25. April 2024

Immanuel Kant über Pädagogik

Die Pädagogik verdankt dem «Kopernikus der Philosophie» viele Anregungen, die auf Theorie und Praxis der Erziehung fruchtbringend gewirkt haben. Trotzdem konnte die menschliche Natur noch nicht in der optimistischen Form entwickelt werden, wie sie Kant für die Menschheit als angemessen vorschwebte. Unser Haushistoriker Peter Aebersold berichtet, wie sich Kant in seinen pädagogischen Lehren von Rousseau und Montaigne beeinflussen liess. «Rousseaus Buch dient die Alten zu bessern», sagte er bewundernd zu seiner Lieblingslektüre «Emile».

Der Erziehungsroman von Rousseau: Kants Lieblingslektüre.

Philosophische Pädagogik

Während seiner akademischen Vorbereitungsjahre war Kant als Hauslehrer tätig, was auch seine späteren pädagogischen Gedankengänge beeinflusste. Aus der Verpflichtung der Universität Königsberg, dass jeder Professor der Philosophie auch Vorlesungen über Pädagogik zu halten hatte, entstand die Schrift «Über Pädagogik». Sein Schüler Friedrich Theodor Rink hatte Kants Vorlesungen nachgeschrieben und 1803 unter dem Titel «Immanuel Kant über Pädagogik» veröffentlicht.  In seiner Pädagogik ging Kant von Rousseau und den Philanthropen aus und entwickelte daraus eine philosophische Pädagogik: 1764 schrieb er, «dass das noch unentdeckte Geheimnis der Erziehung dem alten Wahn entrissen werde, um das sittliche Gefühl frühzeitig in dem Busen eines jeden jungen Weltbürgers zu einer tätigen Empfindung zu erhöhen».

Erzieherisches Credo

Die Erziehung war für ihn der Motor des kulturellen Aufstiegs der Menschheit, als dominierende Kraft für die Sittlichkeit des Einzelnen und der Gesamtheit. Daraus folgt Kants erzieherisches Credo: «Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss … der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht … Vielleicht, dass die Erziehung immer besser werden, und dass jede folgende Generation einen Schritt näher tun wird zur Vervollkommnung der Menschheit … Von jetzt an kann dieses geschehen. Denn nun fängt man an, richtig zu urteilen und deutlich einzusehen, was eigentlich zu einer guten Erziehung gehöre. Es ist entzückend, sich vorzustellen, dass die menschliche Natur immer besser durch Erziehung werde entwickelt werden, und dass man diese in eine Form bringen kann, die der Menschheit angemessen ist. Dies eröffnet uns den Prospekt zu einem künftigen glücklicheren Menschengeschlechte.»

Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss… der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung.

Erziehung durch den Mitmenschen

Ein Tier braucht dank seines vererbten Instinkts keine Unterweisung. Der Mensch jedoch muss die «Tierheit» in sich in die «Menschheit» umwandeln, er muss anstelle des triebhaften Verhaltens die Vernunft setzen und er ist nur «menschlich», wenn er den Gesetzen der Vernunft folgt. Dazu brauche es in der Kindheit, in der Körper und Geist des Menschen noch hilflos sind, einer Erziehung durch Mitmenschen, die sich aus Pflege, Disziplin und Unterweisung nebst der Bildung zusammensetzt. Der beste Erzieher werde immer der sein, der selbst gut erzogen ist. Mit grosser Umsicht und Liebe könne der Zögling soweit gebracht werden, dass er seinen Erzieher übertrifft. So könne der Mensch von einer Generation zur anderen einen Schritt zur Vollkommenheit tun. Eine ideale Erziehung müsse alle Möglichkeiten des Menschen zutage fördern, nur eine weitgehend uneingeschränkte Selbstentfaltung scheine dem Zweck des menschlichen Daseins angemessen.

Bei seiner Geburt ist der Mensch noch kein moralisches Wesen, das Gute muss zuerst entwickelt werden.

Moralische Erziehung zur Verbesserung der Menschheit

Bei seiner Geburt ist der Mensch noch kein moralisches Wesen, das Gute muss zuerst entwickelt werden. Weil das so schwer ist, sieht Kant die Erziehung als das grösste Problem und das schwerste, das dem Menschen aufgegeben werden könne.

