3. November 2024

Neue Studie zeigt, dass die strengere Bewertung von Lehrern keine Verbesserung der Schülerleistungen bewirkt hat

Education Week berichtet, dass nach über einem Jahrzehnt von Schulreformen, die u. a. eine Leistungsbeurteilung der Lehrkräfte zur Folge hatten, keine Verbesserung der Testergebnisse von Schülern festzustellen seien. Die Krux dabei: Die Lehrer wurden aufgrund der Testergebnisse ihrer Schüler beurteilt. Ein Scheitern mit Ansage, wie Diane Ravitch schreibt.

Lehrerbeurteilungssystem: Effekt nahe bei Null.

Vor mehr als einem Jahrzehnt gingen die politischen Entscheidungsträger die milliardenschwere Wette ein, dass eine strengere Bewertung der Lehrer zu einem besseren Unterricht führen würde, was wiederum die Leistungen der Schüler verbessern würde. Neue Untersuchungen zeigen jedoch, dass diese Bemühungen insgesamt gescheitert sind: Auf nationaler Ebene hatten die Reformen zur Bewertung von Lehrern in den letzten zehn Jahren keine Auswirkungen auf die Testergebnisse oder den Bildungsstand der Schüler (https://www.edweek.org/teaching-learning/efforts-to-toughen-teacher-evaluations-show-no-positive-impact-on-students/2021/11)

Beide Parteien forcierten die Beurteilung der Lehrkräfte.

Die Studie ist die jüngste vernichtende Evaluation der massiven Kontrollmechanismen, die zwischen 2009 und 2017 in den US-amerikanischen Schulen eingeführt wurden. Durch staatliche Anreize, philanthropische Investitionen und eine landesweite Kampagne für mehr Rechenschaftspflicht in der K-12-Bildung wurden in fast allen Bundesstaaten Lehrerbeurteilungssysteme mit hohen Anforderungen eingeführt.

Vor Beginn dieser Reformen erhielten fast alle Lehrkräfte zufriedenstellende Beurteilungen. Daher führten misstrauische Politiker beider Parteien strengere Unterrichtsbeobachtungen und Messungen der Schülerentwicklung – einschließlich standardisierter Testergebnisse – in die Bewertung der Lehrer ein und verknüpften die Leistungsbewertungen mit Personalentscheidungen und Lohnanreizen (Leistungslöhne).

Es wurde enorm viel Zeit und Milliarden von Dollar in die Einführung dieser Systeme investiert, und sie hatten nicht die positiven Auswirkungen, die sich die Reformer erhofft hatten.

“Es wurde enorm viel Zeit und Milliarden von Dollar in die Einführung dieser Systeme investiert, und sie hatten nicht die positiven Auswirkungen, die sich die Reformer erhofft hatten”, so Joshua Bleiberg, einer der Autoren der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Annenberg Institute for School Reform der Brown University. “Es gibt nicht überall, wo die Lehrerbewertung [reformiert] wurde, einen Nulleffekt. … [Aber] im Durchschnitt ist [die Auswirkung auf die Schülerleistungen] ziemlich nahe bei Null.”

Leistungslohn: Auch in der Schweiz immer wieder ein Thema.

Die Bewertungsreformen waren bei den Lehrern und ihren Gewerkschaften weitgehend unpopulär. Sie argumentierten, dass der Einbezug bestimmter Messgrößen, wie z. B. Testergebnisse, unfair sei und gute Pädagogen aus dem Beruf treiben würde. Die Befürworter – einschließlich der Obama-Regierung – argumentierten jedoch, dass durch strengere Bewertungen die schwächsten Lehrer identifiziert und möglicherweise aussortiert werden könnten, während die stärksten gefördert würden…

Ein Forscherteam von mehreren Universitäten analysierte die Daten, beginnend mit dem Zeitpunkt, zu dem die Staaten die neuen Lehrerbewertungen unter Einbeziehung der Testergebnisse der Schüler einführten. Sie untersuchten nicht nur die Veränderungen bei den Testergebnissen, sondern auch die Abschlussquoten und die Einschreibequoten an den Hochschulen.

Strengere Systeme zur Bewertung von Lehrern können funktionieren, so Petrilli, aber zum Zeitpunkt der Reformen war kein politischer Wille vorhanden, die Ergebnisse umzusetzen. Die Lehrergewerkschaften wehrten sich gegen die Entlassung von Lehrern, die schlechte Ergebnisse erzielten, und die Bezirke waren nicht bereit oder in der Lage, guten Lehrern mehr Geld zu zahlen, sagte er.

Welcher Schulbezirk ist in einer Zeit des akuten Lehrermangels bereit, Lehrer auf der Grundlage der Testergebnisse ihrer Schüler zu entlassen?

Die fehlgeschlagenen Reformen waren zum großen Teil eine Reaktion auf die Forderungen der Obama-Regierung im Rahmen des Programms “Race to the Top”, das von den Bundesstaaten die Einführung testbasierter Bewertungen verlangte, um einen Anteil von 4,35 Milliarden Dollar an Bundesmitteln zu erhalten. Bildungsminister Arne Duncan lobte solche Lehrerbewertungen lautstark und häufig.

Doch trotz der Werbetrommel von Arne Duncan und den apodiktischen Heilsversprechungen von Chetty, Friedman und Rockoff ist die Bewertung von Lehrkräften durch Verknüpfung mit den Schüler-Testergebnissen offensichtlich gescheitert.

Die testbasierte Lehrerbewertung wurde nie ausprobiert …

Wie ich in meinem Buch SLAYING GOLIATH aus dem Jahr 2020 geschrieben habe, wurde die testbasierte Lehrerbewertung nie einem Testlauf unterstellt, bevor sie fast allen Bundesstaaten auferlegt wurde. Es gab keine Belege für ihre Wirkung. Viele Wissenschaftler und Berufsgruppen warnten davor, aber Duncan forcierte die Kontrollsysteme unermüdlich und diffamierte jede Stimme, die es wagte, seine große Reform zu kritisieren.

Obama und Duncan fanden Unterstützung in einer Studie aus dem Jahr 2011 unter der Leitung des Harvard-Ökonomen Raj Chetty, doch seine glühenden Vorhersagen über die Vorteile einer testbasierten Bewertung erfüllten sich nicht. Seine Studie über die Bewertung von Lehrern mit Zusatznutzen brachte ihm eine Titelgeschichte in der New York Times, einen Beitrag in der PBS Newshour und eine lobende Erwähnung in Präsident Obamas Rede zur Lage der Nation 2012 ein. Chetty und Co. kamen zu dem Schluss, dass bessere Lehrer dazu führen, dass Schüler bessere Testergebnisse erzielen, häufiger einen Abschluss machen, im Laufe ihres Lebens ein höheres Einkommen erzielen und – bei Mädchen – seltener außereheliche Geburten haben. Wie einer der Autoren gegenüber der New York Times erklärte, lautete die Botschaft ihrer Studie, dass schlechte Lehrer lieber früher als später entlassen werden sollten.

Doch trotz der Werbetrommel von Arne Duncan und den apodiktischen Heilsversprechunge von Chetty, Friedman und Rockoff ist die Bewertung von Lehrkräften durch Verknüpfung mit den Schüler-Testergebnissen offensichtlich gescheitert.

Wie viele gute und großartige Lehrer haben ihren Beruf wohl wegen dieser unglücklichen “Reform” verlassen?

Diane Ravitch

Übersetzung: Alain Pichard

 

image_pdfAls PDF herunterladen

Verwandte Artikel

120 Secondes, ein Leckerbissen aus der Romandie

120 Sekunden (abgekürzt “120”) ist eine ausserordentlich witzige Satiresednung des Westschweizer Fernsehens. Moderiert wird sie von Vincent Kucholl und Vincent Veillon.
Zwischen 2011 und 2014 wurde die Sendung täglich um 7.50 Uhr auf Couleur 3 (Schweizer Radio und Fernsehen) ausgestrahlt. Es handelt sich um Interviews mit fiktiven Persönlichkeiten zu aktuellen Themen. Im Allgemeinen werden die Charaktere von Vincent Kucholl gespielt, während Vincent Veillon der Interviewer ist.
Seit dem 31. August 2018 ist die 120-Sekunden-Serie wieder im Radio zu hören und wird wöchentlich am Morgen von La Première2 gesendet. Viel Vergnügen!

All-inclusive Klassenlager

Die Schweizer Hotellerie befindet sich in einer äusserst schwierigen wirtschaftlichen Situation. Der starke Franken hat ihre Krise zusätzlich verschärft. Nun kommt die Hoffnung auf Rettung aus einer überraschenden Ecke: Offenbar wählen Lehrer für ihre Schullager immer häufiger eine Unterkunft mit Halb- oder sogar Vollpension. «Heute füllen mehr und mehr Klassen die Hotels und sorgen so für eine gute Auslastung in schwierigen Zeiten» (bz, 22.6.15). Die Zeitung stützt sich auf eine Auswertung der Vermittlungsplattform für Gruppenunterkünfte, groups.ch. Condorcet-Autor Roland Stark hat uns einen älteren Artikel aus seiner Schreibwerkstatt zugesandt, dies als Reaktion auf den Beitrag von Alain Pichard “Wer will sich das noch antun”.

Ein Kommentar

  1. Lehrperson sein fusst ganz stark auf intrinsischer Motivation. Nebst etlichen faulen Eiern gibt es viele grossartige Menschen in diesem Beruf. Vielen von ihnen verleidet der Beruf zusehends wegen der ständigen und nichts bewirkenden Kontrollitis seitens jener, die überhaupt nichts zustande bringen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert