31. März 2025
Anonymes Murren aus der BASIS

Was hat der LCH zu vertuschen?

Die Redaktion des Condorcet-Blogs ist äusserst zurückhaltend mit dem Veröffentlichen von anonymen Beiträgen. Wir vergewissern uns jeweils immer, wer der Autor ist, ob es ihn gibt und ob die in dem Beitrag erwähnten Tatbestände plausibel sind. In letzter Zeit erreichen uns fast wöchentlich Beiträge aus dem Schulalltag, die ein Sittenbild in den Schweizer Schulstuben zeichnen. Ihnen allen sind zwei Dinge gemein: Die Vorfälle, die man kaum in dieser Art in den offiziellen Medien liest, sind sehr konkret. Und die Autroinnen und Autoren wollen anonym bleiben, weil sie mit Repressionen ihrer Schulleitungen rechnen, die jeweils dem Lager der Bildungsbürokratie zugerechnet werden. Beides ist bedenklich. Den folgenden Beitrag veröffentlichen wir hier, weil wir den Fakt, dass der LCH einen Teil seiner grossen Umfrage zur schulischen Selektion nicht veröffentlicht, auch schon festgestellt hatten. Was hat Frau Rösler zu verheimlichen?

Seit Jahren verfolge ich euren Blog. Ich bin Sekundarlehrer im schönen Oberaargau und Mitglied von Bildung Bern und damit auch vom LCH.

Sekundarlehrer, Mitglied von Bildung Bern

Warum schreibe ich euch: Ich habe im letzten Jahr an der LCH-Berufszufriedenheitsstudie teilgenommen. Mit Interesse las ich danach die Auswertung. Und da stellte ich fest, dass ein wesentlicher Teil der Befragungsthemen fehlt, nämlich der zur «Schulischen Selektion». Da ist auf der Homepage des LCH überhaupt nichts zu finden. Kein Wort! Und natürlich gab es auch in den Zeitungsartikeln darüber nichts zu lesen.

Von einem Insider, also einem Kollegen, der bei Bildung Bern sehr viele Kontakte hat, habe ich erfahren, dass die Ergebnisse vom LCH unter Verschluss gehalten werden, weil deren Ergebnisse nicht gefallen haben.

Warum melde ich mich gerade jetzt? In den Zeitungen ist gerade zu lesen, dass in den Kantonen Bern und Zürich Volksinitiativen angekündigt worden sind, welche die Sekundarstufe 1 ohne Niveaus gestalten wollen. Das stünde meiner Meinung nach aber völlig quer zu der heutigen Realität, die geprägt ist von riesigen Unterschieden in den Klassengemeinschaften, die kaum mehr zu bewältigen sind. Und das sehen offensichtlich auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen so.

Von einem Insider, also einem Kollegen, der bei Bildung Bern sehr viele Kontakte hat, habe ich erfahren, dass die Ergebnisse vom LCH unter Verschluss gehalten werden, weil deren Ergebnisse nicht gefallen haben.

Frau Rösler hat sich hingegen mehrfach sehr kritisch zur Selektion geäussert. Ist es daher ein Zufall, dass gerade diese Umfrageergebnisse nicht kommuniziert worden sind? Eine Präsidentin, welche unangenehme Resultate zu einer solch wichtigen Frage vertuschen will, ist eigentlich nicht tragbar. Es ist höchste Zeit, die Meinung der Basis zu erkunden und diese auch korrekt wiederzugeben, sonst droht uns wieder eine Reform, welche die Situation nicht verbessert, sondern verschlimmert. Es ist auch unsäglich, dass ich diesen Beitrag anonym veröffentlichen lassen muss, da meine Schulleitung zum «Röslerlager» gehört.

 

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6 Kommentare

  1. Ui, da ist Condorcet aber etwas ganz Grossem auf der Spur!

    Von Anfang an war klar, dass die Umfrage nur für interne Zwecke gemacht wurde. Vertuscht wird da gar nichts.

    Statt anonyme Blogs zu schreiben, würde die Lehrperson sich besser in den diversen Gremien von Bildung Bern und des LCH einbringen. Les absents sont toujours torts!

    Es war mir schon immer klar, dass die selektionsfreie Volksschule unter Lehrpersonen nicht mehrheitsfähig ist. Dazu brauchte ich die Umfrage eigentlich nicht. Jedoch melden sich LCH intern jeweils nur die üblichen Verdächtigen kritisch zu Wort.

    Bern ist ausserdem ein schlechtes Beispiel, weil dort die Gemeinden bzw. Schulen grossen Gestaltungsspielraum haben.
    Aber das wissen die Condorcet-Verantwortlichen ja schon .

    1. Danke für den Hinweis, den der Verfasser dieser Zeilen sicher auch lesen wird. Intern heisst wohl, dass ihn nur die Mitglieder des LCH kommuniziert bekommen. Oder nur die Geschäftslleitung oder der Zentralvorstand? Ich weiss nicht recht, aber normalerweise werden die Leute, welche an einer Umfrage teilgenommen haben über deren Ergebnisse informiert. Darüber beklagt sich ja der Kollege. Aber es ist pikant, dass Frau Rösler in den vergangenen Jahren Ihrer Amtszeit sich immer kritisch zur Selektion geäussert hat und Sie selber davon sprechen, dass eine Abschaffung der Gliederung in der Basis nicht mehrheitsfähig sei. In welchem Namen spricht denn die Präsidentin des LCH? Und, aus welchen Gründen vermeidet man hier die Tranparenz? War das Ergebnis so deprimierend? Was den Kanton Bern betrifft, haben Sie recht, dort stehen den Gemeinden fünf Modelle zur Verfügung, mit denen sie den Zyklus 3 organisieren können. Das hinderte aber das Initiativkomitee nicht daran, eine flächendeckende Abschaffung der Auslese zu fordern. Spannend, wie sich Bildung Bern dazu positioniert.

    2. Sind denn die Ergebnisse der Umfrage intern komplett verfügbar? Das ist die entscheidende Frage. Auch “intern” kann man Dinge vertuschen, was ebenso skandalös wäre.
      Der Kommentar von A.Pichard trifft dazu den Nagel auf den Kopf.

    3. “Es war mir schon immer klar, dass die selektionsfreie Volksschule unter Lehrpersonen nicht mehrheitsfähig ist.”
      Und dennoch propagiert der Verband dieser Lehrpersonen offenbar eben diese Idee. So ähnlich ist das in Deutschland mit der GEW und deren Mitgliedern: Die höheren Funktionäre haben eine andere Einschätzung als die Leute an der Basis. Oder es entstehen verschiedene Verbände für die verschiedenen Einschätzungen. Und alle berufen sich auf wissenschaftliche Ergebnisse. Ist das die Idee der Demokratie?

  2. Guten Abend liebe Condorcet-Kampfgruppe
    Eigentlich hätte ich das Wort Kampftruppe lieber nicht verwendet, doch zeichnen Ihre regelmässig erscheinenden Artikel zum heutigen Bildungsstand ein bedenkliches Bild. Ich fürchte um die solide, fördernde und fordernde Schulung meiner Grosskinder. Als interessierter Laie lese ich Ihre Artikel sehr gerne.

    Ich nehme an, dass die Gruppe Condorcet auch politisch alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt: den noch möglichen Einfluss geltend machen, die „Bildungstrunkenheit” konstruktiv zu beeinflussen. Möge Ihnen dies gelingen, damit eine vorwärts gerichtete, zukunftsfähige, ideologiefreie Nüchternheit einkehren möge.

    Ich danke für Ihren Einsatz zu Gunsten des vielgelobten Bildungsplatzes Schweiz, ermutige Sie auf dem steinigen Weg und grüsse Sie freundlich Raeto Steiger.

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