19. April 2024

Lehrmittelfreiheit: Die Reaktion der Presse: Clin d’Oeil klinisch tot

Die Presse befragte nach den niederschmetternden Zahlen der Neubestellungen im Kanton Baselland den Geschäftsführer des Lehrmittelverlags, der die Passepartout-Reihe herausgegeben hat. Dieser zeigte sich enttäuscht, setzt aber die Hoffnung auf den Kanton Bern.

Bittere Nachrichten für die Passepartout-Entwickler

Lange Gesichter beim Entwickler von Clin d’Oeil. «In Baselland können wir wohl nicht mehr viel machen», sagt Bernhard Kobel. Der Geschäftsführer der Berner SchulverlagPlus AG hält seinen Frust nicht zurück, als ihm die bz die erstmalig erhobenen Zahlen zur Nutzung seiner Französisch-Lehrmittel «Mille feuilles» (Primar) und «Clin d’Oeil» (Sek) vorlegt. Gleich im ersten Schuljahr der geleiteten Lehrmittelfreiheit, in dem Baselbieter Lehrer nicht mehr obligatorisch die Passepartout-Lehrmittel benutzen mussten, hat eine markante Wechselbewegung eingesetzt. Vor allem auf der Sekundarstufe: 93 Prozent der gut 3200 Schüler der 1.-Sek-Klassen arbeiten nun nicht mehr mit «Clin d’Oeil», sondern mit einem alternativen Angebot. Oder anders ausgedrückt: Lediglich noch zwei von 178 Lehrpersonen wählten das bisher obligatorische Franz-Buch aus der Lehrmittelliste des Kantons aus. Kobel sagt offen:«In diesem Ausmass hatten wir das nicht erwartet.»

Bernhard Kobel: Das hätten wir nicht erwartet!

«Diese neuen Zahlen sind das Resultat der jahrelangen Kampagne, die gegen unsere Lehrmittel gefahren wurde.» In keinem anderenKanton sei mit vergleichbaremDruck gegen «Mille feuilles» und «Clin d’Oeil» vorgegangen worden. Dabei ist Kobel überzeugt, dass ihr Ruf schlechter sei, als sie es verdienen. Er wisse durchaus, dass sie verbesserungswürdig seien – aber genau daran arbeite der Verlag. «Mille feuilles» für die 5. und 6. Klasse sei komplett überarbeitet worden, mit Fokus auf Wortschatz und Grammatik, für die 3. und 4.Klasse folge dasselbe dieses und kommendes Jahr. Auch «Clin d’Oeil» werde weiter verbessert.

Entscheidend ist, was die anderen Kantone machen!

Entscheidend sei nun, was die anderen Kantone machen. Wenn der Kanton Bern nachfolgt, haben wir Probleme, meint Herr Kobel. Dort wird das Ende des Obligatoriums im Parlament nämlich auch vorbereitet. So wurde eine überparteiliche Motion, welche eine kontrollierte Lehrmittelfreiheit vorschlägt, überwiesen. Der Condorcet-Blog berichtete darüber (https://condorcet.ch/2020/12/auf-dem-weg-zur-lehrmittelfreiheit/). Und Basel-Stadt hat zeitgleich mit Baselland alternative Lehrmittel zugelassen.

Zusammenfassung eines Artikels von Michael Nittnaus in der bz (Basellandschaftliche Zeitung) vom 25.3.21

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Condorcet-Autor Felix Schmutz ist mit dem Beitrag von Bernhard Bonjour (https://condorcet.ch/2021/06/die-dystopie-der-kontrollgesellschaft-realitaet-in-der-schule/) nicht einverstanden und reiht ihn ein in eine ganze Reihe von schulkritischen Modebüchern. Er plädiert dagegen für mehr Realismus in der Bildung, um ein “Sowohl-als-auch”.

Ein Kommentar

  1. Trotz dem Eingeständnis von “Verbesserungswürdigkeit” führt Herr Kobel den Misserfolg der Passepartout-Lehrmittel immer noch auf die “gegnerische Kampagne” zurück. Was er nicht sehen will, ist die auch wissenschaftlich untermauerte Tatsache, dass Mille feuilles und Clin d’oeil von ihrem Ansatz her nicht als Fremdsprachenlehrmittel im schulischen Umfeld taugen. Die zu Grunde liegenden Theorien und ihre fragwürdige Umsetzung in die Lehrgänge haben den Praxistest nicht bestanden. Erst diese Tatsache und das verbohrte Festhalten an einer verfehlten Didaktik haben zu der von Kobel erwähnten Kritik geführt. Da können jetzt auch noch so viele Zusätze und Umgestaltungen nicht helfen. Es hat schlicht keinen Sinn, in dieses gescheiterte Projekt noch mehr Geld zu investieren. Die Bücher einstampfen, Papier und Kunststoff rezyklieren, sich schlau machen, wie andere die Sache anpacken, und ein Lehrmittel grundsätzlich didaktisch neu entwickeln, wäre das Gebot der Stunde. Und vielleicht mit Leuten, die nicht daran glauben, dass der Storch mit dem Kinde auch noch die “funktionale Mehrsprachigkeit” als farbigen Blumenstrauss mit sich bringt.

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