19. März 2024

Katharine Birbalsingh im Shitstorm

Am 10. Februar berichtete unser kürzlich verstorbener Gastautor, Peter Aebersold, über eine Brennpunktschule in London (https://condorcet.ch/2020/02/brennpunktschule-uebertrifft-alle/). Die Brennpunktschule Michaela Community School aus dem unterprivilegierten, mehrheitlich von ethnischen Minderheiten bewohnten Londoner Stadtbezirk Brent überflügelte, so seine Aussage, die meisten britischen Schulen. Die Schulleiterin und Mitbegründerin der Schule Katharine Birbalsingh, galt als die härteste Schulleiterin Grossbritanniens. Nun ist auch sie in den Fokus der Kritik geraten.

Peter Aebersold schrieb am 10. Februr 2020:

Die 2014 gegründete Michaela Community School: Eine erfolgreiche Brennpunktschule.

«Indem die Michaela Schule auf den bewährten Klassenunterricht, auf geordnete Strukturen und traditionelle Werte wie Autorität, Anstand und Disziplin setzte, schaffte sie den „Brexit“ aus der 50jährigen Geschichte erfolgloser progressiver Schulreformen in Grossbritannien. Dabei setzte sie nicht nur das nie erreichte Ziel dieser Reformen, die Chancengleichheit, in die Tat um, sondern erzielte vier Mal bessere Ergebnisse als der nationale Durchschnitt.

Mehr als die Hälfte (54%) aller Klassenstufen der Michaela Schule erreichte die Note 7 oder höher (entspricht dem alten A und A*), was mehr als doppelt so hoch war wie der nationale Durchschnitt von 22%. Fast jeder Fünfte (18%) glänzte mit der Höchstnote 9, verglichen mit 4,5% im Inland, und in der Mathematik war jedes vierte Ergebnis die Höchstnote 9.

Erfahrungen mit dem staatlichen Schulsystem

Die Gründerin der Michaela Schule, Katharine Birbalsingh, hatte als erfolgreiche Absolventin der Universität von Oxford auf eine glänzende Lehrerkarriere verzichtet und begann in einer unterprivilegierten Londoner Schule zu unterrichten. Sie stellte jedoch bald fest, dass an den staatlichen Schulen vieles falsch lief: “Meine Erfahrung, die ich über ein Jahrzehnt lang in fünf verschiedenen Schulen gemacht habe, hat mich zweifelsfrei davon überzeugt, dass das System gescheitert ist, weil es arme Kinder arm hält

Nun gab es Großbritannien letzte Woche einen Shitstorm gegen Katharine Birbalsingh. Birbalsingh hatte den konservativen kanadischen Intellektuellen Jordan B. Peterson an ihre Schule eingeladen. Nachdem die Schulleiterin Fotos dieses Besuchs auf Twitter veröffentlicht hatte, meldete ein Nutzer die Pädagogin wegen eines angeblichen „Hassverbrechens“ bei der Polizei.

Forderung nach sofortiger Entlassung

Andere Nutzer forderten ihre Entlassung als Schulleiterin oder eine „sofortige Inspektion“ durch die örtlichen Bildungsbehörden. Einem Hintergrundartikel des konservativen Bildungsportals Chalkboard Review zufolge wird Birbalsingh regelmäßig des Rassismus bezichtigt. Als Grund geben ihre Verteidiger an, dass Frau Birsbalsingh an einer eher traditionellen Vorstellung von Bildung und Autorität festhält. Die Schulleiterin habe, wie die meisten ihrer Schüler, einen Migrationshintergrund. Ob diese Forderungen nach Entfernung von Frau Birbalsingh Erfolg haben werden, ist fraglich. Denn in Grossbritanniens Schulen weht inzwischen ein etwas anderer Wind.

Suella Bravermann, neue Innenministerin von Grossbritannien und Weggefährtin von Katharine Birbalsingh.

Spannend in diesem Zusammenhang ist die die Akte Suella Braverman. Suella Bravermann ist eine Weggefährtin von Kathrin Birsalingh und gründete seinerzeit die Michael Community School, die Frau Birbalsingh fortan leitete. Geboren wurde Sue-Ellen Cassiana Braverman in Harrow im Nordwesten Londons. Wie der Vater ist auch ihre Mutter indischstämmig, wobei diese nicht aus Kenya, sondern aus Mauritius nach Grossbritannien eingewandert war. Damit hat auch sie ähnliche Wurzeln wie Kathrine Birbalsingh.

Die NZZ schrieb dazu: “Bravermans Eltern hegten von früher Kindheit an grosse Ambitionen für ihr einziges Kind. Als der Vater seinen Job als Versicherungsmakler verlor und mehrere Jahre arbeitslos blieb, avancierte die Mutter zum Rückgrat der Familie. Die Krankenschwester wirkte in Wembley im Nordwesten Londons für die Tories als Gemeinderätin. Auch wenn ihr der Sprung ins Unterhaus verwehrt blieb. Dank einem Stipendium besuchte Braverman eine Privatschule, bevor sie in Cambridge Jura studierte. Später absolvierte sie ein Masterstudium an der Sorbonne in Paris und erlangte in New York das Anwaltspatent. Im Alter von 35 Jahren zog sie ins Unterhaus ein und engagierte sich von Beginn weg für den Brexit. “

Frau Bravermann wurde nun Innenministerin der neuen Regierung in Grossbritannien und ist die erste Buddhistin, die in eines der höchsten britischen Regierungsämter einzieht. Als Generalstaatsanwältin avancierte sie 2021 zum ersten Kabinettsmitglied, das Mutterschaftsurlaub bezog. Nach der Heirat mit dem Mercedes-Manager Rael Braverman kamen 2019 ein Sohn und zwei Jahre später eine Tochter zur Welt. Wie Kathrin Birbalsingh ist auch Bravermann eine Anhängerin strikter Erziehungsmethoden.

Verwandte Artikel

KV-Reform: Ja – aber nicht so!

Nationalrätin Katja Christ (glp, BS) ist im Condorcet-Blog keine Unbekannte. Die Bildungspolitikerin hatte bereits die Passepartout-Sprachdidaktik kritisiert und in Basel die Lehrmittelfreiheit gefordert. In beiden Fällen behielt sie Recht. Nun kritisiert sie die angedachte KV-Reform und reichte diesbezüglich eine Interpellation ein. Der Condorcet-Blog berichtete darüber. Der aktuelle Beitrag erschien zuerst in der Verbandsschrift der Gruppe23.

Viele Schulen kehren zurück zu Heft und Buch

Die verschiedenen Studien der jüngsten Vergangenheit, welche sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Leseleistungen und Konzentrationsfähigkeit unserer Schülerinnen und Schüler beschäftigen, zeigen ihre Wirkung. Die schwedische Bildungsministerin will den ungehemmten Einsatz von Computern bremsen. Lesen Sie einen Bericht des deutschen Senders SWF.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert