21. Dezember 2024

Noch ist «Mille feuilles» nicht Vergangenheit

Zwar gibt es in beiden Basel einen Trend zu neuen Franzi-Lehrmitteln. Doch viele Lehrkräfte halten immer noch an «Mille feuilles» fest. Wir schalten hier einen Artikel der BAZ auf.

Thomas Dähler, Journalist der BAZ: Von Beginn weg gescheitert.

«Mille feuilles». Das Lehrmittel ist heute bei Eltern der Inbegriff des erfolglosen Französischunterrichts der letzten Jahre. In sechs Kantonen wurde ab 2011 und ab der 3. Klasse Frühfranzösisch mit «Mille feuilles» unterrichtet. Doch inzwischen stehen den Lehrerinnen und Lehrern in den Kantonen Baselland und Basel-Stadt neue Lehrmittel als Alternativen zur Verfügung. Erstaunlich viele Lehrerinnen und Lehrer halten aber weiterhin an «Mille feuilles» fest.

Eingeläutet wurde die Abkehr von «Mille feuilles» mit den vernichtenden Resultaten der Studie über die Französischkenntnisse des ersten Frühfranzösischjahrganges nach Abschluss seiner obligatorischen Schulzeit. In Anbetracht der miserablen Resultate der im Auftrag von sechs Kantonen an der Universität Freiburg durchgeführten Studie wurde sogar auf einen detaillierten Schlussbericht verzichtet. Eiligst wurden stattdessen alternative Fremdsprachen-Lehrmittel entwickelt.

Seit dem Schuljahr 2020/2021 stehen diese alternativen Lehrmittel für die 5. und 6. Klasse der Primarschule sowie für die Sekundarschule zur Verfügung, seit dem laufenden Schuljahr auch für die 3. Klasse der Primarschule. Die Baselbieter Bildungsdirektion hat jetzt aus Anlass einer Interpellation von Landrätin Regina Werthmüller (parteilos) die Bestellzahlen der Lehrmittel evaluiert. Auf Wunsch der BaZ hat auch die Erziehungsdirektion des Kantons Basel-Stadt diese Zahlen offengelegt.

In den 3. Klassen der Baselbieter Primarschulen lernen immer noch rund 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit «Mille feuilles» Französisch. In Basel-Stadt sind es sogar 55 Prozent.

Erst ein Trend zu Neuem

Zwar zeigen die Zahlen einen Trend zu den neuen Lehrmitteln. Doch «Mille feuilles» hält sich erstaunlich gut. In den 3. Klassen der Baselbieter Primarschulen lernen immer noch rund 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit «Mille feuilles» Französisch. In Basel-Stadt sind es sogar 55 Prozent. In den 5. Klassen sind es in Baselland 34 Prozent und in Basel-Stadt 55 Prozent.

Am Verschwinden ist hingegen das an «Mille feuilles» anschliessende Lehrmittel «Clin d’œil» für die 1. Klasse der Sekundarschule. Mit «Clin d’œil» arbeiten im Baselbiet noch ein Prozent der Schülerinnen der ersten Sek. Basel-Stadt vermeldet Neubestellungen von «Clin d’œil» nur noch für die oberen Sekundarschulklassen. Dass die Sekundarschulen weitgehend umgestellt haben, erstaunt nicht: Sie waren es, die schon vor Jahren auf die ungenügenden Französischkenntnisse der übernommenen Primarschüler aufmerksam machten.

Anstatt der alten Lehrmittel stellen die beiden Kantone «Ça roule» für die 3. Klasse, im nächsten Schuljahr auch für die 4. Klasse als Alternative zur Verfügung. Für die 5. und 6. Klasse heisst die Alternative «Ça bouge». Beide Lehrmittel sind im Klett-Verlag erschienen. Sie bauen auf die Alltagssprache und auf einen systematischen Aufbau von Wortschatz und Grammatik.

Die neuen Lehrmittel wurden, anders als «Mille feuilles» und «Clin d’œil», sorgfältig in ausgewählten Schulklassen evaluiert. Noch kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass der Unterricht mit den neuen Lehrmitteln zu besseren Resultaten führt. Das werden in den beiden Basel erst die ersten Checks von Schülerinnen und Schülern aufzeigen, die mit den neuen Lehrmitteln unterrichtet wurden.

Fest steht heute aber, dass die Absichten der Promotoren von «Mille feuilles» gescheitert sind, die Schüler mit einem täglichen «Sprachbad» anstelle des Paukens von Vokabeln und Grammatik an die Fremdsprache heranzuführen.

Die Studie sollte unterschlagen werden

Erfolgloses «Sprachbad»

Fest steht heute aber, dass die Absichten der Promotoren von «Mille feuilles» gescheitert sind, die Schüler mit einem täglichen «Sprachbad» anstelle des Paukens von Vokabeln und Grammatik an die Fremdsprache heranzuführen. Die Aussichten waren von Beginn an schlecht, denn anders als von den Promotoren beabsichtigt, wurde Frühfranzösisch ab der 3. Klasse nur mit einer Dotation von zwei bis drei Schulstunden eingeführt.

Dass «Mille feuilles» überhaupt eine Alternative gegenübergestellt wurde, ist dem Kanton Baselland zu verdanken. 2019 haben die Baselbieter Stimmberechtigten an der Urne die Lehrmittelfreiheit für Lehrerinnen und Lehrer verfügt, in Umsetzung einer vom Landrat angenommenen Volksinitiative der Starken Schule Baselland. Inzwischen sind mehrere Kantone gefolgt. Auch Basel-Stadt lässt die Lehrkräfte wählen. Doch noch immer sind viele skeptisch, auf die neuen Lehrmittel umzusteigen, und glauben weiterhin daran, mit «Mille feuilles» dereinst doch noch Erfolge einzufahren.

Thomas Dähler ist Redaktor und Mitglied des BaZ-Politik-Teams. Schwerpunkte seiner journalistischen Arbeit sind Finanzpolitik, Verkehrspolitik und Ökologie. Der Artikel erschien zuerst in der BAZ (10.2.22)

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