21. November 2024
Institut für Islamwissenschaft

Krasse Fehlleistung der Unileitung

Die Universität Bern hat das Nahost-Institut aufgelöst und will es neu ausrichten. Die Massnahmen sind ungenügend, findet Professor Jürg Steiger in einem Gastkommentar im Bund.

Bei dem Debakel um das Nahost-Institut der Universität Bern wird leider ausser Acht gelassen, dass die grösste Fehlleistung die Unileitung selbst betrifft.

Prof. Jürg Steiger: Peinliche Vetternwirtschaft im Institut viel zu spät bemerkt.

Erstens ist es schon aus rein finanziellen Gründen absurd, die Leitung eines so kleinen Instituts durch eine Doppelprofessur zu besetzen. Zweitens hat es die Unileitung unterlassen, bei der Doppelprofessur zwei Personen mit verschiedenen Forschungsschwerpunkten zu wählen. Drittens hatten beide Professuren eine fragwürdige wissenschaftliche Qualifikation beziehungsweise eine klar propalästinensische Denkweise, die sie sowohl in der Lehre als auch im Institutsbetrieb implementierten.

Viertens wurde offensichtlich verkannt, dass keine der beiden Institutsleiterinnen Führungserfahrung hatte. Fünftens hat die Unileitung die peinliche Vetternwirtschaft im Institut viel zu spät bemerkt. Sechstens hat die Unileitung nicht von sich aus, sondern erst auf Druck der journalistischen Recherchen auf den Missstand reagiert und das Institut aufgelöst. Und siebtens ist die Reaktion der Unileitung viel zu zögerlich.

Degradierung reicht nicht

Professorin Serena Tolino: Weiterbeschäfigung inakzeptabel.

Dass die Professorin Serena Tolino nur degradiert, aber weiterhin tätig und besoldet bleibt, ist inakzeptabel. Sinnvoll wäre die sofortige Wiederausschreibung der Professur und für die seriöse Weiterbetreuung der Studierenden eine wissenschaftlich integre interimistische Institutsleitung, idealerweise durch den hoch qualifizierten Vorgänger Prof. Reinhard Schulze (sofern dieser überhaupt noch mitmachen würde).

Die offenbar ebenfalls propalästinensische Professorin Nijmi Edres kommt wohl für eine künftige «neutrale» Führung der Studierenden nicht infrage. Angesichts der wissenschaftlichen Angeschlagenheit der beiden Frauen wäre spätestens nach deren formeller Amtsdauer eine Nichtwiederwahl zwingend.

Eine ganz üble Rolle bei diesem Debakel spielten auch die Personen, die das oder die Gutachten über die beiden Professorinnen verfassten und damit die Unileitung in die Irre führten

Eine ganz üble Rolle bei diesem Debakel spielten auch die Personen, die das oder die Gutachten über die beiden Professorinnen verfassten und damit die Unileitung in die Irre führten. Die Professorenwahlen liegen heute ausschliesslich in der Kompetenz und Verantwortung der Unileitung. Das Amt für Hochschulen der Bildungs- und Kulturdirektion als Aufsichtsbehörde der Universität hatte mit der Neubesetzung der Leitung des Nahost-Instituts nichts zu tun.

Die Unileitung stellt am 1. Februar ihre Massnahmen vor: Peter Schneemann, Dekan der philosophisch-historischen Fakultät, Uni-Rektor Christian Leumann und Generalsekretär Christoph Pappa (von links).

Als ich noch Vorsteher des Amts für Hochschulen war, wurden die Professoren auf Antrag der Erziehungsdirektion vom Regierungsrat gewählt. Alle Professurbewerbungen und Gutachten, aber auch alle Konflikte landeten zuerst bei mir.

Angst vor dem Dekan

Immer wieder kamen Delegationen von Studierenden, die sich über den chaotischen Studienbetrieb, über ungerechte Prüfungsnoten oder die häufige Abwesenheit der sogenannten Dimido-Professoren beklagten, die nur am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag erreichbar waren. Vor Beschwerden beim Dekan oder den Professoren hatten sie Angst, weil sie fürchteten, bei den Prüfungen bestraft zu werden. Deshalb suchten sie Hilfe bei der Erziehungsdirektion, weil es hier keine Examensnoten gab.

Fast immer gelang es, durch genaue Befragungen, Vermittlung oder Abmahnung die Konflikte zu regeln. Ein Nahost-Institut-Debakel wäre damals vermutlich nie entstanden, weil der Antrag für eine Doppelprofessur mit zwei fragwürdigen Kandidaturen in einem so kleinen Institut nicht akzeptiert bzw. dem Erziehungsdirektor zur Ablehnung empfohlen worden wäre.

Weshalb sich die Unileitung auf dieses Abenteuer ohne seriöses Assessment der Bewerbungen einliess, ist rätselhaft.

 

Prof. Jürg Steiger war von 1989 bis 1994 Vorsteher des Amts für Hochschulen der Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Er hat in dieser Zeit 50 Berufungsverhandlungen mit den auf Antrag der Erziehungsdirektion vom Regierungsrat zu wählenden Professuren geführt.

AFF

image_pdfAls PDF herunterladen

Verwandte Artikel

Keineswegs polemisch

Das Bildungspapier, das die FDP vor einer Woche an ihrer Delegiertenversammlung verabschiedet hatte, schlug in der Schweiz wie eine Bombe ein. Die Reaktionen – vor allem aus dem Bildungsestablishment – fielen ungnädig bis empört aus. Condorcet-Autor Felix Schmutz hat das Papier gelesen. Erkennt viele gute Ansätze, benennt aber auch seine Schwächen.

Die verlorene Wildnis der Kindheit

„Zum Abendessen bist du zurück!“, hieß es früher. Es folgte: ein Nachmittag voller Abenteuer. Tatsächlich haben die meisten Eltern bis heute die kostbare Schatzkarte ihrer Kindheit im Kopf. Was hindert sie also daran, ihre Kinder wieder ein Stück weit auszuwildern? Wir bringen einen Beitrag von Wieland Freund, Journalist bei der WELT

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert