Nach einer Generation schädlichster Bildungsreformen, wie «Kein Kind bleibt zurück» und «Top to the Race» (Fit für den Wettbewerb) oder Common Core (Nationale Standards), nach einem Jahrzehnt der Desinvestitionen in der Bildung, nach Jahren des Umbaus und der Deprofessionalisierung der Lehrkräfte veröffentlicht die National Assessment of Educational Progress (NAEP, Nationales Institut für Bildungsevaluation) für das Jahr 2019 (wieder einmal) erschütternde Ergebnisse:
«Die leistungsschwächsten Schüler schneiden schlechter ab als vorher.»
«In den letzten zehn Jahren gab es weder in der Mathematik noch in der Leseleistung Fortschritte, und die leistungsschwächsten Schüler schneiden schlechter ab als vorher», sagte Peggy Carr, die stellvertretende Geschäftsführerin des National Center for Education Statistics, das den NAEP verwaltet. «Tatsächlich haben die leistungsschwächsten Schüler, die am wenigsten lesen, – diejenigen, die am meisten kämpfen müssen, also die unterprivilegierten Schichten – seit der ersten NAEP-Erhebung vor fast 30 Jahren keinen Fortschritt gemacht.»
Die Unterschiede haben sich vergrössert
Seit 2017 ist die Leseleistung in den Klassen 4 und 8 deutlich gesunken. Bei den Mathematikleistungen fallen die Ergebnisse zwar unterschiedlich aus, wie aus den Daten der National Assessment of Educational Progress hervorgeht, die letzten Mittwoch veröffentlicht wurden. Bezogen auf die Rassen weisen weisse Schülerinnen und Schüler sinkende Werte auf, bei den Schwarzen blieben sie stabil. Grundsätzlich wurde aber auch hier deutlich: Die Unterschiede zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen SchülerInnen haben sich weiter vergrössert.
Die Antwort von Betsy De Vos: Mehr Charter-Schulen und mehr Bildungsgutscheine
Bildungsministerin Betsy De Vos nutzte die Ergebnisse als Gelegenheit, um mehr Charter-Schulen [siehe Beitrag im Condorcet-Blog vom 28.9.19: «Was sind Charter-Schulen in den USA?»] und eine grössere Streuung von Bildungsgutscheinen zu fordern. Und dies, obwohl Florida (ihr Musterstaat, mit einem grossen Anteil von Charter-Schulen) deutliche Rückgänge bei den Leistungen verzeichnete.
In der «Educational Week» [eine US-Bildungsmagazin, Anm. der Redaktion] meinte sie: «Jede amerikanische Familie sollte diesen Bericht zur Kenntnis nehmen und darüber nachdenken, wo ihr Kind steht und was diese Ergebnisse für die Zukunft unseres Landes bedeuten», und sie fährt fort: «Die Ergebnisse sind, offen gesagt, verheerend. Dieses Land befindet sich in einer Krise der Schülerleistungen, und in den letzten zehn Jahren hat sich die Problematik weiter verschärft, insbesondere für unsere schwächsten Schüler.»
De Vos nannte die Ergebnisse einen «Weckruf» und erklärte: «Wir können sie weder entschuldigen noch einfach mit mehr Geld versuchen, das Problem zu lösen.»
«Wir müssen den Schülern helfen, damit sie aus den Versagerschulen flüchten können.» Betsy de Vos
De Vos verfolgt natürlich einen anderen Plan. Sie will den Charter-Schulbereich ausbauen und versprach ein sogenanntes «Transformationsprojekt» der Regierung, der es den SchülerInnen ermöglichen soll, «den schlechten und versagenden Schulen zu entkommen».
NCES fand jedoch heraus, dass in mehr als der Hälfte der in Mathematik getesteten Staaten 6 bis 14 Prozent der Schüler von Lehrkräften unterrichtet wurden, die über «ernsthafte Probleme» bei der Ausrüstung von Schulen berichteten und auf mangelnde Ressourcen sowie unzulängliche Unterrichtsmaterialien aufmerksam machten. Es geschieht nichts. Seit nun schon 10 Jahren dokumentieren die NAEP-Ergebnisse einen dramatischen Niedergang der Bildungsleistungen und immer wieder werden sie als «Weckruf» oder «Sputnik-Moment» kommentiert.
Aufwachen! Wir müssen die öffentlichen Schulen des Landes, die 85 % der Kinder des Landes aufnehmen, unterstützen. Denn sie sind die Zukunft unserer Gesellschaft!
Diane Ravitch