Private Anbieter, wie Beratungsunternehmen, Bildungssoftware-Firmen oder alternative Schulmodelle, treten zunehmend in Erscheinung, um Herausforderungen im Bildungssystem zu analysieren und kommerzielle Lösungen anzubieten. Diese Anbieter vermitteln häufig den Eindruck, dass sie die einzig richtige Antwort auf ein angebliches Problem haben. Dabei wird die Volksschule nicht als eine Institution betrachtet, die sich fortlaufend weiterentwickeln kann, sondern als ein fehlerhaftes System, das konstant externe Eingriffe benötigt.
Durch diese “Problembewirtschaftung” wird der Fokus von einer echten, langfristigen Schulentwicklung abgelenkt und stattdessen auf kurzfristige, kommerzielle Lösungen gerichtet. Diese Praxis kann die eigentliche Bildungsarbeit der Schule schwächen und führt zu einer Verlagerung des Blicks auf oberflächliche Lösungen, die auf Profitmaximierung ausgerichtet sind.
Schwächung der Volksschule: Ein Teufelskreis
Die mediale Darstellung der Volksschule als “problematisch” verstärkt diese Wahrnehmung und trägt zur Entwertung des Bildungsprozesses bei. Wenn immer wieder die Probleme und Defizite des Systems betont werden, anstatt die kontinuierliche Verbesserung und Entwicklung der Schule in den Vordergrund zu stellen, wird das Vertrauen in das Bildungssystem erschüttert. Schulleitungen, Lehrpersonen, Eltern und Schüler könnten das Gefühl entwickeln, dass das System nicht in der Lage ist, sich selbst zu optimieren und weiterzuentwickeln.
Eine wirklich entwicklungsfähige Volksschule ist in der Lage, sich selbst weiterzuentwickeln und aus ihren eigenen Herausforderungen zu lernen. Sie betrachtet sich nicht als defizitär, sondern als ein lebendiger Organismus.
Die Volksschule wird so als institutionelles Defizit wahrgenommen, das externen Eingriffen bedarf. Dies fördert eine Kultur der Problembehebung, die die langfristige, nachhaltige Weiterentwicklung und das Wachstum des Systems behindert. Die eigentliche pädagogische Aufgabe der Schule – die Förderung von langfristiger, ganzheitlicher Bildung – tritt dabei in den Hintergrund.
Folgen für die Schulentwicklung
Die Problembewirtschaftung trägt zur Verwirrung und Verwirbelung der langfristigen Schulentwicklung bei. Anstatt innovative, zukunftsorientierte Konzepte zu fördern, die von den Akteuren vor Ort – also Schulleitungen, Lehrpersonen und Schülern – entwickelt werden, rücken kommerzielle Lösungen in den Vordergrund. Diese konzentrieren sich oft auf die kurzfristige Lösung von Oberflächenproblemen, ohne die tiefgründigen strukturellen Herausforderungen anzugehen.
Die entwicklungsfähige Volksschule
Eine wirklich entwicklungsfähige Volksschule ist in der Lage, sich selbst weiterzuentwickeln und aus ihren eigenen Herausforderungen zu lernen. Sie betrachtet sich nicht als defizitär, sondern als einen lebendigen Organismus, der sich in einem Klima des Vertrauens kontinuierlich und auf das gesellschaftliche und bildungspolitische Umfeld abgestimmt weiterentwickelt. Um dies zu ermöglichen, ist eine langfristige Perspektive erforderlich, die die Schule als einen Ort der ständigen Verbesserung und nicht als Problem betrachtet.
Pädagogische Lösungsansätze
Um die Volksschule als dynamisches, partizipatives System zu stärken, sollten wir uns auf nachhaltige Schulentwicklung konzentrieren, die die Bedürfnisse und Meinungen aller Beteiligten einbezieht. Diese integrative Perspektive fördert die Entwicklung von langfristigen Lösungen, die nicht auf kurzfristige kommerzielle Interessen ausgerichtet sind.
Kernaspekte einer solchen Schulentwicklung sind:
- Professionalisierung der Lehrpersonen: Eine kontinuierliche Fortbildung und Einbindung der Lehrpersonen in die Entwicklung von Lehrplänen und Unterrichtsmethoden ist unerlässlich. Nur so können sie ihre pädagogische Praxis an die sich verändernden gesellschaftlichen und bildungspolitischen Anforderungen anpassen.
- Kollaborative Lernprozesse: Eine enge Zusammenarbeit zwischen Schulleitungen, Lehrpersonen, Schülerinnen, Schülern und Eltern fördert eine schulische Gemeinschaft, die gemeinsam und im Vertrauen an Lösungen arbeitet. Diese kooperative Haltung stärkt das Gemeinschaftsgefühl und die Verantwortung für die Schule als lebendigen, sich entwickelnden Raum.
- Forschung und Innovation: Pädagogische Forschung und innovative Unterrichtsmodelle sollten durch staatliche Stellen oder nicht-kommerzielle Initiativen unterstützt werden. Dies fördert eine unabhängige Entwicklung von Bildungsansätzen, die nicht auf kommerzielle Interessen angewiesen sind.
- Langfristige Perspektiven: Eine nachhaltige Schulpolitik muss auf systematische, langfristige Verbesserungen setzen, anstatt kurzfristige, kommerzielle Lösungen zu fördern. Ein solches System unterstützt die kontinuierliche Entwicklung der Schule und stellt sicher, dass die Bildungsqualität nicht durch kurzfristige Marktinteressen gefährdet wird.
Die Kommerzialisierung der Volksschule ist aus pädagogischer Sicht problematisch, da sie die langfristige, nachhaltige Entwicklung der Schule gefährdet. Statt von externen, kommerziellen Kräften “geregelt” zu werden, sollte die Schule als dynamisches, partizipatives System betrachtet werden, das auf integrative Schulentwicklung setzt. Die Förderung der professionellen Weiterentwicklung von Lehrpersonen, die Zusammenarbeit aller Beteiligten sowie die Unterstützung von Forschung und Innovation sind entscheidend, um die Volksschule zu einem lebendigen und entwicklungsfähigen Bildungssystem zu machen.
Der Humanethologe und Psychologe Raffael Tondeur (lic.phil) ist Senior Public Relations Consultant bei der Stöhlker AG.
“….Sie betrachtet sich nicht als defizitär, sondern als ein lebendiger Organismus.”
Schade, wenn man auf einem Bildungsblog auf solch schmerzliche Fallfehler trifft.
Wie wahr!
Die Ehre unseres Bildungsblogs kann gerettet werden:
Nach “betrachten als” folgt laut Duden in der Regel der Nominativ. Richtig ist sowohl der Satz “Sie betrachtet sich als ein lebendiger Organismus” (Regelfall) wie auch der Satz “Sie betrachtet sich als einen lebendigen Organismus.”
Kein weltbewegendes Thema, aber es ist schön, dass es so für alle stimmt.
Ich reibe mir die Augen: Da kritisiert ein kommerzielles Kommunikationsunternehmen (Stöhlker AG) die Kommerzialisierung im Bildungsbereich? Entsprechend gewunden und dürftig ist die Argumentation: Der Köder: Die Innovation soll von den Schulen ausgehen, nicht von Firmen oder Bildungsämtern, denn die Eingriffe von aussen bringen “Verwirrung und Verwirbelung der Schulentwicklung”, weil sie die “Defizite” in den Vordergrund stellen und nur zu “oberflächlichen” Lösungen verhelfen statt die Entwicklungspotenziale zu betonen. Bereits im nächsten Abschnitt tut Tondeur genau das, was er soeben kritisiert hat: Er zählt auf, welche dringend notwendigen Entwicklungsschritte zu leisten sind, mit andern Worten: welche Defizite zu bearbeiten sind und bemüht damit die genau gleichen Gemeinplätze, welche die von ihm Kritisierten immer benützen: Professionalisierung der Lehrkräfte (weil sie offenbar gegenwärtig unprofessionell agieren), Kooperation in der Schule (weil es diese offenbar heute nicht gibt), innovative Unterrichtsmodelle (weil überall immer noch reiner Dozierunterricht stattfindet), langfristige kontinuierliche Entwicklung (weil eine solche in den vergangenen Jahren nicht stattgefunden hat). Alles klar? Es geht darum, Kürsli mit Stöhlker-Erwachsenenbildnern, angehaucht mit humanistischer Psychologie, den Schulen anzudrehen. Wer fliegt drauf rein?