Eltern erziehen gemeiniglich ihre Kinder nur so, dass sie in die gegenwärtige Welt, sei sie auch verderbt, passen. Sie sollten sie aber besser erziehen, damit ein zukünftiger besserer Zustand hervorgebracht werde.

Sie (die Eltern) sollten sie besser erziehen.

Die Menschheit komme hier nur langsam voran und falle oft in die Rohheit zurück, woraus sie sich nur mit Mühe wieder erhebe: «Eltern erziehen gemeiniglich ihre Kinder nur so, dass sie in die gegenwärtige Welt, sei sie auch verderbt, passen. Sie sollten sie aber besser erziehen, damit ein zukünftiger besserer Zustand hervorgebracht werde.» «Man darf nicht hoffen, dass die Regierungen, gleichsam von oben her, eine gerechte Weltordnung zustande bringen werden; wir sind vielmehr auf die «Privatbemühungen» verwiesen, und jeder, der die Erziehung im Elternhaus und Schule fördert, trägt zu allgemeinen Verbesserung bei». Es genüge nicht, für die Schule zu erziehen, der wahre Erzieher erziehe für das Leben, dazu gehöre die «Erziehung zur Persönlichkeit».

Einfügen in die Gemeinschaft

Der beste Erzieher werde immer der sein, der selbst gut erzogen ist.

Wenn der Zögling sich in die Gemeinschaft der Menschen einfügen soll, muss er lernen, mit dem Guten und Bösen in der Welt fertig zu werden. Um das Gute tun zu können, bedürfen wir der Einsicht und deshalb ist die Ausbildung unserer Vernunft auch die Schulung der Moralität. Die sittlichen Grundsätze muss der Mensch in sich selber finden, durch Strafe oder Diktat wird keine Humanität verankert. In der Erziehung geht es vor allem darum, einen «Charakter zu bilden». Charakter besitzt nur der aufrechte Mensch, der nicht von den Eltern bestraft oder gezwungen wurde. Je mehr die Persönlichkeit im Kinde geachtet werde, umso wahrhaftiger, offenherziger, geselliger und heiterer werde es sein.

Würde des Menschen nicht verleugnen

Der Mensch müsse den Kampf gegen seine Leidenschaft aufnehmen und sein Leben im Sinne einer weisen Mässigkeit einrichten, nach dem stoischen Grundsatz: «Dulde und entbehre!». Es sei unsere Pflicht, die «Würde des Menschen in unserer eigenen Person nicht zu verleugnen.» Masslosigkeit, Laster, sklavische Gesinnung und unwürdiges Benehmen würden in uns selbst die Menschheit beleidigen. Hier mündet Kants Pädagogik in die Ethik, aus der sie hervorgegangen ist. Die Pädagogik als «ethische Praxis» führt die Erziehung zum «Kategorischen Imperativ», der in der «Kritik der praktischen Vernunft», Kants ethischen und moralphilosophischen Hauptwerk, der Schlüssel zum sittlichen Verhalten darstellt. Nur wer im anderen Menschen und in sich selbst die Person achtet, ist wahrhaft frei. Freiheit ist nur möglich bei gegenseitiger Achtung vernünftiger Wesen: «Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eine jeden anderen jederzeit als Zweck, niemals bloss als Mittel brauchest.»

Quellen:

https://de.wikisource.org/wiki/%C3%9Cber_P%C3%A4dagogik «Immanuel Kant über Pädagogik» (online Buch)

https://catalog.hathitrust.org/Record/101816726 «Immanuel Kant über Pädagogik» (online Buch, Original in Fraktur)

https://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Kant Leben und Werk

 

 

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Ein Kommentar

  1. Was da einmal mehr breit geschlagen wird, ist die Illusion in sich selbst. Erziehen kann man bestenfalls sich selber. Alles andere ist eine zielgerichtete Absicht, die Herrschaft und Dominanz ausübt, in welcher Richtung auch immer. Alle Kinder werden mit Spiegelneuronen geboren. Sie richten sich nachdem aus, was sie mit ihren Sinnen erleben. Das lässt sich sehr gut beobachten.

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