
Wenn sich Theorie nicht in der Praxis zeigt, wird es eben problematisch. Und hier verhält man sich seitens der PHs wie auf einem sinkenden Schiff namens Frühfranzösisch absolut typisch theoriebehaftet.
Man stelle sich vor, ein Schiff sinkt. Die Praktiker zimmern sich ein Rettungsboot und paddeln davon, um das rettende Ufer zu erreichen. Die Professoren hingegen optimieren: Sie messen die Schieflage in Dezimalstellen, werfen Gegenstände von Bord, um Erfahrungswerte für die Sinkgeschwindigkeit zu erhalten, verteilen statt Schwimmwesten Evaluationsbögen und erarbeiten noch einen Workshop zum Thema „Resilienz im kalten Wasser“. Am Ende geht das Schiff trotzdem unter – aber immerhin „wissenschaftlich begleitet“.
Wenn man moniert, nicht-gymnasiale Schülerinnen und Schüler würden durch die Abschaffung des Frühfranzösischs einen kommenden Karrierenachteil haben, so hege ich doch den Verdacht, der Karrierenachteil könnte aufgrund der absolut mangelhaften Kompetenzen in Deutsch weitaus massiver sein.
Manchmal sollte man ein Projekt einfach als gescheitert erklären und völlig neu aufgleisen. Schlicht aus dem Grund, weil die Optimierung des eh schon verkorksten Ansatzes teurer ist als ein völliger Neuentwurf.


Schon angeblich die Ureinwohner Nordamerikas wussten: “Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steige ab!”
Traumhaft formulierter Kommentar
Das Traurige ist: Mein lieber, mittlerweile verstorbener Kollege Michael Weiss und ich schrieben diese Satire schon 2015 (!):
https://lvb.ch/2022/wp-content/uploads/2022/02/54_Der-letzte-Schrei-tot-oder-lebendig_LVB_1415-04.pdf
Ein starkes Bild, das der Realität leider sehr nahekommt!
Das Wegschauen der Verteidiger beim Debakel des unseligen Dreisprachenkonzepts ist kaum noch zu überbieten. Die meisten machen einen grossen Bogen um die Tatsache herum, dass zwei frühe Fremdsprachen für die Mehrzahl der Schüler eine zu viel ist. Nicht Französisch oder Englisch an sich ist das Problem, sondern die Verzettelung durch die Mehrsprachendidaktik und der Einstieg bereits in der dritten Klasse. Über diesen Elefanten im Raum wird geschwiegen.
Ein Blick zurück in die Einführungsphase des Dreisprachenkonzepts zeigt, dass damals mit unhaltbaren Versprechungen viel zu hohe Erwartungen geweckt wurden. Die Kinder würden sich spielerisch in drei oder mehr Sprachen bewegen und von der neuen Didaktik der Mehrsprachigkeit profitieren. Sprachbäder galten dabei als weiteres didaktisches Wundermittel. Am Ende der Primarschule würden fast alle Schüler fliessend Französisch sprechen und sich bestens auf Englisch unterhalten.
Doch unterdessen ist totale Ernüchterung eingetreten. Vom munteren Parlieren in den Französischlektionen ist keine Rede mehr. Vielmehr merkt man, dass das Dreisprachenkonzept bis in den Deutschunterricht hinein negative Auswirkungen hat. Kaum jemand argumentiert jetzt noch mit dem zu erwartenden Erfolg des frühen Mehrsprachenunterrichts. Dessen Resultate sind so schwach, dass sich die Befürworter unterdessen an jeden Strohhalm klammern.
Manche begrüssen gar, dass schulferne Politiker in Bern mit der Vorstellung, Frühfranzösisch spiele eine wesentliche Rolle für den staatlichen Zusammenhalt, unnötig Öl ins Feuer giessen. Einige Didaktiker sehen so eine Chance, das Mehrsprachenkonzept dank dieser neuen Argumentationsschiene doch noch retten zu können. Doch ein politisches Druckmittel zur Rettung eines pädagogisch unhaltbaren Konzepts einzusetzen, ist kein wissenschaftliches Ruhmesblatt.
Es liegt jetzt an der Lehrerschaft mit aller Klarheit daran zu erinnern, dass es nicht primär um einen Streit zwischen Englisch und Französisch geht, sondern um den raschen Abbruch des gescheiterten Mehrsprachenkonzepts der Primarschule.