dass jeder für sich selbst schauen muss und dadurch bestehende Unterschiede verschärft werden; wenn verstärkte Zusammenarbeit mit privaten Akteuren nur die Nutzbarmachung der Schüler:innen verbessern soll  – dann erweist sich die Einlösung neoliberaler Versprechen als Grauen.

Wir brauchen kein ‘Zurück’, sondern eine Befreiung der Bildung aus den kapitalistischen Zwängen.

Diese Ausführungen sollten nicht als Plädoyer für die Schule vor den Bildungsreformen verstanden werden. Als Reaktion auf die ökonomische Krise und die unübersichtlich gewordene Bildungslandschaft waren sie gewissermassen die logische Antwort eines kapitalistisch organisierten Bildungswesens. Insofern brauchen wir kein ‘Zurück’, sondern eine Befreiung der Bildung aus den kapitalistischen Zwängen.

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Wenn private Lernstudios boomen

Die Bildungspolitik will es nicht wahrhaben: Die öffentliche Schule hat sich zu viel zugemutet. Für manche Kinder kommt sie ihrer ureigenen Aufgabe nicht nach; sie wird ihnen schlicht nicht gerecht. Die Folge: Private springen in die Lücke. Das gefährdet die Chancengleichheit, schreibt Condorcet-Autor Carl Bossard.

Ein Kommentar

  1. Die Analyse stellt die Zusammenhänge weitgehend richtig dar. Zu ergänzen wäre:
    1. Der Impuls zur schulischen Umgestaltung im Sinne höherer Effizienz reicht bis in die 50-er Jahre zurück: Die bildungsmässig “brach liegenden” Reserven der Bevölkerung sollten gefördert werden, damit wirtschaftliches Wachstum angekurbelt werden konnte, denn ein höherer Anteil an beruflich besser Gestellten sorgt für höhere Umsätze.
    2. Wohlwollende Weltverbesserer und Menschenfreunde unterstützen die im Artikel erwähnten Reformen bis heute, da sie meinen, sie dienten der Chancengerechtigkeit. Kompetenzorientierung, Schulhausautonomie, Integration, Standards, Individualisierung, Digitalisierung, Privatisierung, etc. werden von ihnen nicht als Instrumente erkannt, die Kinder und Jugendliche von ihrer persönlichen Entfaltung entfremden, indem die Bildung von Anfang an fremdverzweckt wird.
    3. Der Artikel postuliert die Befreiung der Bildung aus dem Korsett des Kapitalismus. Wie das geschehen soll, lässt der Autor offen. Allerdings ist fraglich, ob hier nicht eine neue Verzweckung der Bildung gefordert wird, nämlich “die Überwindung des Kapitalismus”, die Revolution aus dem Schulzimmer heraus. Auch linke Bildungsfachleute müssten anerkennen, dass Kinder und Jugendliche nun einmal in einer kapitalistischen Gesellschaft aufwachsen, dass sie sich in diese irgendwie einfügen müssen, um bestehen zu können. Das Ziel müsste sein, das Bewusstsein für die Zusammenhänge zu schärfen, damit junge Menschen nicht einfach Opfer werden, sondern zu eigenen Entscheidungsmöglichkeiten ermächtigt werden.

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