28. Dezember 2025

Diese Schlussfolgerung geht zu weit. Eine Replik auf Peter Aebersolds Artikel

Condorcet-Autor und Redaktionsmitglied unseres Blogs Daniel Goepfert erkennt zwar die von Peter Aebersold dargestellten historischen Verdienste der jungen Schweiz an, widerspricht aber den Schlussfolgerungen und vor allem dem Vergleich zur heutigen Schule energisch. Auch die Rolle Pestalozzis, so Daniel Goepfert, sei eine andere.

Es ist sicher angebracht, die historischen Verdienste der Helvetischen Republik und der noch jungen Schweiz im Bereich der Bildung den heutigen Leserinnen und Lesern bewusst zu machen. Jedoch der Vergleich und die Schlussfolgerungen zur heutigen Schule ärgern mich. Kollege Aebersold meint, man könne „die Prügelstrafe, autoritäre Wertvorstellungen, Lehrerinnenzölibat usw.“ der Schule des 19. Jahrhunderts zwar kritisieren, heute seien wir aber daran, die tragenden Säulen der Volksschule zu schleifen, was für ihn offensichtlich schwerer wiegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand in eine Klasse mit 100 Schülern oder Schülerinnen zurück möchte. Ich selbst erinnere mich daran, wie ich an den Haaren hochgezogen wurde und wünsche das niemandem. Der systematischen Prügelstrafe entging ich dank meiner späten Geburt.

In weiten Strecken glich der Unterricht in der Volksschule des 19. Jahrhunderts eher einer Dressur als einem Unterricht, wie wir ihn heute verstehen.

Der systematischen Prügelstrafe entging ich nur dank meiner späten Geburt.

In weiten Strecken glich der Unterricht in der Volksschule des 19. Jahrhunderts eher einer Dressur als einem Unterricht, wie wir ihn heute verstehen. Auch kann keine Rede davon sein, dass die Lehren von Pestalozzi den Schulbetrieb bestimmten. Seine Schriften wurden durchaus gelesen, aber eine Implementierung in alle Volksschulen wäre schon nur aufgrund des Föderalismus in der Schweiz nicht möglich gewesen. Mit den Worten von Professor Jürgen Oelkers: „Pestalozzis Anstalt ist durch Methodenbücher bekannt geworden, die die tatsächliche Praxis jedoch nie bestimmt haben“ (Regionale Schulentwicklung und die Modernisierung des Bildungswesens, UZH 2015, S.4). Welches Erbe hinterlässt uns also die Volkschule des 19. Jahrhunderts?

Die Schule muss allen zugänglich und kostenlos sein, das Wissen muss den Glauben ersetzen. Hinter diese Prinzipien stelle ich mich gerne, aber eben nicht hinter die Praxis.

image_pdfAls PDF herunterladen

Verwandte Artikel

Für Sie gelesen: „Deutschland verdummt“

Alarmiert durch besorgniserregende Schulreformen rechnet der Psychiater Michael Winterhoff schonungslos mit dem deutschen Schulsystem ab. Wie bei vielen Entwicklungen um einige Jahre verspätet, greifen diese, gefördert durch den Lehrplan 21, auch in der Schweiz um sich. Trotz Winterhoffs apokalyptischer Neigung möge sein Buch Lehrkräfte darin bestärken, einen pädagogisch verantwortungsvollen Kurs zu halten oder einen solchen in Erinnerung zu rufen – gerade angesichts der bildungspolitischen Reformhysterie. Vor allem aber sollten es Bildungspolitiker lesen, die sich dazu berufen fühlen, auf einem ihnen fremden Terrain Entscheidungen zu treffen, meint der Sekundarlehrer Felix Hoffmann, der das Buch gelesen hat.

Tafel statt Tablet?

Die Digitalisierung in den Klassen geht zu weit, sagt Bildungsforscher Klaus Zierer: Computer machen den Unterricht nicht gleich besser. Schuldirektorin Silke Müller widerspricht: Wir müssen eher dafür sorgen, dass wir den technischen Anschluss nicht verlieren. Das Interview geführt haben die ZEIT-Journalisten Tom Hoops und Mark Schieritz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert