7. November 2024

Vorbild Fussball

Der bekennende FC-Basel-Anhänger und Condorcet-Autor Alain Pichard freute sich natürlich auch über den Erfolg der Schweizer Fussballer und weiss, dass dies auch den ehemaligen Migrantenkindern zu verdanken ist. Die Aufforderung einer Journalistin an die Schule, sich mal beim Fussball Anleihen zu nehmen, führte ihn zu einem amüsanten Gedankenexperiment.

Alain Pichard: Wenn du die Saisonziele nicht erreichst, wirst du entlassen.

In der Debatte um die Probleme der Integration entglitt mir vor einigen Jahren in einem Interview der – wie ich zugeben muss – ziemlich pauschalisierende Satz: «Die vielen Fussballtrainer in unserer Region, die sich gratis und franko viele Wochenenden um unsere Migrantenjungs kümmern, leisten vermutlich mehr für die Integration als all die bezahlten Integrationshelferinnen in unseren Ämtern, Vereinen und Behörden.» Dieses Statement war der Beginn einer wunderbaren Feindschaft zwischen mir und den Angestellten des Sozialapparats sowie deren politischen Zudienern in den Parlamenten.

Nach der sensationellen direkten Qualifikation für die WM 2022 erinnerte ich mich wieder an mein damaliges Zitat, denn es zeigte sich wieder einmal: Die erfolgreiche Integration unserer Migrantenkids bringt dem Land wirklich etwas. Der türkischstämmige Murat Yakin führt unsere Jungs auch ohne die Verletzten, wie den Ex-Kosovaren Xhaka und Brem Embolo mit kamerunischen Wurzeln zu dem beachtlichen Unentschieden gegen Europameister Italien. Denn auf dem Platz standen noch zahlreiche andere Schweizer mit Migrationshintergrund.

Diese sich auch in Deutschland abspielende Erfolgsstory bewog schon vor Jahren eine Redaktorin der deutschen «Tageszeitung» zu der Jubelmeldung: Der Fussball – wo Integration gelingt! Am Schluss ihrer Analyse konnte Sie sich auch einen neckischen Tipp für uns Lehrkräfte nicht verkneifen.

«Vielleicht sollte sich unser Bildungssystem auch mal einige Inputs aus der Fussballszene holen, anstatt immer über die grossen Schwierigkeiten, welche die Integrationsarbeit mit sich bringt, zu klagen. »

Da wir Lehrkräfte natürlich für neue Impulse immer offen sind und uns in unserer täglichen Arbeit mit unseren Migrantenkids gerne an erfolgreichen Vorbildern orientieren, könnten uns ja solche «Impulse» im Unterricht wirklich helfen. Wie sähe denn ein solcher nach dem Erfolgsmodell Fussball orientierter Unterricht aus?

  • In unser «Kader» beziehungsweise unsere Klasse wird nur berufen, wer das benötigte Profil hat und seine Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis gestellt hat.
  • Wer die Leistung nicht erbringt, muss den Kader verlassen. Es gibt keinen Stützunterricht, höchstens Straftraining.
  • Murat Yakin: Der trainer ist der Boss.

    Wer in den Kader berufen wird, tut, was der Lehrer sagt, denn der Trainer ist der Boss. Wer meckert, fliegt.

  • Alle strengen sich an, es gibt ein klares Punktesystem, die Leistung auf dem Spielfeld «Unterricht» zählt. Es werden keine Debatten über angebliche Benachteiligungen geführt und schon gar kein Nachteilsausgleich gewährt. Wer versagt, kommt auf die Bank oder wird ausgesondert.
  • Es gelten klare und gleiche Spielregeln. Für alle. Und sie werden auch nicht jeden Tag neu ausgehandelt. Wenn ein Spieler einen anderen rotwürdig foult, dann verweist der Schiedsrichter den Spieler vom Platz. So auch künftig bei uns im Unterricht. Kein Stuhlkreis, kein Psychiater, keine Nachsichtigkeit aufgrund eines Traumas im Jugendfussball.
  • Mädchen und Knaben sind strikt getrennt.
  • Vor den Spielen beziehungsweise den Testen wird die Schweizer Nationalhymne gesungen.
  • Nicht alle Spieler sind gleich. Manche spielen sensationell, andere nicht. Einige verdienen mehr, andere weniger. So auch im Unterricht. Es gibt Zensuren und eine Skala 6 bis 1. Die guten kommen in eine höhere Leistungsklasse, die schlechten werden ins B-Team verbannt.
  • Es zählen nur das Resultat und die gewonnenen Zweikämpfe!
Vor jedem Test wird die Nationalhymne gesungen.

Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob die Journalistin an diese Art Umsetzung gedacht hat. Und , liebe Kolleginnen und Kollegen, passen Sie auf, dass sie die Rechnung nicht ohne den Wirt machen. Denn der Wirt sagt mir: «Wenn du die Saisonziele mit deinem Team nicht erreichst, wirst du entlassen. »

 

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Ein Kommentar

  1. Ich habe mir schon früh in meiner Lehrtätigkeit vorgestellt, wie es wäre, wenn der Fussball den Lehrplan diktieren würde. Was vorerst bloss ein witziger Einfall war, entwickelte sich mit den digitalen Hilfsmittel zu einem Kosmos der Möglichkeiten, die praktisch alle Fächer abdecken.
    Mathematik: Grundoperation anhand der Ligatabellen, Transfermarkt, Spielpläne etc.
    Sprachen: Funktionale Mehrsprachigkeit zu Spielanalysen, Interviews, Prognosen, etc.
    Biologie: Körperfunktionen, Unfälle, Heilmethoden.
    Physik: Druck, Luftwiderstand, Bremsweg, Geschwindigkeit.
    Geschichte: Warum spielt die BRD gegen die DDR? Grossdeutschland gegen das Saarland? Cardiff wird englischer Meister? Historischer Bezug von Klubnamen (Borussia, Young Boys, Celtic, …)
    Geografie: Städte weltweit, Reisewege planen, Distanzen.
    Werken: Stadionpläne umsetzen
    Textiles Werken: Gestalten von Trikots
    Musik: Singen von Nationalhymnen, Fangesänge mit Instrumentalbegleitung.
    Ethik und Religionen: Fairplay, Volksglaube und -verehrung (z.B. Maradona).
    Und noch viel mehr…
    Viel schlechter als der geltende Lehrplan mit seinen lehrplankonformen Lehrmitteln kann es kaum werden.

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