Das heutige MAG hat fast etwas Stoisches. Der/die Mitarbeiter/in wird zum periodischen Gespräch eingeladen. Basis desselben bildet meist ein MAG-Formular. Im Gespräch werden Rückblick gehalten, Ziele aus der Vorperiode überprüft und neue Vereinbarungen getroffen. Das Ganze findet im Büro des Chefs oder der Chefin statt und dauert – als gebührendes Gespräch – gegen zwei Stunden; was auch Ausdruck von Wertschätzung ist.
In den über 25 Jahren als Vorgesetzter an einer Berufsfachschule blicke ich auf über 600 MAG mit Lehrpersonen zurück. Dies entspricht einem Zeitaufwand von rund 2‘000 Stunden und gleicht praktisch einer Jahresarbeitszeit; Vor- und Nachbereitung eingerechnet.
Bilanziert – auch mit einer selbstkritischen Rückschau – stellen sich mir folgende Wirkungsfragen:
- Ist der Unterricht aufgrund dieser Gespräche insgesamt besser und anders geworden?
- Sind beispielsweise die Erfolgsquoten bei den Lehrabschlüssen gestiegen?
- Ist die Zufriedenheit der Lernenden besser geworden?
- Haben sich die Lehrpersonen im Einzelnen und als Teammitglieder aufgrund der Zielvereinbarungen positiv entwickelt?
- Hat sich das Klima im Kollegium verbessert?
Bei der Beantwortung dieser und weiterer Fragen beschleichen mich Zweifel. Gestützt auf die bisherigen Erfahrungen gelange ich zur Überzeugung, dass es alternative Formen zum “klassischen” MAG gibt, welche zu einer höheren Wirkung im Schulalltag führen könnten, weil der Fokus anders gelegt wird.
Neu-Denkansatz 1: Alleiniger Fokus ist die hohe Zufriedenheit
Alleiniger Kern des MAG sollte die persönliche Zufriedenheit der Lehrperson sein. Als anregende Ausgangslage und Einschätzung reicht die 10-er-Skala: Wo stehst du auf dieser Skala? Wo stehe ich? Bei fünf oder eher bei acht? Und weshalb stehst du resp. stehe ich dort? Was bedeuten für uns beide die möglichen Unterschiede; auch mit Blick in die Zukunft? Welche Werte wollen wir hochhalten, was allenfalls optimieren? Was ist uns wichtig, dass dies gelingt?
Mit einem solchem Bild kann das ganze Spektrum rund um den Berufsauftrag einer Lehrperson umrissen werden: Der eigene Unterricht, die absolvierten Weiterbildungen, der Umgang mit den Lernenden und Studierenden, die Befindlichkeiten im Team, die Infrastruktur der Schule, die erlebbare Führung, die eigenen Erfolge und Glücksmomente und Weiteres mehr.
Das gemeinsame Gespräch und die Erörterung rund um eine gute und beiderseitig wünschbare Zufriedenheit und Zusammenarbeit benötigt keine Formalitäten wie eingangs erwähnt. Viele Elemente aus dem klassischen MAG können weggelassen werden. Es entsteht eine neue Form mit reduziertem Inhalt.
Neu-Denkansatz 2: Outdoor-MAG als neue Form
Im Sinne einer Musterbrechung wird das MAG in die Natur und an die frische Luft verlegt. Zu zweit ist man unterwegs an einem Fluss, in einem Wald, auf einer kleinen Wanderung oder gar auf einer Bergtour; stets auf jene Weise, die für beide stimmt. Ein “MAG by walking” sozusagen.
Neu-Denkansatz 3: Reduzierte Schriftlichkeit
Das Ergebnis eines solchen MAG kann die gemeinsame Feststellung sein, dass alles rund läuft und hochgehalten werden soll. Allenfalls gibt es ein, zwei oder drei Themen, die optimiert werden sollen. Diese Punkte werden auf niederschwellige Art schriftlich festgehalten und beiderseitig abgelegt.
Ich wage zu behaupten, dass das Gespräch ausserhalb der üblichen Räumlichkeiten – eben draussen in der Natur und in der Folge mit reduzierter Schriftlichkeit – eine motivierende und für die Schulkultur nachhaltigere Basis darstellt.
Ein solches, auf neuen Denkansätzen beruhendes MAG-Konzept stützt sich auf Vertrauen und Wertschätzung ab, mit dem Fokus auf Zufriedenheit und Befindlichkeit der Lehrperson. Selbstverständlich gibt es Einzelfälle und Situationen, bei denen eine derartige Neuausrichtung des MAG nicht funktioniert und auch nicht zielführend ist. Sich hier der klassischen und engmaschigen Form zu bedienen, macht Sinn. Dies darf jedoch kein Hinderungsgrund sein, neue MAG-Ansätze zu denken und zu realisieren.
Fazit
In der heutigen Schulwelt wird der Bogen in vielen Bereichen überspannt. Für alle soll dasselbe gelten, ohne Differenzierung, obwohl das oft von den Behörden verordnete und meist aufwändige System nur für eine Minderheit entwickelt worden ist. In Anlehnung an das Pareto-Prinzip – auch bekannt als die 80-zu-20-Prozent-Regel – lohnt es sich, für die periodischen MAG eine neue Form anzuwenden. Für die Mehrheit der Lehrpersonen ist sie nämlich sinnvoll.
Das MAG wird so zu einem Event, dessen Ergebnis dem so genannt klassischen MAG qualitativ in nichts nachsteht. Im Gegenteil. Ich wage zu behaupten, dass das Gespräch ausserhalb der üblichen Räumlichkeiten – eben draussen in der Natur und in der Folge mit reduzierter Schriftlichkeit – eine motivierende und für die Schulkultur nachhaltigere Basis darstellt. Wer den Mut hat, sich auf das Wagnis eines neuen Weges einzulassen, wird über die Wirkung erstaunt und erfreut sein.
Diese Anregungen decken sich weitgehend mit den Empfehlungen, die unsere neue HR-Verantwortliche vor gut einem Jahr mit unsere Organisation gebracht hat. Die Outdoor-Piste spiele ich als zusätzliche Anregunge gleich in unsere Entwicklungsrunde. Danke!
Lieber Ueli
Danke für deinen Kommentar. Es ist erfreulich, dass ihr in eurer Organisation das MAG neu definiert und insbesondere ausprobiert. Ihr werdet staunen, wie die Wirkung bei den Mitarbeitenden sein wird. Viel Erfolg!
Beste Grüsse,
Niklaus Gerber